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Russland will Doktrin zu Atomwaffen-Einsatz erweitern

26. September 2024

Im Zuge der Ukraine-Krieges hat Russland mehrmals mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Wegen westlicher Waffenlieferungen an Kiew wurde die Atomdoktrin überprüft. Nun kündigte Staatschef Putin "Klarstellungen" an.

Russische Soldaten laden bei einer Übung eine Iskander-Rakete auf eine Abschussrampe
Russische Iskander-Raketen können auch Atomsprengköpfe tragen Bild: Russian Defense Ministry Press Service/AP Photo/picture alliance

Die Atommacht Russland passt ihre Doktrin zum Einsatz von Nuklearwaffen nach Angaben von Kremlchef Wladimir Putin der gespannten internationalen Lage an. Bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats im Kreml sagte Präsident Putin in Moskau, die Liste militärischer Bedrohungen, gegen die Atomwaffen zur Abschreckung genutzt werden können, solle erweitert worden. Die Sitzung des Rates wurde vom Fernsehen übertragen. Mit der neuen Doktrin würde sich vor allem für westliche Atommächte wie die USA und Frankreich die Gefahr erhöhen, Ziel eines russischen Gegenschlags zu werden, sollten sie etwa die kernwaffenfreie Ukraine bei einer Aggression gegen Russland unterstützen. 

Wörtlich sagte Putin: "Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch auf etwas anderes lenken: In der aktualisierten Fassung des Dokuments wird vorgeschlagen, dass eine Aggression gegen Russland durch einen Nicht-Kernwaffenstaat, aber mit Beteiligung oder Unterstützung eines Kernwaffenstaates, als gemeinsamer Angriff auf die Russische Föderation betrachtet werden sollte." Putin bezog sich damit offensichtlich auf die Ukraine und deren westliche Verbündete.

Putin: Schutz gilt auch für Belarus

Putin betonte, dass sich die neu gefassten Dokumente zum Einsatz strategischer Atomwaffen auch auf das benachbarte Belarus bezögen, das mit Russland einen Unionsstaat bildet. Dort hatte Putin bereits Nuklearwaffen stationieren lassen. Experten des Verteidigungs- und des Außenministeriums, des Sicherheitsrats und anderer Behörden hätte die Doktrin ausgearbeitet. "Wir sehen, dass sich die aktuelle militärisch-politische Lage dynamisch verändert", sagte Putin. Demnach ist der Einsatz von Atomwaffen auch möglich, wenn die Existenz der beiden Staaten durch Angriffe auch mit konventionellen Waffen bedroht ist.

Putins Drohung: Wie real ist eine nukleare Eskalation?

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Putin verwies darauf, dass dies etwa bei massiven Luftangriffen mit Kampfflugzeugen, Marschflugkörpern, Drohnen, Hyperschallwaffen und anderen Flugobjekten der Fall sein könne. Festgelegt worden sei aber in der Atomstrategie auch, dass der Einsatz von Nuklearwaffen die äußerste Maßnahme zum Schutz der staatlichen Souveränität sei.

Putin hatte im Zuge seines Krieges immer wieder mit den Nuklearwaffen gedroht und das Arsenal auch in erhöhte Bereitschaft versetzt. Russland diskutiert vor dem Hintergrund der Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine seit längerem eine Änderung seiner Atomdoktrin. Im Gespräch war immer wieder auch die Möglichkeit eines Präventivschlags. Bisher erlaubt die Doktrin ausschließlich den Einsatz von Atomwaffen als Gegenschlag. Putin erinnerte daran, dass Russland stets verantwortungsbewusst mit dem Thema Atomwaffen umgegangen sei.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte der Deutschen Welle bei einem Besuch in Riga, die Änderung der Atomdoktrin gehöre zu Putins Klaviatur. "Ich sehe meine Rolle, wir sehen unsere Rolle, nicht darin, Lautsprecher und Vervielfältiger seiner drohenden Botschaften zu sein. Das muss man gar nicht kommentieren. Morgen kommt was anderes. Wir ziehen unsere Bahnen, wir machen das, was wir für richtig halten, um klar zu machen: Die Lage steht."

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (Archivbild)Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Ukraine fordert Freigabe von Waffen mit großer Reichweite

Die Ukraine bemüht sich derzeit darum, die Erlaubnis westlicher Partner für den Einsatz von ihnen gelieferter Waffen mit großer Reichweite auf Ziele tief im russischen Hinterland zu erhalten. Putin hat gewarnt, eine solche Genehmigung würde bedeuten, dass sich die NATO "im Krieg" mit Russland befinde.

Die Lieferung weitreichender Präzisionswaffen an die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz aber auch für die Zukunft und unabhängig von Entscheidungen der Bündnispartner ausgeschlossen. Erst kürzlich bekräftigte er sein Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von der Ukraine bis nach Moskau (etwa 500 Kilometer) mit der Begründung, dass das "eine große Eskalationsgefahr" mit sich bringen würde. Die NATO-Partner und Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich haben Marschflugkörper mit Reichweiten bis zu 300 Kilometern geliefert.

Zudem hält die ukrainische Armee seit einem Vorstoß Anfang August russisches Territorium im Grenzgebiet Kursk besetzt. Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zweieinhalb Jahren mit westlicher Hilfe gegen die russische Invasion.

Kritik aus Kiew

Nach der Bekanntgabe der neuen Einsatzszenarien für russische Atomwaffen blieb eine Reaktion des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zunächst aus. Dafür äußerte sich jedoch sein Bürochef Andrij Jermak. "Außer atomarer Erpressung hat Russland nichts mehr, keine anderen Instrumente schüchtern die Welt ein", schrieb er auf Telegram. Die versuchte Angstmache werde aber nicht funktionieren.

kle/sti (dpa, afp, rtr, DW)

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