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Russland schadet sich mit Sanktionen selbst

Thomas Körbel (dpa)31. Juli 2015

Putin will Russland auch zu einem mächtigen Agrarproduzenten machen. Dafür nutzt er seit einem Jahr das Embargo gegen westliche Lebensmittel. Doch nicht alle Russen stehen hinter dieser Strategie.

Russland Supermarkt Lebensmittel Importverbot Europa
Bild: picture-alliance/dpa/V. Astapkovich

Für und Wider Sanktionen gegen Russland

01:27

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Als Kremlchef Wladimir Putin das russische Embargo für Lebensmittel aus der EU und den USA kürzlich um ein Jahr verlängerte, rieben sich die Strategen in Moskau die Hände. Die Entscheidung sei "Balsam für die Seele", jubilierte Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschjow. "Wir sehen, wie sich der Importstopp positiv auf die Agrarwirtschaft auswirkt", betonte er. Verbände und Experten aber schlagen Alarm: Fälschungen überschwemmen den Markt, und überteuerte Waren belasten die Geldbeutel der Verbraucher.

Mit dem Einfuhrverbot für Fleisch, Obst, Gemüse und Milchprodukte aus westlichen Ländern hatte Russland am 6. August 2014 auf die Sanktionskaskade von EU und USA wegen der Ukraine-Krise reagiert. Die russische Führung lässt kaum eine Gelegenheit aus, auf den Schaden zu verweisen, den sich die EU mit den Strafmaßnahmen selbst zufügt: Bis zu 100 Milliarden Dollar (90 Mrd. Euro) sollen es Putin zufolge sein. Aus Sicht von Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch ist es für Russland besser, je länger die Sanktionsschlacht dauert. "Diesen Zeitraum müssen wir nutzen, um die Qualität unserer Produktion zu steigern und unsere Gesetze zu verbessern", mahnt er.

Volle Auslagen in den Supermärkten

Zwar ist zwischen August 2014 und Mai 2015 der Lebensmittelimport in Russland insgesamt um sieben Milliarden auf 1,6 Milliarden Dollar abgesackt. Doch in Moskaus Supermärkten deutet nichts auf eine Krise hin. Die Auslagen sind voll - auch mit Waren, die eigentlich wegen des Importverbots fehlen sollten. Camembert und Mozzarella zum Beispiel werden nun in Russland hergestellt, ganz im Sinne des Kreml. Aber vor allem bei der Qualität ist die Bilanz nach einem Jahr russischer Gegenmaßnahmen aus Sicht von Andrej Danilenko, Chef des russischen Molkereiverbandes, miserabel. Das Importverbot habe bei Milchprodukten zu einer ernsthaften Verschlechterung geführt, kritisiert er großen Zeitungen zufolge.

Der Grund: Produktfälschung im großen Stil. "Einige senken ihre Kosten, indem sie billigere, aber nicht immer qualitativ bessere Rohstoffe verwenden oder die Verpackung ändern", klagt Dmitri Wostrikow, Direktor vom Verband der Lebensmittelhersteller.

Konsum läuft nicht

Russlands Produzenten müssen sparen, wo sie können, denn der Konsum läuft nicht. Wegen einer schweren Wirtschaftskrise sind die Einkommen durchschnittlich um 8,5 Prozent gesunken. Die Preise für Lebensmittel aber sind der Statistikbehörde zufolge innerhalb eines halben Jahres um mehr als 14 Prozent gestiegen. Beobachter sind überzeugt, die Russen hätten begonnen, weniger Geld für Essen auszugeben.

Gerade bei stark fetthaltigen Nahrungsmitteln wie Butter, Joghurt und Käse greifen daher immer mehr Produzenten zu billigen Zutaten wie Palmöl, um teure tierische Fette zu ersetzen. "Palmöl wird jetzt überall hinzugefügt", beschwert sich der deutsche Unternehmer Stefan Dürr, der zu den größten Milchproduzenten in Russland gehört. Oft werde diese Tatsache aber verschwiegen, sagt er in einem Interview der Zeitung "Wedomosti".

Immer mehr billige Zutaten in Lebensmitteln

Auch bei anderen Lebensmitteln beobachtet der russische Verbraucherschutz diesen Trend mit Sorge. So werden Gemüsepasten etwa mit Mehl oder Stärke gestreckt. Oft würden solche Schummeleien nicht auf der Verpackung ausgewiesen, wie es die Behörde verlangt. Sogar originale Ware aus dem Westen gelangt trotz des Embargos durch Umetikettierung immer wieder auf den russischen Markt. Fleisch aus Deutschland und Früchte aus Spanien und Polen würden tonnenweise entdeckt, heißt es bei der Agraraufsicht. Länder wie Weißrussland und Kasachstan, die mit Russland in der Eurasischen Wirtschaftsunion eng verbunden sind, bilden die Brücke ins Riesenreich.

Dem will Putin nun einen Riegel vorschieben. Schinken, Parmesan und andere verbotene West-Produkte sollten künftig vernichtet werden, wenn sie in Russland entdeckt werden, ordnete er an. Die Regierung beauftragte er zudem, bis Jahresende schärfere Qualitätskontrollen auf den Weg zu bringen. Milch-Verbandschef Danilenko ist überzeugt: Das Embargo alleine bringe gar nichts. Die Industrie fordert vor allem hohe Strafen für Fälscher. Einer Erhebung des unabhängigen Lewada-Zentrums zufolge glaubt gut die Hälfte der Befragten, dass die russischen Gegenmaßnahmen auch Russland schaden.

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