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PolitikGlobal

Russland und die Ukraine: Wird der Papst zum Vermittler?

23. Mai 2025

Manches spricht dafür, dass ein geschützter Dialog von Aggressor und Angegriffenem hinter den vatikanischen Mauern erfolgen könnte. Doch Vorbehalte bleiben.

links nach recths: Second lady Usha Vance, Vice President JD Vance, Pope Leo XIV. Secretary of State Marco Rubio, Jeanette Dousdebes Rubio
Fünf Amerikaner, zwei Welten: Papst Leo (Mitte) mit den Ehepaaren Vance (links) und Rubio (rechts) Bild: Vatican Media/Simone Risoluti/Handout via REUTERS

Wird der Vatikan zum Ort von russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen? Kann Papst Leo selbst dabei einsteigen? Es gibt zumindest solche Hinweise. Papst Leo XIV., am 8. Mai 2025 zum Nachfolger von Papst Franziskus gewählt und seitdem im Amt, hatte selbst Signale gesandt, die auf eine vatikanische Vermittlungsbereitschaft hindeuten. Verstärkt wurde dieser Eindruck von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni.

Italienische Regierungschefs, ob links oder rechts oder ganz rechts, pflegen immer eine Nähe zum Papst: Hier Giorgia Meloni im Juni 2024 mit Papst Franziskus Bild: Divisione Produzione Fotografica/Vatican Mediia/Catholic Press Photo/IPA via ZUMA Press/dpa/picture alliance

Am späten Dienstagabend nach 23 Uhr verkündete Meloni auf dem Social-Media-Kanal X, sie habe "telefonisch mit dem Heiligen Vater über die nächsten Schritte gesprochen, die unternommen werden müssen, um einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine aufzubauen". US-Präsident Donald Trump und einige europäische Staats- und Regierungschefs hätten sie gebeten, "die Bereitschaft des Heiligen Stuhls zu überprüfen", solche Verhandlungen auszurichten. Und Papst Leo habe seine Bereitschaft bekräftigt, Gespräche zwischen den Konfliktparteien im Vatikan zu ermöglichen.

"...ein unbewaffneter Friede..."

Dabei hatte Leo selbst diese Perspektive da längst auf den Weg gebracht. Als ihn noch kaum jemand kannte und er als der neue Papst am Abend des 8. Mai auf die Loggia des Petersdoms trat, begann er seine Ausführungen mit dem Wort "Friede" und griff damit die in der Bibel genannten ersten Worte des auferstandenen Jesus auf. Kein anderer Begriff tauchte in dieser ersten Rede des 267. Papstes häufiger auf als "Friede". Leo zeichnete das Bild eines "unbewaffneten und entwaffnenden Friedens". Seitdem erörterten Journalistinnen und Journalisten, wie geistlich abgehoben oder wie konkret weltpolitisch das gemeint sei.

Das tägliche Leid der Ukraine - Folgen eines russischen Drohnenangriffs bei Kyjiw Bild: Valentyn Ogirenko/REUTERS

Rund um die Messfeier zu seiner Amtseinführung setzte Leo dann weitere Signale. Seine erste förmliche Audienz galt Wolodymyr Selenskyj und dessen Frau. Der ukrainische Präsident hatte am Abend nach der Papstwahl bereits zu den ersten telefonischen Gratulanten gehört. Nach der Amtseinführung empfing Leo, der erste in den USA geborene Papst, auch US-Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio. Die beiden katholischen Politiker wurden von ihren Frauen begleitet.

Der offizielle vatikanische Video-Bericht zum Treffen von Leo und Vance lässt erkennen, dass der Politiker dem Gastgeber einen großen Briefumschlag überreicht: ein Gruß von Donald Trump. Auch bei diesem Gespräch mit den US-Politikern ging es bereits um die Ukraine-Frage.

Schaut die politische Welt demnächst auf den Vatikan?Bild: Rossi/ Bildagentur-online/picture alliance

Das ist insofern bemerkenswert, als der am 21. April verstorbene Papst Franziskus nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 lange brauchte, bis er deutlich den Aggressor kritisierte. Lange beklagte er immer nur das Leid der Bevölkerung auf beiden Seiten und sorgte damit für Kritik, dass er nur Opfer, aber keinen Täter erwähne.

Franziskus und der Mann vom KGB

Zu spüren war, dass Franziskus den Draht zum russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill, einem früheren KGB-Mann und engem Putin-Vertrauten, nicht verlieren wollte. Andererseits machte Selenskyj mit Dank und Respekt nach dem Tod des 88-jährigen Franziskus sehr deutlich, dass der Vatikan ohne große Öffentlichkeit immer wieder Gefangenenaustausche zwischen den Konfliktseiten arrangiert habe und sich auch für nach Russland verschleppte ukrainische Kinder einsetzte.

