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Russischer Journalistenverband und OSZE-Büro kritisieren unausgewogene Medien-Berichterstattung über die Präsidentschaftskandidaten

12. März 2004

– OSZE greift zum ersten Mal auch die Zentrale Wahlkommission Russlands an

Moskau, 11.3.2004, ISWESTIJA, russ., Olga Tropkina

Je näher die Abstimmung über die Präsidentschaftskandidaten rückt, desto häufiger muss sich die Zentrale Wahlkommission vor Beanstandungen der Kandidaten, der Parteien sowie verschiedener russischer und ausländischer Organisationen "wehren". Besonders schwer hatte es die Zentrale Wahlkommission in dieser Woche. Zuerst veröffentlichte der Journalistenverband die Ergebnisse eines Monitorings der Massenmedien und stellte fest, dass die Medien bei der wohlwollenden Berichterstattung über den Kandidaten Wladimir Putin ganz offensichtlich übertreiben. Am Mittwoch (10.3.) beschuldigte das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE die russischen Medien, den Präsidenten zu "favorisieren".

Das Urteil der OSZE kommt einer Sensation gleich. Der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, Aleksandr Schukow, war über die scharfen Formulierungen, von denen das Dokument voll ist, verwundert. Zum ersten Mal enthalten solche Berichte Beschuldigungen gegenüber der Zentralen Wahlkommission. Bisher haben sich internationale Organisationen entweder nur mündliche Kritik über die Wahlkampagne erlaubt oder sie reagierten überhaupt nicht auf ofensichtliche administrative Übertreibungen (wie z.B. 1996, als Boris Jelzin um das Präsidentenamt kämpfte).

Jetzt heißt es zum Beispiel im Zwischenbericht des OSZE-Büros für Ende Februar bis Anfang März: "Bei der Berichterstattung über die Wahlkampagne in den Medien wird die Hauptaufmerksamkeit den Aktivitäten des jetzigen Präsidenten Wladimir Putin gewidmet"; "die staatlichen Medien favorisieren Putin, sie sind bisher ihrer Aufgabe, über alle Kandidaten gleich viel zu berichten, nicht nachgekommen". Die Verfasser des Berichtes rügen die staatlichen Fernsehgesellschaften dafür, "viel umfassender als notwendig" über die Tätigkeit des Präsidenten zu berichten und loben die unabhängigen Medien für die "ausgewogene" Berichterstattung und die breite Meinungspalette.

Der Journalistenverband, der nach dem Monitoring im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit einer Delegation der Europäischen Kommission einen Bericht zum ähnlichen Thema veröffentlicht hat, hat genauere Forschungsergebnisse präsentiert. Experten haben berechnet, dass 47 Prozent aller Sendungen der drei staatlichen Fernsehgesellschaften das Thema Putin zum Inhalt haben und in 69 von 100 Fällen, in denen ein Präsidentschaftskandidat in diesen Sendern erwähnt wird, es sich um Putins Namen handelt. In den russischen Zeitungen liegt das derzeitige Staatsoberhaupt sogar um 68 Prozent vor seinen Rivalen. Auch die Tatsache, dass Putin sich geweigert hat, an den Fernsehdebatten teilzunehmen, hat das Interesse an den anderen Präsidentschaftskandidaten nicht erhöht. Es stellte sich heraus, dass die Nachrichten, bei denen Putin in 58 Prozent der Sendezeit erwähnt wird, und analytische Sendungen, wo es sogar bei 87 Prozent der Zeit um Putin geht, viel mehr Zuschauer haben als Fernsehdebatten oder politische Werbung. Wie bekannt nutzen die Gegner von Putin hauptsächlich diese Sendemöglichkeiten.

Aleksandr Weschnjakow reagierte wie folgt auf die Schlussfolgerungen der OSZE: "Wir sind der OSZE dankbar: sie untersucht genau, was in Russland vor sich geht, betrachtet alles durch die Lupe." Dabei ging er nicht auf die Beschuldigungen gegenüber seiner Behörde ein, der "Mangel an notwendigen Bemühungen zur Änderung der Situation" vorgeworfen wird. "Die Meinung der internationalen Beobachter über die ungleiche Berichterstattung über die Kandidaten in den Massenmedien ist praktisch eine Warnung an diese Medien", so Weschnjakow. Insgesamt verläuft die Präsidentschaftswahlkampagne nach Ansicht des Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission jedoch "korrekter und zivilisierter als früher". (lr)