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Politik

Handelskrieg zwischen Russland und Kasachstan?

Anatolij Weißkopf
8. Juli 2022

Russische Medien berichten von Verstimmungen und einem beginnenden Handelskrieg zwischen Russland und Kasachstan. Kasachische Experten dementieren.

Kasachstan Parlament
Präsidentenpalast in der kasachischen Hauptstadt Nur-SultanBild: Vladislav Vodnev/Sputnik/dpa/picture alliance

Auf dem jüngsten Sankt Petersburger Wirtschaftsforum stellte der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew in Anwesenheit des russischen Staatschefs Wladimir Putin klar: Sein Land werde eine Unabhängigkeit der "quasistaatlichen Gebiete Donezk und Luhansk", wie Tokajew es ausdrückte, nicht anerkennen. Dies wurde in Kasachstan allgemein positiv aufgenommen. Damit folgt der zentralasiatische Staat nicht der Entscheidung Russlands, das die selbsternannten "Volksrepubliken" im Donbass kurz vor Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine als unabhängige Staaten anerkannt hatte.

Auf Tokajews Äußerung folgten in russischen Medien Berichte über einen Handelskrieg zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken. Eine Reihe russischer Medien und Telegram-Kanäle hatten gemeldet, Russland schränke unter dem Vorwand, im Schwarzen Meer nach Minen aus dem Zweiten Weltkrieg zu suchen, den Export kasachischen Erdöls über die Hafenstadt Noworossijsk ein. Daraufhin erschienen Meldungen, Kasachstan blockiere im Gegenzug den Transit von 1700 mit Kohle beladene Waggons der Russischen Eisenbahn.

"Diskreditierung gutnachbarlicher Beziehungen"

Die Kasachische Eisenbahn teilte dagegen mit, in Kasachstan gebe es gar keine 1700 Waggons mit russischer Kohle. Und in einer Pressemitteilung des kasachischen Ministeriums für Industrie und Infrastruktur heißt es, die Meldungen aus Russland über die Blockade russischer Kohletransporte würden bewusst auf eine "Diskreditierung der gutnachbarlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern" abzielen.

Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew beim Sankt Petersburger Wirtschaftsforum am 17. Juni 2022Bild: Dmitri Lovetsky/AP Photo/picture alliance

Die Berichte über einen mutmaßlichen Handelskrieg sorgten in Kasachstan für Verwunderung. Denn Energieminister Bolat Aktschulakow hatte noch vor dem Petersburger Wirtschaftsforum im kasachischen Fernsehen eine Wartung der betreffenden Ölpipeline im Hafen Noworossijsk für die zweite Junihälfte angekündigt. "Leider sind noch nicht alle Weltkriegsminen geräumt. Die Pipeline verläuft zum Teil auf dem Meeresgrund. Die Arbeiten unter Wasser können erst beginnen, wenn mögliche Unfälle durch Minen aus dem Zweiten Weltkrieg ausgeschlossen werden können", erläuterte damals Aktschulakow.

"Geopolitische Partner und strategische Verbündete"

Kasachische Experten, mit denen die DW gesprochen hat, glauben nicht an einen russisch-kasachischen Handelskrieg. Der Abgeordnete der regierenden Partei Amanat (ehemals Nur-Otan), Kanat Nurow, meint, Kasachstan sei von Russland logistisch abhängig. Fast die gesamten kasachischen Öl- und Gasexporte nach Europa würden über Russland gehen. "Wir sind in der Tat geopolitische Partner und strategische Verbündete der Russischen Föderation. Wir wahren nicht nur Neutralität, sondern sind auch Mitglied der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit und der Eurasischen Wirtschaftsunion", sagt Nurow und spricht von einer teilweisen Integration der beiden Ländern auf politischer und militärischer Ebene, und nennt als Beispiel die Luftabwehr.

Auch Nurows Fraktionskollege Aidos Sarym findet, in den Reaktionen der russischen Medien auf Tokajews Äußerungen in Sankt Petersburg komme zu kurz, wie eng die Beziehungen zwischen den Volkswirtschaften beider Länder seien: "Tatsache ist, dass wir eine 7500 Kilometer lange gemeinsame Grenze haben. Es gibt sehr viele Nutznießer des Grenzhandels und viele Joint Ventures, deren Zahl bis Ende des Jahres erheblich zunehmen könnte, angesichts des zu beobachtenden Zuzugs von Russen. Ich glaube nicht, dass es zwischen Kasachstan und Russland zu einem Handelskrieg und Sanktionen kommt. Das wäre am Ende kontraproduktiv", so der Politologe. Gleichzeitig äußerte er die Hoffnung, dass "die gesunde staatspolitische Klasse Russlands, die Entscheidungen trifft, auf die wahren Interessen der Völker und Unternehmen beider Länder schaut".

"Kasachstan muss alle Optionen prüfen"

Gleichzeitig räumt Aidos Sarym ein, dass Kasachstan nach alternativen Wegen für seine Importe und Exporte hin zu den Weltmärkten suche. Daher sei Präsident Tokajew unmittelbar nach dem Petersburger Forum in den Iran und nach Katar gereist. "Das ist eine lebenswichtige Notwendigkeit. Ich setze meine Hoffnungen vor allem in die Ergebnisse des Besuchs in Teheran. Dank Lieferungen aus dem Iran kann die Ernährungssicherheit der westlichen Regionen Kasachstans gewährleistet werden. Kasachstan muss heute alle Optionen prüfen. Wir erwarten ein hyperaktives Jahrzehnt in der Außenpolitik", so der Abgeordnete.

Auch der kasachische Geschäftsmann Rasul Rysmambetow sagt, die Situation habe sich geändert: "Westliche Unternehmen haben ihre Aktivitäten in Russland gestoppt oder sich ganz zurückgezogen, was sich auch auf Kasachstan auswirkt", sagt er. Auch wenn die Folgen der Probleme von Russland und Belarus im Verhältnis zum Westen für Kasachstan jetzt schmerzhaft seien, würden sie letztendlich der kasachischen Wirtschaft nutzen, glaubt Rysmambetow.

Rosskur für die kasachische Wirtschaft?

Ihm zufolge hat die Eurasische Wirtschaftsunion mit Russland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken nie richtig funktioniert. Es habe immer Hindernisse seitens Russlands für Waren aus Kasachstan gegeben. "Je mehr Beschränkungen der Kreml beispielsweise für unsere Rohstoffen auferlegt, umso besser für uns, da sie dann bei uns bleiben. Wir werden uns ein Jahr lang quälen, aber dies wird die Entwicklung unserer petrochemische Industrie vorantreiben. Zumal sich unsere Betriebe ständig über den Mangel an Rohstoffen beschwert haben, weil alles in den Westen und nach Russland ging", so Rysmambetow.

Unterdessen betonte der kasachische Präsident in seiner Rede auf dem jüngsten Wirtschaftsforum in Doha, der Hauptstadt von Katar: "Putin ist immer noch ein zuverlässiger Verbündeter. Ich als Staatsoberhaupt freue mich, berichten zu können, dass ich ein enges Verhältnis zu Putin habe." Während der Podiumssitzung fügte Tokajew später hinzu, dass er gerne auch freundschaftliche und berechenbare Beziehungen zu den USA unterhalten würde.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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