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Politik

Russischer Pastor sucht Asyl in Deutschland

Anastasia Magazova | Markian Ostaptschuk
21. September 2017

Nicht nur aus politischen Gründen kann man in Russland verfolgt werden, sondern auch aus religiösen. Eine russische Pastorenfamilie musste aus Sotschi fliehen. Nun hofft sie, in Deutschland bleiben zu dürfen.

Symbolbild Einwanderung - Grenzübergang Weil am Rhein - Basel
Bild: picture-alliance/dpa/M. Media

"Warum in Deutschland? Es gibt hier eine starke evangelische Kirche", sagt Alexej Koljasnikow auf die Frage, warum er in Deutschland politisches Asyl beantragt hat. Der Pastor hofft auf einen positiven Bescheid der Behörden. "Es ist sehr gefährlich, nach Russland zurückzugehen. Man wird mich dort zum Terroristen erklären und hinter Gitter bringen", so Koljasnikow.

Seit Ende Juli 2017 befindet sich der Pastor mit seiner Frau und deren drei Töchtern in einer Leverkusener Flüchtlingsunterkunft - eine Sporthalle einer Schule, die für die vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen hergerichtet wurde. Die Koljasnikows teilen sich dort ihre wenigen Quadratmeter mit Flüchtlingen aus Tschetschenien.

Pastor Alexej Koljasnikow musste mit seiner Familie Russland verlassenBild: DW/A. Magazova

"Unerlaubte Versammlung" in einem Café

Koljasnikow ist überzeugt, dass er gerade wegen seiner religiösen Betätigung in Russland verfolgt wird. Im September 2014 hielt der Pastor eine Versammlung mit seiner Pfingstgemeinde ab. Wie schon oft kam die Gemeinde in einem Café in Sotschi zusammen, sie verfügt über kein eigenes Kirchengebäude. An jenem Abend erschienen während der Bibellesung plötzlich Polizisten und Mitarbeiter des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB). Sie warfen Koljasnikow vor, eine unerlaubte Versammlung abzuhalten. Dies sei eine Ordnungswidrigkeit.

"Sechs Wochen zuvor war eine junge Frau neu zu unseren Versammlungen hinzugekommen. Sie nahm fortan an fast allen teil. An den Themen, über die wir sprachen, war sie sehr interessiert. Doch an jenem Abend, als der FSB erschienen war, war sie nicht allein gekommen, sondern mit einem Freund, wie sie sagte", erinnert sich Koljasnikow. Später stellte sich heraus, dass jener "Freund" in Wirklichkeit Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden ist. Vor Gericht sagten er und jene junge Frau als Zeugen gegen den Pastor aus. Koljasnikows Anwalt Alexander Popkow zufolge war die junge Frau auch schon in anderen Prozessen gegen Religionsgemeinschaften in Sotschi vor Gericht aufgetreten.

Alexaner Popkow: Der Fall Koljasnikow ist kein EinzelfallBild: DW/A. Savitski

Gegen Koljasnikow, als den "Organisator einer nicht genehmigten Versammlung", verhängten die Richter eine Geldstrafe. Nachdem er Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wegen der Verletzung seines Rechts auf Religionsfreiheit in der Russischen Föderation eingereicht hatte, nahm der Druck auf ihn zu. Und plötzlich kam in seinem Fall eine "ukrainische Spur" hinzu.

"Anhänger des Euromaidans"

In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft der südrussischen Region Krasnodar, das in Kopie der DW vorliegt, spricht FSB-Generalmajor Alexander Rodionow nicht nur von einem Verstoß gegen die Ordnung zur Durchführung von Versammlungen, sondern auch von direkten Verbindungen des Pastors zu den Ereignissen in der Ukraine im Winter 2013 und Frühjahr 2014. "Mit der Machtübernahme der 'Euromaidaner', deren religiöse Überzeugungen auf der Ideologie pro-westlicher protestantischer religiöser Bewegungen basieren und die sowohl von der NATO als auch der EU finanziell unterstützt werden, ist die Gefahr entstanden, dass in Russland sogenannte 'anti-russische Herde' entstehen, von den soziale und ideologische Spannungen ausgehen", heißt es in dem Schreiben. Daraufhin nahm sich das russische "Zentrum für Extremismus-Bekämpfung" des Falls an.

Koljasnikow beteuert, er habe als Pastor jegliche Gewalt und Blutvergießen in Kiew verurteilt. Außerdem hätten es ihm seine politischen Überzeugungen nicht erlaubt, die Revolution in der Ukraine zu unterstützen. "Ich war klar gegen den Maidan. Damals beteten wir für das Wohl unseres Landes und des Präsidenten", sagt er. Als er in einem FSB-Bericht gelesen habe, er sei am Euromaidan beteiligt gewesen, sei er schockiert gewesen.

"Das ist auch deswegen lächerlich, weil ich zum damaligen Zeitpunkt noch nie in der Ukraine war. Zum ersten Mal war ich 2016 in Kiew und natürlich zerstreuten sich viele meiner Vorurteile. Niemand griff mich dort wegen meiner russischen Sprache an. Ich fühlte mich dort sehr frei", so der Pastor. Er ist überzeugt, dass in Russland heutzutage gegen jeden willkürlich ein Strafverfahren eröffnet und dies einfach mit Verbindungen zu den Ereignissen in der Ukraine begründet werden kann.

Der Kiewer Maidan - Ort der pro-europäischen Revolution der Würde im Februar 2014Bild: Reuters

Rache des FSB?

Der Pastor versteht bis heute nicht ganz, was der wahre Grund für seine Verfolgung ist. Er erinnert sich an einen Vorfall im Jahr 2012. "Ein FSB-Major bestellte mich zu einem Gespräch. Er sagte, er befasse sich mit den religiösen Gruppen in Sotschi. Der Mann betonte, in Russland bestehe eine erhöhte terroristische Bedrohung. Daher bat er mich, Listen mit den Mitgliedern meiner Gemeinde mit deren persönlichen Angaben herauszugeben", berichtet Koljasnikow.

Sein Anwalt Alexander Popkow glaubt, dass in dem Fall mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Erstens habe sich die Lage in Russland nach den Ereignissen in der Ukraine verschärft. Zweitens würden die russischen Sicherheitsdienste alle Religionsgemeinschaften im Lande unter Kontrolle halten wollen. "Und Koljasnikow hat sich dieser Kontrolle verweigert", so Popkow.

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