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PolitikSerbien

Russland mischt im serbischen Wahlkampf kräftig mit

Thomas Brey
13. Dezember 2023

Serbien gilt als einer der engsten Verbündeten Russlands in Europa. Damit das so bleibt, engagiert sich Moskau mit Macht im Wahlkampf. So werden durch Propaganda und Fake News die EU und "der Westen" verteufelt.

Zwei Männer in Anzug (Putin und Vucic) geben sich die Hand und lächeln
Der russische Präsident Putin mit seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vucic bei einem Besuch in Belgrad am 17.01.2019Bild: picture-alliance/TASS/M. Metzel

Der Politiker und Diplomat Vladimir Krsljanin (63) ist seit Jahrzehnten einer der prominentesten Verfechter einer engen Zusammenarbeit seiner Heimat Serbien mit Russland. Er gehörte zur Funktionärselite der Sozialistischen Partei Serbiens von Slobodan Milosevic, bei dessen Verteidigung vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag er sich einen Namen gemacht hatte.

In seinem im Dezember 2023 in Belgrad vorgestellten Buch "Die neue Welt. Serbien, Russland, China - Die Zukunft hat begonnen" skizziert Krsljanin eine Sicht auf die Welt, die in breiten serbischen Bevölkerungskreisen Sympathie genießt. Darin stehen Sätze wie: "Wie Christus führt Russland einen Krieg zur Rettung der Welt." Oder: "Die einzigen beiden Möglichkeiten sind der Sieg Russlands oder die Vernichtung der Menschheit."

Pro-russische Demonstration in Belgrad am 24.03.2022 mit serbischen und russischen FahnenBild: VLADIMIR ZIVOJINOVIC/AFP/Getty Images

Solche Thesen trommeln russlandfixierte Medien in Serbien tagtäglich. Mächtiger Motor dieser Propaganda sind die zwei russischen Staatsmedien Sputnik Serbien und RT Balkan, die beide mit großen Redaktionen in Belgrad vertreten sind und von hier auch die Nachbarn Serbiens "bombardieren". Serbische Medien übernehmen diese "Informationen" sehr breit und in der Regel ungeprüft.

So funktioniert Desinformation

Wie diese Desinformation konkret funktioniert, war jüngst bei der Eröffnung der neuen Pipeline von Bulgarien nach Serbien zu besichtigen. Durch sie soll ab dem nächsten Jahr Gas aus Aserbaidschan fließen. Von den 85 Millionen Euro Baukosten hatte die EU seinem Beitrittskandidaten Serbien 75 Millionen zur Verfügung gestellt - 50 Millionen als Geschenk und 25 Millionen als zinsgünstige Kredite.

In der Berichterstattung serbischer Medien kam diese wichtige Information nur ganz am Rande vor. Der serbische Staatssender RTS behauptete sogar, es handele sich um russisches Gas. In den Zeitungsfotos der Eröffnungszeremonie wurde der EU-Vertreter durch den alles entscheidenden serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic komplett verdeckt.

Titelbilder Vucic-treuer Medien in Belgrad, August 2022Bild: Rüdiger Rossig/DW

Russland unternimmt alles, um Serbien eng an sich zu binden. Daher legen sich das offizielle Moskau ebenso wie die russischen Staatsmedien für Vucic ins Zeug. Wie die direkte und massive Wahlkampfhilfe für den starken Mann Serbiens aussieht, zeigte sich beispielsweise vor wenigen Tagen auf dem Titel der Belgrader Zeitung Informer, die als Vucics "Megafon" gilt: "Ausländische Botschaften und [der US-Investor und Philanthrop George] Soros stehen hinter der Lügen-Opposition", wurden die politischen Gegner des Staatspräsidenten verteufelt. Das habe Russia Today (RT) aufgedeckt, wurde behauptet. Die rechtsnationalistische Zeitschrift Pecat veröffentlichte in ihrer jüngsten Ausgabe ein großes Porträt des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit dem Zitat "Ich sorge mich um die Serben".

Besonders Deutschland steht in der Kritik

Viele serbische Medien beschwören schon lange die Waffenbrüderschaft mit Russland im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Russlands Botschafter in Belgrad, Aleksander Bozan-Chartschenko, ist Dauergast serbischer Medien mit der Behauptung, der Westen agiere in Kosovo und in der Ukraine nach dem gleichen Schema. Die Kosovo-Karte wird von russischen und serbischen Medien gemeinsam als As im Ärmel Belgrads präsentiert: Russland (und China) seien im UN-Sicherheitsrat die Garanten, dass Serbien weiter Ansprüche auf das fast nur noch von Albanern bewohnte und von Serbien abgefallene Kosovo erheben kann, heißt es. Demgegenüber wolle "der Westen" diese frühere serbische Provinz endgültig von Belgrad trennen.

Wandbild in Nord-Mitrovica im mehrheitlich von Serben bewohnten Norden Kosovos: "Kosovo ist Serbien, die Krim ist Russland" steht unter den Fahnen Serbiens und RusslandsBild: Keno Verseck/DW

Russland präsentiert sich auch im serbischen Wahlkampf als echte Alternative zum Westen. "Die westlichen NATO-Herren gehen in eine totale Offensive und befehlen, Serbien endgültig in die Knie zu zwingen, um zu kapitulieren", schrieb Sputnik Serbien vor wenigen Tagen. Eine fast unübersehbare Zahl serbischer Portale vervielfältigt diese Fake News. Russische und serbische Medien beschuldigen immer wieder besonders Deutschland, in Serbien einen Umsturz herbeiführen zu wollen. Als Außenministerin Annalena Baerbock vor kurzem die nationalistischen Töne im serbischen Wahlkampf kritisierte, wurde ihr vorgehalten, sie habe sich "grob in die Wahlen eingemischt". Deutsche Politiker "reden über eine prächtige EU-Zukunft, während sie den serbischen Staat zerstückeln", hieß es mit Blick auf Kosovo.

Moskau als Gegengewicht zum Westen

Vucic, der als Top-Politiker seiner SNS-Partei deren Wahlkampf praktisch im Alleingang gestaltet, obwohl er laut Verfassung als Staatspräsident eigentlich parteipolitisch nicht tätig sein darf, dankt Russland für die Wahlkampfhilfe mit Treueschwüren: "Ich habe dafür gekämpft, die Freundschaft mit Russland, die wir Jahrzehnte aufgebaut haben, nicht über Nacht zu zerstören", sagte er mit Hinweis auf seine beharrliche Weigerung, als EU-Kandidat Sanktionen gegen Moskau zu verhängen. Schließlich seien die Russen "unsere traditionellen Freunde". Auf der anderen Seite lässt er die von ihm kontrollierten heimischen Medien immer aufs Neue verbreiten, westliche Länder finanzierten die Opposition im Land, um ihn zu stürzen.

Pro-russische Demonstration in Belgrad am 4.03.2022Bild: Stefan Stojanovic/REUTERS

In jedem Fall sind russische Positionen in Serbien landauf und landab salonfähig. Es ist eine virtuelle Welt, die hier medial geschaffen und erhalten wird. Denn das Land ist in der Realität viel enger mit dem Westen als mit Russland verbunden. Zwei Drittel des Handels werden mit der EU abgewickelt, die meisten ausländischen Investitionen stammen von dort. Und niemand käme auf die Idee, in Russland Arbeit zu suchen oder zu studieren. Wenn es ans private Wohlbefinden, die private Zukunft geht, kommt nur der Westen in Frage - vorzugsweise in Gestalt von Österreich und Deutschland.