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Politik

Syrien: Russland und China rügen Deutschland

17. Dezember 2020

Deutschland hat im UN-Sicherheitsrat die Obstruktion Russlands und Chinas in der Syrien-Hilfe kritisiert. Nun rügen beide den deutschen UN-Botschafter.

Videokonferenz UN Security Council | Christoph Heusgen
Muss sich deutliche Kritik anhören: der deutsche UN-Botschafter Christoph HeusgenBild: UN WebTV

Ein altes deutsches Sprichwort heißt: Getroffene Hunde bellen. Es bezeichnet folgendes Verhaltensmuster: Wenn jemand einer Sache beschuldigt wird, und sich lautstark dagegen wehrt, kann man fast immer davon ausgehen, dass er doch etwas mit dieser Sache zu tun hat. Genau dieses Sprichwort fällt einem ein, wenn man sich die empörten Reaktionen Russlands und Chinas auf Vorwürfe Deutschlands im UN-Sicherheitsrat ansieht. Auslöser war eine Aussprache über die Defizite der humanitären Hilfe für Syrien.

Die Bundesregierung wirft Moskau und Peking vor, für eine Blockade von UN-Hilfslieferungen in das vom jahrelangen Krieg gezeichnete Syrien verantwortlich zu sein. Im Juli hatte sich der UN-Sicherheitsrat zwar nach zähem Ringen auf die eingeschränkte Fortsetzung grenzüberschreitender humanitärer Hilfslieferungen für die syrische Bevölkerung geeinigt. Die Lieferungen dürfen aber nur noch über einen einzigen Grenzübergang erfolgen.

Der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen prangerte am Mittwoch in der Ratssitzung die Haltung von Russland und China zu den humanitären Syrien-Hilfen scharf an. Es sei "sehr zynisch", wenn beide Staaten beklagten, dass Hilfslieferungen nicht nach Syrien gelangen könnten, sagte er in der Videokonferenz. Moskau und Peking müssten ihre Positionen überprüfen und die Lieferungen über weitere Grenzübergänge zulassen, damit Nahrungsmittel und Medikamente wirklich zu den Menschen gelangen könnten, forderte Heusgen. Er beklagte, dass der UN-Sicherheitsrat die Menschen in Syrien "fallen gelassen" habe. Russland unterstütze nicht nur den syrischen Machthaber Baschar al-Assad im Bürgerkrieg, sondern trage auch selbst zum "Leiden und Tod" der Menschen bei.

"Heuchlerisches Verhalten"

Der russische Vize-Botschafter Dmitri Poljanskij konterte darauf mit dem Vorwurf, wenn der Sicherheitsrat die syrische Bevölkerung fallen lasse, dann liege dies am "heuchlerischen Verhalten" Deutschlands und des Westens. Er sagte auch an die Adresse Heusgens: "Sie werden uns nicht fehlen." Deutschland scheidet zum Jahresende nach zweijähriger temporärer Mitgliedschaft aus dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen aus.

Der russische Diplomat sagte auch, aufgrund des Auftretens der deutschen Vertreter im Sicherheitsrat stellen sich viele UN-Mitgliedstaaten, die zuvor noch die permanente Mitgliedschaft Deutschlands befürwortet hätten, inzwischen die Frage, ob "so viel Zynismus" in dem Gremium erlaubt werden solle.

Auch Peking reagiert gereizt

Im Verlauf der hitzigen Sitzung stellte auch der Vertreter Pekings die Eignung Deutschlands für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat in Frage. Der chinesische Diplomat Yao Shaojun sagte: "Das Auftreten Deutschlands im Sicherheitsrat hat nicht den Erwartungen der Welt und den Erwartungen des Rats entsprochen." Daher werde der deutsche Weg zu einer ständigen Mitgliedschaft "schwierig".

Deutschland bemüht sich seit vielen Jahren um eine ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat und eine generelle Reform der Zusammensetzung des Gremiums, ohne allerdings dabei große Fortschritte zu erzielen. Dem Rat gehören fünf ständige und zehn wechselnde Mitglieder an. Die ständigen Mitglieder sind China, Russland, die USA, Frankreich und Großbritannien. Im Unterschied zu den vorübergehenden Mitgliedern haben sie ein Vetorecht. Auf den zehn weiteren Sitzen wechseln sich einige der 188 anderen UN-Mitgliedstaaten alle zwei Jahre ab. Deutschland bewirbt sich alle acht Jahre und gehört noch bis zum Jahresende dem Gremium an.

Maas rüffelt Blockadekurs

Die diplomatische Breitseite aus Moskau und Peking dürfte auch die Adresse des Auswärtigen Amtes in Berlin gegangen sein. Denn ebenfalls am Mittwoch hatte Außenminister Heiko Maas kritisiert, dass sich die ständigen Mitglieder des wichtigsten Gremiums der Vereinten Nationen oft gegenseitig blockierten. "Viel zu oft war der Sicherheitsrat polarisiert", sagte Maas. Einer der schwierigsten Momente in den vergangenen beiden Jahren sei es gewesen, als Russland und China den humanitären Zugang nach Syrien beinahe verhindert hätten.

Bundesaußenminister Heiko Maas Bild: Florian Gärtner/imago images/photothek

Nach zwei Jahren deutscher Mitgliedschaft im Sicherheitsrat zog der Minister zugleich eine durchwachsene Bilanz. Positiv bewertete er die gemeinsamen Bemühungen um eine Lösung des Libyen-Konflikts und den einstimmigen Beschluss für eine zivile Friedensmission im Sudan.

Maas betonte, dass Deutschland zusammen mit Frankreich das Thema Abrüstung wieder prominent auf die Tagesordnung des Gremiums gesetzt habe. "Und wir haben den Sicherheitsrat geöffnet: Eine Rekordzahl von Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft kam in New York zu Wort - nämlich dann, wenn es um Menschenrechte ging, um den Schutz vor sexueller Gewalt und um das Thema Klima und Sicherheit", sagte der SPD-Politiker. "Wir werden weiter eine starke Stimme für das Völkerrecht, den Multilateralismus, die humanitäre Hilfe bleiben."

kle/rb (afp, dpa)

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