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Politik

Russland für "post-westliche Weltordnung"

18. Februar 2017

Nachdem die NATO-Partner auf der Münchner Sicherheitskonferenz Einigkeit demonstriert hatten, setzt der russische Außenminister ein anderes Zeichen: Weltweite Stabilität geht auch ohne westliche Vormacht.

Münchner Sicherheitskonferenz 2017 | Sergej Lawrow
Bild: Reuters/M. Rehle

Lawrow wirbt für neue Weltordnung

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In der neuen Weltordnung, die dem russischen Außenminister Sergej Lawrow vorschwebt, sollen die Staaten des Westens weniger Einfluss haben. In seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz warb er für eine "post-westliche Weltordnung". Diese müsse sich dadurch kennzeichnen, "dass jedes Land durch seine eigene Souveränität definiert wird". Die NATO nannte er eine "Institution des Kalten Krieges, sowohl im Denken als auch im Herzen". Dass eine Art "Eliteclub von Staaten" die Welt regiere,
könne langfristig nicht funktionieren.

Versöhnlich gab sich Lawrow gegenüber den USA. Unter der neuen Regierung von US-Präsident Donald Trump strebe man bessere Beziehungen zu Washington an. Moskau wolle ein "pragmatisches" Verhältnis aufbauen, sagte der Minister. Wichtig seien dabei "der gegenseitige Respekt und die Anerkennung unserer Verantwortung für die weltweite Stabilität".

Zuvor hatte US-Vizepräsident Mike Pence in seiner Rede den NATO-Partner die Unterstützung der USA versichert. Vor allem auf diesen Satz hatten viele gewartet: "Heute versichere ich Ihnen im Namen von Präsident Trump: Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen fest zur NATO, und wir werden unerschütterlich unsere Verpflichtungen für unsere transatlantische Allianz erfüllen." Pence war erkennbar bemüht, die Wogen nach manchen Aussagen seines Chefs zu glätten: "Die Vereinigten Staaten werden immer Ihr wichtigster Bündnispartner sein."

"Wir haben gemeinsame Werte - und gemeinsame Opfer", sagte er an die Adresse der Europäer. "Gemeinsam mit Ihnen arbeiten wir seit Generationen, um die Demokratie zu verteidigen." Die Nummer zwei in Washington ergänzte: "Der Präsident ist der Meinung, dass unsere militärische Macht stark sein muss." Unter Führung von Präsident Trump werde man ein starkes Amerika haben, "stärker als je zuvor".

"Prinzip der Lastenteilung nicht erfüllt"

So sehr das klare Bekenntnis zur NATO ersehnt worden war - Pence ließ sogleich eine Mahnung folgen: Zu lange sei das Prinzip der Lastenteilung innerhalb des Bündnisses nicht erfüllt worden. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, an dem man mehr tun müsse.

Ein klares Bekenntnis kam auch von britischer Seite. Im Interview mit der DW betonte der britische Außenminister Michael Fallon, sein Land verlasse zwar die EU, nicht jedoch den Kontinent. In der NATO wolle Großbritannien daher weiter eine starke Position einnehmen. "Die Allianz muss jetzt zusammenstehen", betonte er mit Blick auf die Herausforderungen, die sowohl das Verhältnis mit Russland als auch der Terrorismus im Nahen Osten mich sich brächten. "Es gab noch nie eine Zeit, in der die NATO und Europa wirklich zusammenstehen mussten. Und Großbritannien wird ein Teil davon sein", bekannte Fallon. "Wir führen die Very High Readiness Joint Task Force, die schnelle Eingreiftruppe der NATO in diesem Jahr. Wir haben Truppen nach Estland geschickt. Und wir schicken die britische Luftwaffe nach Rumänien zur Luftraumüberwachung."

Vor Pence hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesprochen. In ihrer Rede rief sie der US-Delegation ein "herzliches Willkommen" zu - diesmal viel mehr als eine diplomatische Floskel. Denn seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump sind etliche vermeintliche Gewissheiten ins Wanken geraten. Für Merkel war es die erste direkte Tuchfühlung mit der neuen Regierung der Vereinigten Staaten.

