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Politik

Russland droht Twitter und Youtube mit Sperre

Mikhail Bushuev
14. Dezember 2017

Die russische Medienaufsicht verlangt von Twitter und Youtube, Accounts einer "unerwünschten" NGO zu löschen. Ansonsten würden beide Netzwerke in ganz Russland blockiert. Macht Russland damit Ernst?

Symbolbild Tastatur Internet
Bild: picture-alliance/dpa/N. Armer

Der Kreml hat wieder Ärger mit Michail Chodorkowski. Die NGO "Open Russia", die von dem einstigen russischen Ölmagnaten und offenen Gegner von Präsident Wladimir Putin finanziert wird, steht in Russland seit April 2017 auf der Liste der "unerwünschten Organisationen". Der Internetauftritt von Chodorkowskis NGO, die sich die Förderung von Demokratie in Russland zum Ziel gesetzt hat, wurde diese Woche auf allen möglichen Webportalen in Russland blockiert. Nun sollen auch die Accounts von "Open Russia" in sozialen Medien folgen.

So forderte die russische Medienaufsicht (Roskomnadsor) am 11. Dezember Twitter und die Google-Tochter Youtube auf, den jeweiligen Account von Chodorkowskis NGO zu löschen. Die russische Staatsanwaltschaft hatte zuvor erklärt, dass die NGO "Proteste anstachelt und die Innenpolitik destabilisiert", was "die Grundlagen der verfassungsrechtlichen Ordnung und die staatliche Sicherheit" bedrohe. Daher sollten die beiden US-Unternehmen innerhalb von 24 Stunden die Inhalte und die Accounts von "Open Russia" löschen und die Medienaufsicht in Russland darüber informieren. Ansonsten würden die beiden Netzwerke in Russland komplett blockiert, drohte Roskomnadzor.

Michail Chodorkowski leitet die NGO "Open Russia"Bild: Anastasia Khodorkovskaya

Frist für Twitter und Youtube ist abgelaufen

Doch Twitter und Youtube ließen die Frist verstreichen. Anfragen der DW beantworteten die beiden Firmen nicht. Noch sind Twitter sowie Youtube in Russland frei zugänglich. Russische IT-Experten bezweifeln, dass eine völlige Blockade wirklich umsetzbar ist. Sergej Nikitin, IT-Sicherheitsexperte der russischen Firma Group-IB sagte der DW, dass sich einzelne Accounts ohne Mitwirkung des betroffenen Netzwerks nur schwer sperren ließen. Theoretisch sei dies machbar, aber doch sehr aufwendig und nicht praktikabel.

Auch der russische Netzreporter und Blogger Alexandr Pluschew ist sich sicher, dass Roskomnadzor nicht imstande sein wird, einzelne Accounts zu löschen oder zu sperren. "Wenn ein einzelner Account nicht blockiert werden kann, dann bliebe in der Tat nur der harte Schnitt", sagte er. Doch Pluschew glaubt, dass man den Zugang zu Twitter oder Youtube nicht komplett sperren wird. Das wäre ein zu großer Skandal. Außerdem wären Massendemonstrationen oder Protestaktionen nicht auszuschließen.

Vkontakte unter Kontrolle und LinkedIn gesperrt

Also, alles nur leere Drohungen? Nicht ganz. Die russischen Behörden versuchen seit Jahren, Druck auf soziale Netzwerke auszuüben und sie zunehmend zu kontrollieren. Im Jahr 2013 kam es zu einer feindlichen Übernahme des populärsten russischen Netzwerks Vkontakte. Der neue Eigentümer ist ein Putin-treuer Oligarch. Ihm gehört auch Odnoklassniki, das russische Pendant zu studiVZ, einer inzwischen pleite gegangenen Online-Community für Studenten im deutschsprachigen Raum. Unabhängige politische Gruppierungen werden bei Odnoklassniki kaum toleriert. Im Unterschied zu Twitter und Youtube löschte Odnoklassniki den Account von "Open Russia" umgehend.

Das Netzwerk LinkedIn ist in Russland bereits gesperrtBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Doch wer sich den russischen Behörden nicht beugt, riskiert blockiert zu werden. Das weltweit größte berufliche Netzwerk LinkedIn ist bereits seit über einem Jahr in Russland nicht mehr zugänglich. Die Microsoft-Tochterfirma habe gegen das neue russische Gesetz über die Speicherung persönlicher Daten verstoßen, lautete die Begründung. Viele Beobachter sahen darin einen Testballon: Werden die russischen User einerseits und die westliche Öffentlichkeit andererseits diese Maßnahme einfach hinnehmen?

LinkedIn ist in Russland nicht besonders populär, daher blieb ein Aufschrei aus. Alexandr Pluschew meint, die russische Medienaufsicht wird es nicht wagen, mit Twitter und Youtube so weit zu gehen wie mit LinkedIn. "Ich denke, wir haben es hier mit der alten Taktik von Roskomnadzor zu tun", sagte er. Die Behörde versuche zu erreichen, dass sich Firmen ihr beugen oder zumindest auf Verhandlungen mit ihr einlassen.

Tools für den Ernstfall vorhanden

Bislang scheute man in Russland, die wichtigsten Internetdienste umfangreich zu blockieren. Doch im Ernstfall - sollten die russischen Behörden Twitter oder Youtube tatsächlich sperren -  können technische Hilfsmittel genutzt werden. "Dazu gehören Proxi-Server, VPN und andere Anonymisierungstools", erläutert der russische IT-Sicherheitsexperte Sergej Nikitin.

Allerdings hat die russische Regierung die Nutzung solcher Tools bereits eingeschränkt. Alexandr Pluschew hält dies aber nur für eine Formalie. "Sie haben etwa sieben VPN-Zugänge für illegal erklärt, aber im Internet findet man noch Abertausende von diesen Diensten. Tor und ein Browser von Opera, sie alle können Sperren umgehen", so der Blogger.

Jörg Forbrig, Osteuropa-Experte des German Marshall Fund sieht einen Zusammenhang zwischen einer möglichen Blockade von Twitter und Youtube und den im März 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen in Russland. Im Gespräch mit der DW sagte er: "Es ist fast normal in Russland, dass vor den Wahlen die Zügel angezogen werden und man versucht, alle die Kanäle zu kontrollieren, über die Mobilisierung erreicht werden kann."

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