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Politik

Russland wirft der DW Einmischung vor

5. August 2019

Im Zusammenhang mit den aktuellen Demonstrationen in Moskau kommt es immer wieder zu Festnahmen. Nun steht der Vorwurf im Raum, die Deutsche Welle würde sich in die Proteste einmischen. Der Sender weist dies zurück.

Russland Moskau | Polizeieinheiten nehmen Mann in Gewahrsam
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/V. Kruchinin

Moskau am vorvergangenen Samstag: Deutsche Welle-Korrespondent Sergej Dik will über die Demonstrationen in der russischen Hauptstadt berichten, die sich gegen das Prozedere bei der Kandidatenaufstellung für die Stadtratswahl am 8. September richten. Doch Dik wird von Spezialeinsatzkräften festgenommen. Die Akkreditierung des Mitarbeiters des deutschen Auslandsrundfunks sei "irgendein wertloses Dokument", heißt es. Dik wird zu einem Polizeibus abgeführt und landet mit rund 20 anderen auf der Polizeistation Marino. Erst nach etwa eineinhalb Stunden kommt er wieder frei.

DW-Reporter Dik nach Festnahme (am 27. Juli): "Akkreditierung irgendein wertloses Dokument"Bild: DW/S. Dik

Die Berichterstattung der Deutschen Welle (DW) über die Proteste scheint der Führung in Moskau ein Dorn im Auge zu sein - und das gilt nicht nur im Fall Dik. Denn die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, legte jetzt nach. Im Sender "Rossia-1" warf Sacharowa der DW vor, sich in die Proteste einzumischen. Dort behauptete die Sprecherin des Außenministeriums, die Deutsche Welle habe einen Aufruf veröffentlicht: "Moskauer! Gehen Sie auf die Straße". "Ohne Zweifel ist dieser vom Staat finanzierte Sender in Deutschland voll in unsere inneren Angelegenheiten involviert", so Sacharowa.

Protest der Deutschen Welle

Die Deutsche Welle wies dies entschieden zurück. Die DW habe in keinem veröffentlichten Artikel oder Beitrag zur Teilnahme an den Protesten in Russland aufgerufen. "Wir sehen diese Behauptung seitens Frau Sacharowa in direktem Zusammenhang mit der vorläufigen Festnahme unseres Korrespondenten Sergej Dik", so DW-Sprecher Christoph Jumpelt.

Die Deutsche Welle hatte schriftlich gegen die Festnahme von Dik protestiert. Die willkürliche Behinderung der Arbeit eines akkreditierten Journalisten sei nicht hinnehmbar, heißt es in einem DW-Schreiben vom 28. Juli an das russische Außenministerium: "Wir legen hiermit offiziell Protest gegen diesen Vorfall ein und erwarten eine Stellungnahme Ihrerseits."

Ministeriumssprecherin Sacharowa: "Voll in unsere inneren Angelegenheiten involviert"Bild: picture-alliance/dpa/S. Karpukhin

Die Antwort aus Moskau kam an diesem Montag und entspricht der Linie der Sprecherin des Außenministeriums: Auf russischsprachigen Social-Media-Accounts der DW, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums, würden "eindeutige Aufrufe zu der massenhaften Teilnahme an unerlaubten Protesten veröffentlicht". Aufgrund dieses Umstands könnten Deutsche-Welle-Mitarbeiter nicht als Journalisten betrachtet werden. Sie seien selbst aktive Teilnehmer der rechtswidrigen Handlungen. "Wir erinnern Sie an die Notwendigkeit der Einhaltung der Gesetze der Russischen Föderation", schreibt das Außenministerium in Moskau, "insbesondere bezüglich deren Nichteinhaltung unter dem Schutz des Status eines ausländischen Korrespondenten."

"Eklatanter Verstoß gegen die Pressefreiheit"

Das Vorgehen russischer Stellen und die Reaktion des Außenministeriums in Moskau ist aus Sicht von DW-Intendant Peter Limbourg nicht hinnehmbar: "Wenn man Journalisten, die über eine Demonstration berichten, pauschal zu Teilnehmern erklärt und sie dann auch noch verhaftet, ist das nicht nur ein eklatanter Verstoß gegen die Pressefreiheit sondern auch die Methode eines Polizeistaates."

DW-Intendant Limbourg: "Methode eines Polizeistaates"Bild: DW/P. Böll

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte in Berlin ein Ende der Polizeiwillkür gegen Korrespondenten. "Mit ihrem brutalen Vorgehen verstoßen die russischen Sicherheitskräfte nicht nur gegen weltweit geltende Grundrechte, sondern auch gegen die russische Verfassung", kritisierte DJV-Bundeschef Frank Überall am Sonntag.

Auch am vergangenen Wochenende ging die Serie der Festnahmen von Demonstranten in Moskau unvermindert weiter. Nach Polizeiangaben wurden 600 Menschen in Gewahrsam genommen. Die Beobachtungsstelle für politische Verfolgung OWD-Info zählte hingegen 1001 Fälle.

Bundesregierung erneuert Kritik

Aus Berlin kam erneute Kritik an dem Vorgehen der Moskauer Polizei. "Die Bundesregierung verurteilt die neuerliche Festnahme von friedlich demonstrierenden Menschen in Moskau und den danach folgenden unverhältnismäßig harten Polizeieinsatz", so Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Die Bundesregierung appelliere dringend an die zuständigen Behörden und Institutionen, die Verhältnismäßigkeit zu wahren und die Festgenommenen auch umgehend wieder auf freien Fuß zu setzen.

"Die Einhaltung der Prinzipien von OSZE und Europarat ist von hoher Bedeutung für die Demokratie", so Demmer, "und die russische Föderation hat sich zu eben jenen Prinzipien wie Versammlungsfreiheit und freier Meinungsäußerung bekannt. Deshalb ist Russland aufgerufen, diese grundlegenden Prinzipien zu respektieren und bei ihrem Handeln auch Verhältnismäßigkeit walten zu lassen." Mit Blick auf die russischen Regionalwahlen im September rufe die Bundesregierung nachdrücklich zur Einhaltung internationaler Standards auf.

Die Sprecherin des Auswärtigen Amts, Maria Adebahr, teilte mit, dass die russische Regierung die Äußerungen aus Deutschland zur Kenntnis genommen und auch bereits darauf reagiert habe. Der deutsche Botschafter habe die Sorge Deutschlands in Gesprächen in Russland deutlich gemacht.

Auch Frankreich verurteilte am Sonntag eine "eindeutig übermäßige Gewaltanwendung" beim Vorgehen der Moskauer Polizei. Ein Sprecher des Außenministeriums in Paris erklärte, dass die französische Regierung "auf der Meinungsfreiheit in all ihren Formen besteht". Und das gelte auch für friedliche Demonstrationen und die Teilnahme an freien und transparenten Wahlen.

AR/kkl (DW, dpa, epd, afp)

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