Merkel: "Kein Staat kann Herausforderungen allein bewältigen"

"Ich bin überzeugt, die Herausforderungen der Welt sind von keinem Staat allein zu bewältigen", sagte Merkel. Das gelte für die NATO, für die Vereinten Nationen und für die G20 - die Gemeinschaft der 20 führenden Industriestaaten, deren Präsidentschaft Deutschland seit Dezember innehat.

"Multilateralismus" war das Stichwort, das die Kanzlerin als unausgesprochenen Kontrapunkt zu allen rhetorischen Eskapaden Trumps und dessen Slogan "America first" setzte, wenn auch ohne den US-Präsidenten direkt zu nennen. "Ich bin der festen Überzeugung, es lohnt sich, für die gemeinsamen multilateralen Strukturen zu kämpfen", sagte die CDU-Vorsitzende.

Mit Blick auf die Europäische Union verlangte Merkel, die Menschen müssten auch Ergebnisse sehen - so, wie die Soziale Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg die Bürger mit "Wohlstand für alle" überzeugt habe. Die Europäische Union müsse lernen, sich auf die wesentlichen Themen zu konzentrieren und das zu überwinden, was ihre Wettbewerbsfähigkeit mindere. Die Strukturen der EU seien nicht effizient genug. Man müsse sie stärker und krisenfester machen..

Alljährlicher Tagungsort, streng bewacht: das Luxushotel "Bayerischer Hof in München"Bild: Reuters/M. Dalder

"Wir fühlen uns dem Zwei-Prozent-Ziel verpflichtet"

In der Verteidigungspolitik kündigte die deutsche Regierungschefin an, die EU werde auf diesem Gebiet künftig mehr tun. "Wir brauchen eine Führungsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union", sagte Merkel. "Europäische Verteidigungsfähigkeit" müsse sich einfügen in die Verteidigungsfähigkeit der NATO. Bezogen auf den deutschen Beitrag zur Finanzierung des Militärbündnisses sagte sie, die Bundesrepublik fühle sich dem sogenannten Zwei-Prozent-Ziel verpflichtet, wonach dieser Anteil des Bruttoinlandsprodukts in den Verteidigungshaushalt fließen sollte.

Die Kanzlerin schob allerdings nach, Deutschland könne seinen Wehretat nicht um mehr als acht Prozent im Jahr steigern. Im Klartext: Das NATO-Ziel dürfte vorerst kaum erreicht werden. Nicht nur Investitionen in die Verteidigung machten die Welt sicherer, sondern auch jene für Entwicklungshilfe und Krisenprävention, sagte Merkel in feiner Abgrenzung zu den Forderungen aus Washington.

"Muslime müssen sich vom islamistischen Terror abgrenzen"

Merkel ging auf die globalen Herausforderungen in der Sicherheitspolitik ein, darunter in Afghanistan und im Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS). Die Kooperation mit den Vereinigten Staaten sei hier "sehr wichtig". Genauso wichtig sei aber, dass auch muslimisch geprägte Länder in diesen Kampf einbezogen seien. Diese müssten sich von den Auswüchsen eines fehlgeleiteten, radikalisierten Religionsverständnisses abgrenzen.

Mit Blick auf Russland erklärte Merkel, sie werde nicht nachlassen, um ein gutes Verhältnis mit Moskau zu ringen. Im Kampf gegen den islamistischen Terror habe die EU gemeinsame Interessen mit Russland - und müsse diese auch betonen.

Am Rande der Konferenz sprach die Kanzlerin auch persönlich mit US-Vizepräsident Pence. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte danach: "Im Mittelpunkt der Begegnung standen die engen und freundschaftlichen bilateralen Beziehungen sowie wichtige gemeinsame außenpolitische Herausforderungen." Es sei unter anderem um den Syrienkonflikt, die Lage in Libyen sowie die Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts in der Ostukraine gegangen.

Unterdessen protestierten rund 1900 Menschen gegen die Sicherheitskonferenz in München. Das waren deutlich weniger Teilnehmer als die von den Veranstaltern angekündigten 4000. Auf den Plakaten forderten die Demonstranten die Abschaffung der NATO, weltweite Abrüstung, ein Ende der Abschottungen und die Anerkennung aller Asylanträge in Deutschland. Im Großen und Ganzen seien die Proteste "störungsfrei" verlaufen, sagte ein Sprecher der Münchner Polizei am Abend.

jj/nin/sti (DW, dpa, afp)

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