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Russland reduziert Gasmenge in Nord Stream

14. Juni 2022

Der unter der Kontrolle des Kreml stehende Gazprom-Konzern drosselt die Gas-Liefermenge in der Ostseepipeline Nord Stream um rund 40 Prozent. Grund ist eine fehlendes westliches Ersatzteil.

Pressebild Nord Stream 2
Bild: Nikolai Ryutin/Nord Stream 2

Russland drosselt die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream nach Deutschland um gut 40 Prozent. Es könne nur noch eine Durchleitung von 100 Millionen Kubikmetern Gas am Tag anstelle der üblichen 167 Millionen Kubikmeter sichergestellt werden, teilte der Energiekonzern Gazprom am Dienstag mit. Hintergrund sind fehlende Turbinen, die vom deutschen Siemens-Konzern hätten geliefert werden sollen.

Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hatte eigenen Angaben zufolge im Jahr 2009 Gasturbinen für eine Verdichterstation der Gaspipeline in Russland geliefert. Sie sind demnach für die Druckerhöhung des Erdgases in der Pipeline erforderlich. Die speziellen Gasturbinen müssten für die Aufrechterhaltung des Betriebes regelmäßig überholt werden. Eine der Turbinen werde derzeit im kanadischen Montréal überholt, aus technischen Gründen sei dies nur dort machbar. Aufgrund der von Kanada verhängten Sanktionen könne sie derzeit nicht aus Montréal zurück geliefert werden, teilte eine Sprecherin des Konzerns am Dienstag mit. 

Staatshilfen für deutsche Gazprom-Tochter

Unterdessen teilte die Bundesregierung am Dienstag in Berlin mit, sie wolle das Gasunternehmen Gazprom Germania mit einem Milliardenbetrag stützen, um eine Pleite zu verhindern. Damit solle die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet werden.

Zuvor hatten die Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters berichtet, dass bereits in dieser Woche ein milliardenschwerer Hilfskredit für die angeschlagene deutsche Gazprom-Tochter geschnürt werde. Es gehe um Hilfskredite der staatlichen Förderbank KfW in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro, hatte ein Insider aus dem Umfeld des Gasunternehmens am Montag gegenüber Reuters gesagt.

Gazprom Germania wurde zuletzt unter Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur gestellt und kämpft mit höheren Beschaffungskosten für Gas, weil Russland Sanktionen gegen Töchter des deutschen Unternehmens verhängt hat.

Gazprom Germania-Zentrale in BerlinBild: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa ZB/picture alliance

Ein Insider aus der Bundesregierung sagte, Gazprom Germania sei wichtig für die Gasversorgung in der Fläche und derzeit in einer schwierigen Situation: "Wir prüfen verschiedene Optionen." Kredite der KfW wären dabei naheliegend.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg, die sich auf Insider beruft, werde die staatliche KfW-Bankengruppe voraussichtlich einen Kredit in Höhe von 5 bis 10 Milliarden Euro gewähren. Die Gespräche seien im Gange und die Pläne könnten sich noch ändern, hatten gut unterrichtete Personen gegenüber Bloomberg angegeben.

Klaus Müller, Präsident der BundesnetzagenturBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

"Ganz wichtiger Konzern" für die Gasversorgung in Deutschland

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte sich erst vor wenigen Tagen zur angespannten Lage bei Gazprom Germania geäußert. Die Bundesregierung hatte das Unternehmen bis Ende September unter die Treuhandschaft der Netzagentur gestellt, nachdem der russische Mutterkonzern Gazprom die Gesellschaft aufgegeben hatte.

"Wir sehen schon, dass Russland eine Reihe der Gazprom-Germania-Töchter mit Sanktionen belegt hat. Das macht das Geschäft nicht leichter", erklärte Müller mit Blick auf eingestellte Lieferungen. Gazprom Germania könne aber auch auf andere Quellen zurückgreifen. "Und darum werden die Verträge weiterhin erfüllt."

Gazprom Germania sei ein ganz wichtiger Konzern für die Gasversorgung in Deutschland, unterstrich der Chef der Bundesnetzagentur. Müller hoffe, dass das Unternehmen weiter seine Aufgaben erledigen könne. "Und wenn dann die Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur abgegeben wird, dann bedeutet das auch wieder ein reguläres Unternehmen mit all den Rechten und Pflichten und Aufgaben wie alle anderen auch."

Vernetzung über Deutschland hinaus

Gazprom Germania besitzt mehrere Gasspeicher in Deutschland, darunter die größte Anlage Westeuropas im niedersächsischen Rehden. Das Unternehmen ist auch Eigentümer der Wingas GmbH, die große industrielle Abnehmer in Deutschland beliefert.

Auch in anderen europäischen Ländern spielt das Unternehmen eine wichtige Rolle. Nach Angaben von Bloomberg lieferte es im Jahr 2020 ein Fünftel des gewerblich gehandelten Erdgases in Großbritannien, verfügt über eine Handelsniederlassung in London und betreibt ein Flüssiggasgeschäft, das ihm eine zentrale Position auf einem Großteil der europäischen Energiemärkte verschafft.

Die Bundesregierung ringt seit Wochen mit der Frage, was mit den Tochtergesellschaften russischer Unternehmen im Land geschehen soll. Viele von ihnen besitzen Anlagen, die für die Versorgungssicherheit im Land entscheidend sind. Die Regierung prüft verschiedene Optionen, die von einer Treuhänderschaft, wie im Fall von Gazprom Germania, bis zur kompletten Übernahme der Kontrolle über die Energieunternehmen reichen.

Im April legte die Ampel-Koalition ein Maßnahmenpaket vor, das die Voraussetzungen dafür schafft, Energieunternehmen unter staatliche Kontrolle zu stellen. Die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz hat auch Finanzierungsinstrumente geschaffen, um im Falle einer Versorgungskrise Beteiligungen übernehmen zu können, indem sie direkt Kapital zur Rettung von Unternehmen bereitstellt und KfW-Kredite gewährt.

Nach dem Ende der Treuhandschaft über Gazprom Germania am 30. September gibt es offenbar noch keine konkreten Pläne für das weitere Vorgehen. Gazprom Marketing & Trading, eine in London ansässige Handelstochter, hat aber nach Informationen von Bloomberg erklärt, dass sie nicht mit einer Rückkehr "in russisches Eigentum" rechnet.

tko/bea (afp, rtr, Bloomberg)

 

Der Beitrag wurde nach der Bestätigung der Bundesregierung am 14.6.2022 um 16:50 Uhr aktualisiert

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