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PolitikEuropa

Russisches Großmanöver in Belarus: Die wichtigsten Fakten

Roman Goncharenko
9. Februar 2022

Vor dem Hintergrund der Spannungen mit dem Westen startet Russland ein Militärmanöver in Belarus. Soll damit ein Einmarsch in die Ukraine verdeckt werden? Ein Überblick.

Belarus | Militärmanöver mit Russland
Panzer in Belarus, Februar 2022Bild: Viktor Tolochko/Sputnik/dpa/picture alliance

Die Krise zwischen Russland und dem Westen um die Ukraine und die Sicherheit in Europa spitzt sich möglicherweise zu. Russische und belarussische Streitkräfte beginnen an diesem Donnerstag in Belarus ein zehntätiges großangelegtes Militärmanöver. Es heißt übersetzt "Unions-Entschlossenheit" und spielt auf den "Unionstaat" der beiden früheren Sowjetrepubliken an, die 2021 eine engere, darunter auch militärische, Integration vereinbart haben. Im Westen gibt es Befürchtungen, das Manöver könne als Deckung für eine Invasion in die benachbarte Ukraine dienen. Moskau und Minsk dementieren das.

Größte Truppenbewegungen seit dem Ende des Kalten Krieges

Gemeinsame Militärmanöver von Russland und Belarus sind keine Seltenheit. Normalerweise finden Übungen im frühen Herbst statt und werden mehr als ein halbes Jahr im Voraus angekündigt. In diesem Fall deutete der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko aber erst Ende 2021 an, dass ein Manöver stattfinden werde. Eine offizielle Ankündigung mit Details kam erst Mitte Januar. Über eine sonst übliche Einladung ausländischer Beobachter ist nichts bekannt.

Gleichzeitig finden parallel andere Militärübungen in ganz Russland statt. Auch strategische Truppen mit Atomraketen sind betroffen. Das Ausmaß der Truppenbewegungen ist eines der größten seit dem Ende des Kalten Krieges. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu beschrieb das Ziel von "Unions-Entschlossenheit" so: "Militärische Sicherheit beider Länder und Kampf gegen Terrorismus".

Wie berechtigt sind Sorgen eines Einmarschs in die Ukraine?

Könnte dieses Manöver zu einem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine führen? In westlichen Hauptstädten wird ein solches Szenario befürchtet und in Kiew nicht ausgeschlossen. Wolfgang Richter, Militärexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), hält es für eher unwahrscheinlich. "In einer Zeit von Spannungen geben Militärmanöver politische Signale," sagte Richter in einem DW-Gespräch. "Es könnte sich um eine Drohkulisse handeln". Eine Invasion wäre angesichts derzeitiger diplomatischer Bemühungen "kontraproduktiv" und für die russische Armee "mit vielen Risiken verbunden", so Richter.

Manöver an fünf Truppenübungsplätzen

Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums findet das Manöver an fünf Truppenübungsplätzen statt, die meisten davon im Westen und Südwesten von Belarus, unweit der Grenze zu Polen und zur Ukraine.

Wie viele Truppen an der Übung teilnehmen ist unbekannt. Artjom Schreibman vom Moskauer Carnegie-Zentrum schrieb in einer Analyse, "eine solche Zahl russischer Militärs auf belarussischem Boden hat es während der ganzen postsowjetischen Zeit nicht gegeben". NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schätzte diese Zahl auf rund 30.000. Der russische Verteidigungsminister Schoigu sagte, die Truppenstärke übersteige nicht die im sogenannten Wiener Dokument der OSZE aus dem Jahr 2011 festgelegte Grenze. Trotzdem habe Russland seine Partner über das Manöver informiert. Die laut Wiener Dokument meldepflichtige Grenze liegt bei 9000 Mann. Militärexperte Richter erklärt, die Diskrepanz könnte dadurch zustande kommen, dass im Wiener Dokument nur Heerestruppen gezählt werden.

Flugabwehrsysteme S-400 auf dem Weg nach Belarus Bild: picture alliance/dpa/Russian Defence Ministry

Zur Teilnahme am Manöver wurden Truppen und modernste Technik aus Sibirien und dem Fernen Osten nach Belarus gebracht. Bestätigt sind Verlegungen von Kampfjets vom Typ Suchoi SU-35, die zu den besten der russischen Luftwaffe zählen. Auch Erdkampfflugzeuge Suchoi SU-25SM sind dabei, die als Unterstützung für Bodentruppen dienen.

Bei der Luftabwehr nehmen ebenfalls die modernsten Systeme an der Übung teil. Das Flugabwehrsystem S-400 mit einer Reichweite von bis zu 400 Kilometer nimmt Flugzeuge und Raketen ins Visier, während "Panzir-S" für kurze Strecken und kleinere Ziele wie Drohnen vorgesehen ist. Außerdem wurden nach NATO-Angaben auch "Iskander-M"-Raketensysteme nach Belarus gebracht. Russland hat das offiziell nicht bestätigt. Schließlich berichten russische Quellen über Fallschirmjäger, Marinesoldaten und Artilleristen, die nach Belarus verlegt wurden. SWP-Experte Wolfgang Richter spricht von einer "Vollübung, bei der alle Fähigkeiten geübt werden können, von Verteidigung bis zum Gegenangriff."

Werden Truppen mit Atomwaffen teilnehmen?

Ob Truppen mit Atomwaffen an dem Manöver teilnehmen werden, ist unklar. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums waren kurz vor Übungsbeginn russische strategische Mittelstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-22M3 über Belarus auf Patrouille. Wolfgang Richter sieht in solchen Patrouillenflügen nichts Ungewöhnliches: "Das machen auch die USA, das sind politische Signale". Normalerweise würden solche Flüge ohne Atombomben absolviert, so der Experte.

Theoretisch können auch "Iskander-M"-Raketen atomar bestückt werden. Richter verweist darauf, dass diese Raketen in Russland bisher meistens mit konventionalen Waffen bestückt wurden.

Was passiert mit den russischen Truppen nach der Übung?

Der belarussische Generalstab teilte mit, russische Militärs würden nach dem Manöver die Republik verlassen. Das bestätigte der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow: "Die Truppen würden zu ihren Stützpunkten zurückkehren." Ob das auch für das mitgebrachte Kriegsgerät gilt, ist offen. Der belarussische Machthaber Lukaschenko sagte früher, seine Republik würde gerne von Russland modernste Waffen bekommen, darunter Flugabwehrsysteme S-400.