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Politik

Russland will streunende Hunde loswerden

Ewlalia Samedowa
16. Mai 2018

Russische Tierschützer schlagen Alarm: Wie schon vor Olympia in Sotschi werden auch vor der Fußball-WM in Russland streunende Hunde getötet. Sie fordern einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Problem.

Russland Ein Hund ohne Besitzer in in Moskau
Bild: DW/E. Samedowa

Vor der Fußball-WM gibt es immer häufiger Ausschreibungen auf Internetseiten russischer Behörden, auf die Tierschützer aufmerksam machen. Bei den staatlichen Aufträgen geht es nicht nur darum, vernachlässigte Tiere "einzufangen, zu sterilisieren und unterzubringen": Sie sollen "eingefangen, abtransportiert und entsorgt" werden. Die WM 2018 wird in elf russischen Städten ausgetragen, doch Heime für herrenlose Tiere gibt es nur in Moskau, Sankt Petersburg und Nischni Nowgorod. In Kaliningrad wird gerade eines gebaut. 

Jelena Iwanowa-Werchowskaja ist die stellvertretende Leiterin einer Gruppe, die bei der Öffentlichen Kammer der Stadt Moskau angesiedelt ist und die Regulierung der Anzahl herrenloser Hunde in der russischen Hauptstadt überwacht. Im Gespräch mit der DW sagte sie, die Behörden hätten versprochen, temporäre Heime an den Austragungsorten der WM zu bauen. "Die Hunde sollten eingefangen, sterilisiert, untergebracht und nach der WM wieder freigelassen werden, hieß es vor zwei bis drei Monaten. Aber in so kurzer Zeit kann man das Problem, das seit Jahrzehnten besteht, nicht lösen. Wir werden natürlich nicht alle retten können", befürchtet die Tierschützerin. 

Bedingungen in Tierheimen verschlechtern sich 

Im Jahr 2008 wurde in der russischen Hauptstadt ein Programm eingestellt, bei dem herrenlose Hunde eingefangen, sterilisiert, geimpft und wieder freigelassen werden sollten. Seitdem werden die Tiere nur noch eingefangen und in insgesamt 13 städtischen Heimen untergebracht. Einmal im Jahr schreiben die Behörden das Einfangen einer bestimmten Anzahl von Hunden aus. "Wie viel Geld man bekommt, hängt davon ab, wie viele Hunde man fängt. In den Heimen werden die Tiere zwar registriert, aber die Anzahl der Plätze ist begrenzt. Alle Heime sind überfüllt", beklagt Jelena Iwanowa-Werchowskaja. Ihr zufolge überprüft niemand die Belegung der Heime. Sie fordert die Einrichtung einer entsprechenden Kontrollstelle.

Streunende Hunde in MoskauBild: GRIGORY SOBCHENKO/AFP/Getty Images

Für das Einfangen und die Unterbringung der Hunde werden in diesem Jahr 900 Millionen Rubel bereitgestellt, im vergangenen Jahr waren es 670 Millionen Rubel. Trotz der Aufstockung der Mittel verschlechtern sich die Bedingungen in den Tierheimen von Jahr zu Jahr, weil diese überfüllt sind. Bis auf zwei Ausnahmen sind die Moskauer Heime nicht einmal an die Wasserversorgung angeschlossen. "Die Hunde bekommen Wasser, das herbeigeschafft wird. Oft ist gar keines da. Die Käfige bestehen aus alten Holzkonstruktionen und müssen ständig repariert werden. Geld gibt es nur für kleinere Reparaturen, aber das reicht nicht", sagt Jelena Iwanowa-Werchowskaja. 

Fiktive Diagnosen und anschließende Tötung

Tierschützer warnen davor, das Programm zum Einfangen und der anschließenden Freilassung der Hunde auch in anderen Städten Russlands zu stoppen. Verboten wurde es bereits in Rostow am Don im Jahr 2016. Der Oberste Gerichtshof argumentierte, die Freilassung von Hunden verletze das Recht auf eine sichere Umgebung. Zu den Folgen sagte Iwanowa-Werchowskaja: "Zwar darf man die Tiere einfangen und unterbringen, doch es gibt keinen Platz für sie, aber wieder freilassen darf man sie auch nicht. Deswegen werden die Tiere unter verschiedenen Vorwänden getötet." So werde, um nicht gegen das Gesetz zu verstoßen, Tollwut oder eine erhöhte Aggressivität diagnostiziert. 

Neben den Ausschreibungen schließen die Städte aber auch direkte Verträge mit Firmen, die eine bestimmte Anzahl an Hunden fangen sollen. Doch nur die wenigsten dieser Tiere kommen danach in ein Heim - beispielsweise rund 40 von 4000. Bei den restlichen werden meist Krankheiten festgestellt, was aber niemand überprüft. Anschließend werden die Tiere getötet. "In der Nähe von Moskau gab es einen eklatanten Fall, wo - um Geld für die Einschläferung zu sparen - Hunde bei lebendigem Leib verbrannt wurden", sagte die Tierschutz-Aktivistin Viktoria Pawlenko im Gespräch mit der DW. Ihr zufolge gewinnen skrupellose Firmen oft die Ausschreibungen. "Meist kommen die Hunde schon beim Einfangen um oder sie werden im Transporter eingeschläfert", kritisiert Pawlenko.

"Töten herrenloser Tiere ist höchst korrupte Angelegenheit" 

Damit es nicht mehr dazu kommt, wollen Tierschützer ein einheitliches Gesetz zum verantwortungsvollen Umgang mit Tieren: Herrenlose Hunde sollten eingefangen und anschließend freigelassen werden dürfen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde in erster Lesung angenommen. Doch die zweite und dritte Lesung wird ständig aufgeschoben. "Davon profitieren Firmen, die sich mit dem Einfangen der Tiere befassen, aber auch lokale Beamte. Das Töten herrenloser Tiere ist eine höchst korrupte Angelegenheit, sehr teuer und ineffektiv", meint Jelena Iwanowa-Werchowskaja. Auch Pharmaunternehmen, die Mittel zur Einschläferung von Hunden verkaufen, würden davon profitieren. 

Im vergangenen Herbst waren Tierschützer in der Nähe des russischen Parlaments in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Sie forderten die endgültige Verabschiedung des Gesetzes zum verantwortungsvollen Umgang mit Tieren. Andere Aktivisten hielten einzelne Mahnwachen in Moskau ab. In anderen russischen Regionen gab es lokale Aktionen und Flashmobs. Doch eine Reaktion der Abgeordneten lässt immer noch auf sich warten.

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