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Politik

Russen kritisieren Trumps Abkehr von Abrüstung

21. Oktober 2018

Erneut macht der US-Präsident einen Vertrag zunichte, auf den man sich international bislang verlassen konnte. Da es diesmal um Atomwaffen geht, ist der Vorstoß Trumps besonders ernst. Russland fühlt sich brüskiert.

USA Präsident Donald Trump Wahlkampf | Elko Regional Airport in Elko Nevada
Bild: Reuters/J. Ernst

Russland hat die USA davor gewarnt, den mit Moskau geschlossenen INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces) zur Abschaffung von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen aufzukündigen. Der stellvertretende Außenminister Sergej Riabkow sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Tass, "das wäre ein sehr gefährlicher Schritt". Die internationale Gemeinschaft werde dies nicht verstehen und es werde sogar eine "strenge Verurteilung" geben. Der Vertrag sei von Bedeutung für die internationale und die atomare Sicherheit sowie für die "Bewahrung der strategischen Stabilität".

US-Präsident Donald Trump hatte am Samstag vor Journalisten in Nevada gesagt, man werde den INF-Vertrag aufkündigen. Die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und der damaligen Sowjetunion stammt aus dem Jahr 1987. Er verbietet beiden Staaten unter anderem den Bau und den Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern.

Zustimmung zu einem neuen Vertrag?

Trump sagte, seine Regierung werde solche Waffen bauen, sollten Russland und auch China nicht einem neuen Abkommen dazu zustimmen. Riabkow verurteilte den Versuch der US-Regierung, durch eine "Erpressungsmethode" Zugeständnisse erreichen zu wollen. Der Nachrichtenagentur RIA Nowosti sagte Riabkow, sollte Washington weiterhin "tollpatschig und plump" agieren und sich einseitig aus internationalen Verträgen zurückziehen, bliebe Russland keine andere Wahl als "Vergeltungsmaßnahmen" zu ergreifen. Das gelte dann auch für den Bereich der Militärtechnologie. Soweit wolle Moskau es aber nicht kommen lassen.

Auch die einst in Deutschland stationierten Pershing-II-Raketen fielen unter den INF-Vertrag (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/H. Melchert

Washington sagt, Moskau sagt ...

Die USA und Russland werfen sich seit längerem gegenseitig Verstöße gegen den INF-Vertrag vor. Die US-Regierung bezieht ihre Anschuldigungen auf neue russische Marschflugkörper, die eine Reichweite von 2600 Kilometern haben sollen. Anfang des Monats machten die 28 Mitgliedsstaaten der NATO deswegen Druck auf Moskau und forderten die dortige Regierung auf, glaubwürdige Angaben zu dem Raketensystem vorzulegen.

Der russische Präsident Wladimir Putin behauptet im Gegenzug, von den Abschussrampen des NATO-Raketenschutzschirms in Rumänien könnten jederzeit auch atomar bestückte US-Marschflugkörper gestartet werden. Vizeaußenminister Riabkow sagte, Moskau verletze den Vertrag nicht, sondern halte ihn im Gegenteil "auf das Strikteste" ein.

Bundesregierung "bedauert" Trumps Entschluss

Bundesaußenminister Heiko Maas reagierte mit Unverständnis auf die Ankündigung Trumps. Die Pläne des US-Präsidenten seien "bedauerlich", erklärte der SPD-Politiker. "Wir werben auch gegenüber den USA dafür, mögliche Konsequenzen zu bedenken." Der INF-Vertrag sei "eine wichtige Säule unserer europäischen Sicherheitsarchitektur." Ein US-Ausstieg aus dem Abkommen stelle Deutschland und Europa vor "schwierige Fragen", da dem Vertrag eine "herausragende Bedeutung" zukomme. 

Es sei eine "verheerende Entscheidung von Präsident Trump, den INF-Vertrag aufzugeben", schrieb der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), im Kurznachrichtendienst Twitter. "Wir werden weiter für nukleare Abrüstung arbeiten." FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff forderte von der US-Regierung, die Nato-Verbündeten in ihre Planungen einzubeziehen. Die europäischen Alliierten sollten einen Nato-Sondergipfel verlangen, schrieb er auf Twitter. Zudem müsse sich Russland den Vorwürfen stellen.

"Man will uns zum Rüstungswettlauf drängen"

Trumps Ankündigung dürfte für neue Spannungen zwischen den Großmächten sorgen. Sein Nationaler Sicherheitsberater John Bolton brach am Samstag nach Moskau auf, um mit der russischen Seite über das Thema zu reden. In Russland löste die Ankündigung schon vor der Äußerung Riabkows scharfe Kritik aus.

Die USA hätten keine Beweise für Verstöße Russlands gegen den INF-Vetrag, sagte Franz Klinzewitsch, Mitglied des russischen Föderationsrates. Allerdings sei die Entscheidung Trumps "nicht überraschend", zitierte ihn die Agentur Tass. Diese Entscheidung sei zudem noch ohne Berücksichtigung der Interessen der europäischen Verbündeten getroffen worden. "Man will uns, wie seinerzeit die Sowjetunion, in einen Rüstungswettlauf drängen", sagte der Verteidigungs- und Sicherheitsexperte. "Das wird nichts. Ich habe keinen Zweifel, dass unser Land unter allen Umständen seine eigene Sicherheit garantieren kann." 

Die Abrüstungsverträge sind einer der Streitpunkte zwischen den beiden Militärmächten. Das ausgeklügelte System ist allerdings in die Jahre gekommen und braucht eine Erneuerung. Das jüngste und weitreichendste Abkommen, der New START-Vertrag von 2010, läuft 2020 aus. Den ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen haben die USA schon 2002 gekündigt.

ml/ust/uh (dpa, afp, ap, rtr)

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