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"Russland muss jetzt das Feuer löschen"

Marco Müller18. April 2014

Der Krisengipfel zur Ukraine in Genf hat sich auf einen Friedensfahrplan geeinigt. Das begrüßt der Vorsitzende des Europaausschusses des Deutschen Bundestags, Gunther Krichbaum. Den Durchbruch sieht er darin aber nicht.

Porträt von Gunther Krichbaum (Foto: Alexander Sawitzki)
Bild: Alexander Sawitzki

Deutsche Welle: Die EU, die USA, Russland und die Ukraine haben sich in Genf auf einen Friedensfahrplan für die Ukraine geeinigt. Ist das der Durchbruch, auf den alle so lange gewartet haben?

Gunther Krichbaum: Die Einigung in Genf ist in jedem Fall ein ermutigendes Signal und deswegen begrüßen wir seitens des Europa-Ausschusses die Einigung uneingeschränkt. Allerdings: Den Durchbruch vermag ich darin noch nicht zu erkennen. Von einem Durchbruch rede ich dann, wenn tatsächlich dem Abkommen auch Taten folgen.

Man hat alle Konfliktparteien zu einem Ende von Gewalt, Einschüchterung und Provokation aufgerufen. Alle "illegalen bewaffneten Gruppen" sollen entwaffnet und alle illegal besetzten Gebäude, Straßen und Plätze geräumt werden. Die OSZE-Beobachtermission soll das überwachen. Das klingt gut. Erwarten Sie Probleme bei der Umsetzung?

Es ist richtig, der OSZE hier das Mandat zu geben - und zwar schon deswegen, weil wir es innerhalb der OSZE mit einem Verhandlungsformat, mit einem Format internationaler Art zu tun haben, in dem Russland in jedem Fall noch mit von der Partie war - auch während der ganzen Krisenwochen. Aber Stichwort Russland: Es kommt ganz entscheidend auf die Regierung, auf Herrn Putin an. Der Schlüssel zur Lösung des gesamten Konflikts lag in der Vergangenheit in Moskau und er liegt auch weiterhin in Moskau. Deswegen: Russland muss jetzt selbst das Feuer löschen, das es hier über die letzten Wochen geschürt hat.

Eine gemeinsame Pressekonferenz der beteiligten Außenminister gab es nicht. Stattdessen ist der russische Außenminister Sergej Lawrow vorgeprescht und hat als erster die gemeinsame Erklärung verlesen. Das ist nicht gerade Ausdruck einer einheitlichen, gemeinsamen Linie. Oder wie bewerten Sie das?

In den letzten Wochen ist enorm viel Vertrauen seitens Russlands verspielt worden. Wir sind in die Muster des Kalten Krieges zurückgefallen. Man ist zutiefst verunsichert in den baltischen Ländern, in Polen, aber beispielsweise auch in Georgien oder der Republik Moldau - letztgenannte Länder haben wir vielleicht zu wenig in der Vergangenheit beleuchtet. Aber sie haben eben auch sogenannte "Frozen Conflicts". Das bedeutet, dass die Zentralregierung nicht mehr auf alle Landesteile ihres eigenen Landes zugreifen kann. So war man beispielsweise in der Republik Moldau hoch nervös. Hier haben wir es mit dem "Frozen Conflict" von Transnistrien zu tun. Und der dortige Präsident in Anführungszeichen, Herr Schewtschuk, hatte schon in den letzten Tagen verkündet, dass er gerne in die Russische Föderation streben möchte. Deswegen: Es bleibt hier die Aufforderung an Moskau, den Ankündigungen jetzt auch Taten folgen zu lassen.

Nachdem der Durchbruch verkündet wurde, warf Lawrow der Regierung in Kiew vor, sie setze Truppen gegen die eigene Bevölkerung ein und bedrohe die Rechte der russischsprachigen Minderheit. Der ukrainische Außenminister Andrej Deschtschiza wiederum erklärte, man streite sich mit Russland über die Grundursachen des Konflikts und man sei sich nicht einig darüber, was die territoriale Unversehrtheit der Ukraine angeht. Das erweckt den Eindruck, als könnte der verhandelte Frieden äußerst brüchig sein.

Ja, er ist brüchig. Und gleichwohl können wir heute von der Chance eines Friedens reden. Das sah in den letzten Tagen noch ganz anders aus. Und deswegen müssen wir jetzt auf diesem Abkommen aufbauen. Es ist deswegen auf der einen Seite die Aufgabe der internationalen Organisationen, aktiv und konstruktiv auf den weiteren vertrauensbildenden Kurs in der Ukraine Einfluss zu nehmen. Aber auch in der Ukraine selbst müssen die Lager, und natürlich auch die Regionen, stärker aufeinander zugehen als das in der Vergangenheit der Fall war. Wir haben es im Übrigen im Fall der Ukraine nicht nur mit einer Zweiteilung zu tun. Auf der einen Seite die ukrainischsprachige Bevölkerung, auf der anderen Seite die russischsprachige Bevölkerung. Die Ukraine besteht aus sehr vielen Regionen und ist wesentlich facettenreicher als wir es in Deutschland vielleicht manchmal wahrnehmen. Deswegen: Wenn hier von einer Regionalisierung gesprochen wird, dann muss man auch mal darüber nachdenken, ganz ideologiefrei, inwieweit man den Regionen tatsächlich mehr Verantwortung geben kann - ohne aber den Gesamtstaat Ukraine, den man erhalten muss, dann in der Substanz zu gefährden.

Wir sollten noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, den jetzt niemand sonst angesprochen hat: die Krim. Darüber steht nichts in der gemeinsamen Erklärung. Überlässt man also jetzt stillschweigend Russland die Krim?

Die Ukraine geht selbstverständlich davon aus, dass die Erklärung natürlich die Krim mit einschließt. Russland konnte sie aber deswegen unterzeichnen, weil es davon ausgeht, die Krim gehört nicht mehr für die Zukunft dazu. Man hat sich zwar geeinigt, aber die Krim-Thematik dabei auch überdeckt. Deswegen: Wir müssen den Druck auch hier aufrecht erhalten. Es war kein Referendum, wie wir es uns vorstellen, was auf der Krim stattgefunden hat. Zumal nach der ukrainischen Verfassung ein regionales Referendum, sprich in dem sich Regionen alleine für unabhängig erklären können, gar nicht verfassungsgemäß ist. Es verstößt gegen die ukrainische Verfassung. Und deswegen: Das was in der Ukraine selbstverständlich gilt, gilt genauso auch in anderen Ländern. Es gibt ein freies Selbstbestimmungsrecht der Völker. Aber es ist der Staat, der darüber zu befinden hat. Das ist die Souveränität eines Landes und die gilt es zu respektieren. Wir müssen jetzt schauen, dass wir diesen sehr brüchigen Frieden nicht nur zu einem Verbalfrieden werden lassen, sondern auch zu einem echten. Es geht um die Zukunft der Ukraine.

Das Interview führte Marco Müller.

Gunther Krichbaum ist Vorsitzender des Europa-Ausschusses des Deutschen Bundestags und seit 2002 für die CDU/CSU Mitglied im Deutschen Bundestag.

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