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"Russland braucht Auslandsinvestitionen"

29. Oktober 2009

Der Vorsitzende des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold, berichtet im Gespräch mit der DW über das Treffen deutscher Unternehmen mit Russlands Premier Putin.

Bild: AP/DW

Deutsche Welle: Eine 16-köpfige Delegation von Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft hatte in Moskau ein dreistündiges Gespräch mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin. Was waren die Schwerpunkte dieses Treffens?

Klaus MangoldBild: DW/Gurkov

Klaus Mangold: Zunächst will ich sagen, dass es die bedeutendste Wirtschaftsdelegation war, die jemals Gespräche in Russland geführt hat. Die Unternehmen haben einen Umsatz repräsentiert von etwa 500 Milliarden Euro. Sie haben immerhin etwa zwei Millionen Beschäftigte vertreten. Die wichtigsten Schwerpunkte des Gesprächs mit Ministerpräsident Putin lagen in den Breichen Energie, aber auch Modernisierungstrategie. Wir haben über die Frage des WTO-Beitritts Russlands diskutiert, über Zölle und Abgaben. Wir waren uns einig, dass wir etwas tun müssen gegen den Protektionismus. Wir haben intensiv über die Lebensmittelindustrie und die Landwirtschaft gesprochen, also ein ganz breites Programm.

Nun verläuft die wirtschaftliche Entwicklung in Russland in diesem Jahr ziemlich enttäuschend, besonders im Vergleich zu anderen BRIC-Ländern. In jüngster Zeit gab es seitens der deutschen Geschäftswelt ungewöhnlich scharfe Kritik an den Rahmenbedingungen in Russland. Wurden solche Themen auch beim Gespräch mit Putin angesprochen? Sie haben gerade den Protektionismus erwähnt.

Natürlich haben wir diese Themen erwähnt. Wir haben ein sehr gutes langjähriges Vertrauensverhältnis mit dem Ministerpräsidenten, da ist es ganz natürlich, dass man auch über kritische Fragen sprechen kann. Wir haben insbesondere dargelegt, dass die deutsche Wirtschaft sehr unter der Bürokratie leidet. Der Ministerpräsident hat zugesagt, dieses Thema noch ernster als bislang auf seiner Tagesordnung zu behandeln. Wir haben natürlich auch über Zölle gesprochen und über manche Schwierigkeiten bei der Abfertigung von Waren an den Grenzen. Ich gehe davon aus, dass dies alles jetzt durch eine klare Beauftragung an den stellvertretenden Ministerpräsidenten Schuwalow aufgegriffen und umgesetzt wird.

Der Themenkomplex ist ja nicht neu. All die letzten Jahre wird von deutscher Seite auf all diese Probleme hingewiesen. Wenn es immer wieder thematisiert werden muss, sind die Fortschritte wohl nicht besonders groß.

Aber auch hier gilt der alte Satz: Der stete Tropfen höhlt den Stein. Ich glaube, dass Russland heute, und das zeigt auch die Initiative von Herrn Putin vor einigen Wochen, als er Unternehmen aus dem Energiebereich nach Sachalin eingeladen hat, das zeigt auch das Auftreten des Präsidenten Medwedjew in vielen internationalen Foren, dass es Russland heute ernster nimmt als in der Vergangenheit, mit ausländischen Investoren zu sprechen. Russland braucht Auslandsinvestitionen für die Modernisierung des Landes.

Es ist tatsächlich auffallend, wie Moskau neuerdings ausländische Investoren hofiert. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer so. Aber wie nachhaltig ist das wiedererwachte Interesse an ausländischen Partnern? Liegt das an den aktuellen Geldnöten der russischen Regierung und könnte das mit einem baldigen Anstieg des Ölpreises auch wieder vorbei sein?

Das hoffen wir natürlich nicht. Wir gehen davon aus, dass der Ölpreis eine Kurve nach oben nimmt. Aber ich glaube, dass Russland aus einer ganz anderen Motivlage heraus jetzt wieder den Dialog mit ausländischen Unternehmen vertieft, nämlich dem, dass Russland eingesehen hat, dass der Gesamtbereich der BRIC-Staaten sich heute in einer Wettbewerbssituation untereinander befindet. Wer dort in seiner Wettbewerbsfähigkeit zurückfällt, schädigt die eigene Volkswirtschaft. Russland braucht ausländische Technologie, ausländisches Kapital, ausländische Unternehmen, die dazu beitragen, über Technologie die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes zu stärken.

Ein Schwerpunkt des Gesprächs war die angekündigte Privatisierung von etwa 5.500 russischen Unternehmen. Damit will die russische Regierung eindeutig ihre Kassen wieder auffüllen. Aber womit erklärt sich das ausgesprochene deutsche Interesse gerade an diesen Privatisierungen? Brauchen deutsche Unternehmen tatsächlich ehemalige russische Staatsbetriebe mit zahlreichen Erblasten, oder würden sie nicht viel besser in Russland auf der grünen Wiese fahren?

Ich glaube, es gibt kein Patentrezept - grüne Wiese oder ein Joint-Venture mit einem russischen Unternehmen. Ich glaube, dass der Charme dieser Initiative darin liegt, dass wir sie verbinden wollen mit einer klaren Orientierung im Hinblick auf Mittelstand, auf Finanzierung. Man kann dies nur machen, wenn es wirklich in der Anfangsphase Finanzierungshilfe gibt, entweder durch deutsche Unterstützung oder russische Unterstützung von Banken. Und wir wollen damit natürlich auch einen Beitrag leisten im Hinblick auf die Stärkung der Position der deutschen Wirtschaft. Wir haben auch gesagt, dass es keinen Sinn macht, jetzt mit einem breiten Rechen über 5500 Unternehmen zu gehen. Wir brauchen zehn oder 15 Pilotmodelle, die man durchgehen muss, und dann kann man sehen, innerhalb welchen Verfahrens, und das fehlt ja noch, man im Einzelnen solche Unternehmen privatisieren kann. Die entscheidende Motivlage der russischen Regierung ist nicht der Haushalt und dessen Sanierung, sondern das Hereinnehmen von Technologie und Joint-Ventures.

Autor: Andrey Gurkov
Redaktion: Markian Ostaptschuk

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