Trump und Leo XIV: Zwei US-Amerikaner auf Friedensmission?

26:04

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Nach den sprunghaften und glücklosen Versuchen von Trump, Wladimir Putin zum Einlenken zu bewegen, richtet sich nun also der Blick der Politik nach Rom. Aber ginge das überhaupt - diplomatisch, logistisch, unter Sicherheitsaspekten?

Zuletzt hat der vatikanische Apparat, die sogenannte Kurie, binnen drei Wochen zwei Events mit globaler Relevanz und Staatsgästen im dreistelligen Bereich arrangiert und gestemmt. Dabei wurde das Bild von Trump und Selenskyj, die am Rande der Franziskus-Beisetzungsfeierlichkeiten auf zwei schlichten Stühlen in einer Seitenkapelle des Petersdoms miteinander ins Gespräch kommen, rasch ikonisch.

26. April 2025: Wolodymyr Selenskyj (rechts) und Donald Trump im PetersdomBild: Ukrainian Presidential Press Service/Handout via REUTERS

Alles, was Sicherheitsfragen anbelangt und die gut 120 Mann der päpstlichen Schweizergarde überfordern würde, übernimmt ohnehin immer der italienische Staat. Ihr Land, teilte Ministerpräsidentin Meloni dazu mit, sei "bereit, seinen Teil dazu beizutragen, Kontakte zu fördern und sich für den Frieden einzusetzen".

Mehrfach seit Februar 2022 hatte Franziskus einen seiner vertrautesten Kardinäle, den heutigen Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Matteo Maria Zuppi, als (damals erfolglosen) Vermittler nach Moskau und Kiew geschickt, einmal auch nach Peking und Washington. Und noch in den letzten Franziskus-Wochen war ein anderer Kardinal in ukrainischen Krisengebieten unterwegs.

Binnen Wochen?

Falls beide Seiten bereit wären, so sagen Insider, könne ein Vermittlungsversuch im Vatikan binnen drei oder vier Wochen starten. Aber klar ist auch: Bei den konkreten Gesprächen wird der Papst nicht ständig dabei sein. Da geht es um Dialog auf Arbeitsebene. Der russische Präsident Wladimir Putin war übrigens zuletzt im Juni 2019 zu einem Gespräch im Vatikan.

Benjamin Dahlke, katholischer Theologe in EichstättBild: Herder-Verlag, Freiburg

Benjamin Dahlke, katholischer Theologe an der Universität Eichstätt und einer der besten kirchlichen US-Kenner in Deutschland, zeigt sich "zurückhaltend" bezüglich einer solchen Vatikan-Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine. Präsident Trump hatte in seinem Wahlkampf mit Blick auf die Ukraine angekündigt, "den Krieg innerhalb eines Tages zu lösen. Das hat offensichtlich nicht geklappt", so der 43-Jährige im Interview der DW. Nach seiner Einschätzung weiß Trump "nicht recht weiter" und wolle mit dem Vatikan "einen neuen Akteur hereinholen, um neue Bewegung zu erreichen".

Der an der römischen Opus-Dei-Universität lehrende Staatskirchenrechtler Stefan Mückl betont derweil die Bedeutung einer neutralen Rolle des Vatikan. "Papst Leo wird die beständige Linie des Heiligen Stuhls beachten, nämlich strikte Neutralität, ohne eine möglicherweise bestehende innere Präferenz erkennen zu geben", sagte er dem Kölner "Domradio".

Kritischer äußerte sich gleichfalls im "Domradio" die in Münster lehrende Ostkirchen-Expertin Regina Elsner. Zwar gebe es Chancen, dass die Kirchenzentrale gemeinsam mit Italien als neutraler Verhandlungsort akzeptiert werde. Andererseits habe Papst Franziskus in den letzten Jahren seines Pontifikats wegen seiner wohlwollenden Haltung gegenüber Moskau auf ukrainischer Seite viel Glaubwürdigkeit verspielt.

Der Chefdiplomat des Papstes 

Jedes Wort, das Papst Leo nun öffentlich sagt, wird weltweit aufmerksam registriert - gerade zum Konflikt im Osten Europas. Mag sein, dass sein "Außenminister", Erzbischof Paul Gallagher (71), seit 40 Jahren in Diensten des Vatikans und seit gut zehn Jahren für die Beziehungen zu den Staaten zuständig, sehr zeitnah Reisen antritt oder Gespräche führt, die nicht oder kaum öffentlich werden.

Paul Richard Gallagher (71), "Außenminister" des VatikanBild: IPA/Catholic Press Photo/picture alliance

Am vergangenen römischen Wochenende zählte bereits US-Außenminister Rubio zu Gallaghers Gesprächspartnern. Der Politiker sprach hinterher laut US-Medien dankbar von der Bereitschaft des Vatikans, eine "konstruktive und positive Rolle" zu spielen.

 

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