Russland destabilisiert Republik Moldau vor Parlamentswahl
6. August 2025
Die Polizei der Republik Moldau postet in ihrem Telegram-Kanal seit Wochen alarmierende Nachrichten. Immer wieder weisen die Beamten auf Fake News in sozialen Medien hin, fordern die Bürger auf, keine "Wahlbestechung" anzunehmen, oder berichten, wie sie bezahlte Demonstranten festnehmen. Aktuell warnt die moldauische Polizei in einem Erklärvideo vor einer App namens "Taito", mit der Russland unter anderem massenhaft Wählerstimmen kaufe.
Diese Woche wurde zudem die prorussische Gouverneurin der autonomen Region Gagausien, Evghenia Gutul, der illegalen Parteienfinanzierung für schuldig befunden und zu sieben Jahren Haft verurteilt. Gutul soll zwischen 2019 und 2022 nicht deklarierte russische Geldmittel nach Moldau gebracht haben.
Was sich in dem kleinen Land zwischen dem Südwesten der Ukraine und dem Nordosten Rumäniens zusammenbraut, fasste die moldauische Staatspräsidenten Maia Sandu nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats in der vergangenen Woche so zusammen: Russland bereite eine "beispiellose Einmischung" vor, um in der Republik Moldau die Kontrolle zu übernehmen.
Der Anlass: In zwei Monaten, am 28. September 2025, findet im Land eine Parlamentswahl statt. Ihr Ausgang wird darüber entscheiden, ob die Republik Moldau weiterhin einen demokratischen und proeuropäischen Weg geht oder ob eine Allianz aus prorussischen Parteien an die Regierung kommt und das Land zurück in Moskaus Orbit manövriert. Doch obwohl der Wahlkampf noch gar nicht eröffnet ist, überschlagen sich die Ereignisse schon jetzt fast täglich.
Massive Sabotageaktionen
Russland hat die Republik Moldau ganz offensichtlich als Testgebiet für eine neuartige hybride Kriegsführung vor Wahlen auserkoren. Es geht darum, die Legitimität demokratischer Prozesse mit massiven kombinierten Sabotageaktionen so sehr in Zweifel zu ziehen, dass tiefe gesellschaftliche Unsicherheit und politisches Chaos entstehen.
Die Methoden: bezahlte öffentliche Proteste, hunderttausendfacher Stimmenkauf im Land und in der Diaspora, das Überschwemmen sozialer Medien mit Fake News und gefälschtem, immer häufiger KI-generiertem Content, sowie Hacker-Angriffe auf IT-Systeme. Hinzu kommt, dass wohl immer wieder russische Drohnen und Raketen, mit denen die Ukraine angegriffen wird, absichtlich über moldauisches Staatsgebiet fliegen, um die Kriegsangst im Land zu schüren. All das hebt die Parlamentswahl vom 28. September auf die Stufe einer gesamteuropäischen Angelegenheit.
Schlagzeilen machten zuletzt Enthüllungen über den vor zwei Wochen am Flughafen von Athen verhafteten ehemaligen moldauischen Oligarchen Vladimir Plahotniuc. Er war im Juni 2019 aus dem Land geflohen und wurde seitdem wegen einer Vielzahl von Delikten, unter anderem wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am sogenannten Milliardenraub von 2012 bis 2014, gesucht. Er soll sich nach einem Bericht des Investigativmagazins The Insider in den vergangenen Monaten in Russland und Belarus mehrfach mit Dmitri Kozak getroffen haben, einem langjährigen Vertrauten Wladimir Putins und aktuell Vizechef der russischen Präsidialverwaltung.
Bei dem Namen Kozak klingeln in der Republik Moldau alle Alarmglocken: Er ist der Autor eines Planes, mit dem das Land 2003 zerstückelt und in eine lose Föderation umgewandelt werden sollte. Im letzten Moment weigerte sich der damalige moldauische Staatspräsident Wladimir Woronin, das "Kozak-Memorandum" zu unterzeichnen - eine schwere Demütigung für den Kreml, die Putin und Kozak wohl nicht vergessen haben dürften. Bei den jetzigen Gesprächen zwischen Kozak und Plahotniuc soll es darum gegangen seien, wie der moldauische Oligarch seine alten Netzwerke aus der Zeit vor seiner Flucht 2019 aktivieren könnte, um das Land wieder unter russischen Einfluss zu bringen.
