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Politik

Russland: Die Kreml-Partei wackelt

Roman Goncharenko | Ewlalia Samedowa
9. September 2019

Bei Regionalwahlen in Russland zeigte sich erneut die sinkende Zustimmung für die Kreml-Partei. Von der "smarten Stimmabgabe", die Oppositionsführer Alexej Nawalny empfohlen hatte, profitieren vor allem Kommunisten.

Russland Kommunal- und Regionalwahlen in Moskau l Wahllokal
Bild: AFP/O. Maltseva

Die Regionalwahlen in Russland, bei denen am Sonntag Gouverneure, Bürgermeister und Stadträte zwischen Kaliningrad und Wladiwostok gewählt wurden, standen seit Monaten unter besonderer Beobachtung. Vor allem in Moskau gab es eine ungewöhnlich starke Protestbewegung im Vorfeld der sonst meist wenig beachteten Wahl zum Stadtparlament. Der Auslöser war eine Nichtzulassung mehrerer unabhängiger Kandidaten, darunter auch welche aus dem Umfeld des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Für den Ausschluss wurden formelle Gründe angegeben. Nawalny selbst rief seine Anhänger auf, "smart abzustimmen", also jeden aussichtsreichen Kandidaten zu wählen - Hauptsache keinen von der Kreml-Partei Geeintes Russland.

Starke oppositionelle Kräfte im Moskauer Stadtrat

Das am Montag verkündete vorläufige Wahlergebnis zeigt, dass dieses taktische Vorgehen zumindest teilweise aufgegangen ist. Geeintes Russland musste Federn lassen, ihr Moskauer Chef Andrej Metelski unterlag im Kampf um ein Direktmandat einem Kommunisten. Trotzdem bleibt die Kreml-Partei mit mehr als 20 Mandaten stärkste Kraft im Moskauer Stadtrat.

Fast die Hälfte der Sitze - 20 von 45 - gingen dagegen an oppositionelle Parteien. Größte Gewinner sind die Kommunisten, die mit 13 künftigen Sitzen die Anzahl ihrer Sitze mehr als verdoppelt haben. Allerdings haben Kommunisten in Russland den Ruf, nur formell oppositionell zu sein und oft den Kreml zu unterstützen. Einen ähnlichen Ruf hat auch die linke Partei Gerechtes Russland, die mit drei Mandaten zum ersten Mal in der Moskauer Duma vertreten sein wird. Ebenfalls drei Mandate bekam die liberale Jabloko-Partei. Als vierte kommt die unabhängige Kandidatin Daria Bessedina dazu, die von Jabloko unterstützt wurde. "Die Moskauer haben wirklich ein anderes Parlament sehen wollen", sagte Bessedina in einem DW-Gespräch über das Wahlergebnis. Was sie damit meint ist, dass das Wahlergebnis noch deutlicher zugunsten der Opposition ausgefallen wäre, wenn alle Kandidaten zugelassen gewesen wären.

Alexej Nawalny (re) mit Tochter Darya bei der StimmabgabeBild: Imago Images/TASS/S. Bobylev

Keine Stichwahl bei Gouverneurswahl

Eine große Überraschung ist das Wahlergebnis in Moskau jedoch nicht. Geeintes Russland verliert seit Jahren an Zustimmung im ganzen Land und besonders in der Hauptstadt. Aus diesem Grund stellten sich die Bewerber als unabhängige Kandidaten auf. Doch dieser Ansatz half der Kreml-Partei offenbar nicht. Ministerpräsident Dmitri Medwedew sagte am Montag, man solle über diese Praxis nachdenken und eventuell ändern. Die Wahlbeteiligung in Moskau blieb mit rund 21 Prozent auf sehr niedrigem Niveau.

Auch in anderen Teilen Russlands ergibt sich nach der Regionalwahl ein ähnliches Bild: Die Kreml-Partei wackelt, hält aber Stand. Von ihrer Schwäche profitieren die Kommunisten und die Rechtspopulisten der Liberal-Demokratischen Partei (LDPR), die ebenfalls zu der sogenannten "System-Opposition" gezählt werden. Bei der Wahl eines Direktmandats für die Staatsduma hat so in der Region Chabarowsk an der Pazifikküste ein Kandidat der LDPR gewonnen, gefolgt von einem Kommunisten. Für Geeintes Russland kandidierte eine Putin-treue Chanson-Sängerin und wurde dritte.

Bei der Gouverneurswahl leistete sich der Kreml im Vergleich zu Vorjahr diesmal keine Patzer: Es wird keine Stichwahl geben. Eine solche Möglichkeit schien sich zunächst in St. Petersburg abzuzeichnen, doch der aussichtsreiche Kandidat der Kommunisten, der bekannte Filmregisseur Wladimir Bortko, verzichtete und beschwerte sich über ungleiche Bedingungen. 2018 konnten regierende Gouverneure in vier Regionen Russlands nicht im ersten Wahlgang gewinnen. Diesmal habe die Obrigkeit "alles dafür getan", damit Geeintes Russland bei Gouverneurswahlen ihre Stellung hält, sagte Dmitri Schurawljow, Direktor des Moskauer Instituts für regionale Probleme der DW. "Bei der Vorbereitung zur Wahl wurde die Erfahrung von 2018 berücksichtigt, darunter einige überraschende Niederlagen von Geeintes Russland, fügt Alexej Titkow, Dozent an der Moskauer Hochschule für Wirtschaft, hinzu. "Als Folge wurde die Zulassung starker oppositioneller Kandidaten ausgeschlossen". 

Taktische Abstimmung auch bei der Dumawahl 2021?

Dass der Erfolg oppositioneller Kräfte in Moskau wesentlich auf das Konto von Nawalnys Taktik geht, wird sowohl in der Opposition, als auch in Fachkreisen anerkannt. "Ich glaube, die smarte Abstimmung war insgesamt sehr erfolgreich", sagte in einem DW-Gespräch Andras Rasz von der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP). "Auch die Machthaber haben unterschätzt, wie effektiv dieses Instrument sein würde." 

Manche Beobachter in Russland verweisen jedoch auf die Erstarkung der Kommunisten als dessen Folge. Wie man künftig damit umgehen soll, sei unklar. Ob eine taktische Abstimmung auch bei der Dumawahl 2021 sinnvoll wäre, bleibt offen. Dmitri Schurawljow glaubt, eine erfolgreiche Protestwahl sei in Russland nur dann möglich, wenn es um soziale Themen ginge.

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