Jahrzehntelange Aggressionspolitik
Obgleich die agrarisch geprägte Republik Moldau mit ihren derzeit dreieinhalb Millionen Einwohnern für Russland keinerlei wichtige wirtschaftliche Bedeutung hat, ist das Land seit mehr als drei Jahrzehnten Opfer imperialer russischer Aggression. Dort führte Russland im Frühjahr 1992 seinen ersten postsowjetischen Krieg gegen einen unabhängigen Staat - unter dem seither vielfach wiederholten Vorwand, russischsprachige Landsleute vor einem angeblich faschistischen Regime schützen zu müssen.
Der Kreml unterstützt im moldauischen Landstreifen Transnistrien ein separatistisches Regime mafiöser russischer Geheimdienstler und hat dort völkerrechtswidrig eigene Soldaten sowie ein riesiges Waffenarsenal stationiert. Russland schleuste mit dem System des "Russian Laundromat" über Banken in der Republik Moldau Dutzende Milliarden Dollar in alle Welt. Und es erpresste das Land immer wieder durch Auf- und Zudrehen des Erdgashahns.
Mitte 2019 gelang in der Republik Moldau ein echter demokratischer Regimewechsel, der bisher zwar holprig verlief, aber immerhin nicht in eine prorussische Restauration mündete. Die populäre Anti-Korruptionsaktivistin Maia Sandu wurde damals zunächst Regierungschefin, dann Staatspräsidentin. Ihre Partei Aktion und Solidarität (PAS) begann nach der Parlamentswahl 2021 mit absoluter Mehrheit zu regieren und ehrgeizige rechtsstaatliche und ökonomische Reformen umzusetzen, beides jedoch nur mit mäßigem Erfolg.
Aus Russland gesteuertes Netzwerk
Gründe dafür sind unter anderem die jahrzehntelange Ausplünderung des Landes durch korrupte Cliquen, der Personalmangel wegen des massiven Exodus aus dem Land, der ungelöste Konflikt mit den Separatisten in Transnistrien, die zu späte europäische Unterstützung für die Republik Moldau bei der Abkopplung von russischen Energielieferungen - und nicht zuletzt die russische Dauerpropaganda. Eines der wichtigsten Narrative ist seit längerem, dass die EU und die NATO die Republik Moldau an der Seite der Ukraine in den Krieg gegen Russland hineinziehen wollen.
Dass Maia Sandu und die PAS-Regierung unter Premier Dorin Recean an Unterstützung verlieren und Russland gleichzeitig massiv in die Politik des Landes eingreift, zeigte sich bereits Ende vergangenen Jahres bei der Präsidentschaftswahl, die mit einem EU-Referendum verknüpft war. Sandu gewann die Wahl erst im zweiten Wahlgang relativ deutlich, während das Referendum nur um Haaresbreite zugunsten der EU-Integration ausging. Kurz vor der Wahl und dem Referendum hatten Behörden ein Netzwerk enttarnt, mit dem bis zu 300.000 Wählerstimmen gekauft werden sollten.
Gesteuert wurde das Netzwerk aus Russland von dem moldauisch-israelischen Geschäftsmann Ilan Shor. Er ist der mutmaßliche Drahtzieher des so genannten Milliardenraubs und floh 2019 zusammen mit Vladimir Plahotniuc aus dem Land, zunächst nach Israel, später nach Russland. Obwohl mehrere von Shor gegründete Parteien in der Republik Moldau bereits verboten wurden, mischt er von Russland aus weiterhin in der moldauischen Politik mit. Für die Wahl im September hatte er in Moskau das Parteienbündnis "Sieg" gegründet, das jedoch Mitte Juli 2025 von der Zentralen Wahlkommission (CEC) von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen wurden.
Putins "zweite Front"
Antreten wird jedoch nach bisheriger Lage Putins "zweite Front": der prorussische "Patriotische Block" aus vier Parteien, darunter die Sozialisten des ehemaligen Staatspräsidenten Igor Dodon. Anders als ihr Name besagt, vertreten die Sozialisten in Wirklichkeit rechtspopulistische, kremltreue Positionen, ebenso wie die anderen drei Parteien des Wahlblocks. Passenderweise fuhren dessen Anführer Anfang Juli nach Moskau zu Gesprächen, bevor sie sich für die Parlamentswahl registrieren ließen. Ihr Wahlprogramm sieht vor allem die "Wiederherstellung der Beziehungen zu Russland" vor.
Angeblich will der Kreml mit all dem nichts zu tun haben. Als Maia Sandu in der vergangenen Woche vor der massiven russischen Einmischung in der Republik Moldau warnte, reagierte Putins Sprecher Dmitri Peskow mit diesen Worten: Russland mische sich in die internen Angelegenheiten anderer Länder nicht ein.