1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Russland: Zivilgesellschaft immer mehr in Gefahr

22. Dezember 2005

In Russland knebeln immer mehr umstrittene Regelungen Stützen der Zivilgesellschaft wie Medien und Nichtregierungsorganisationen. Sie werden kontrolliert, ihre Arbeit eingeschränkt. Fokus Ost-Südost mit einem Überblick.

Medien und andere zum Stillschweigen verdammt?Bild: dpa

Die Staatsduma hat in zweiter Lesung den Gesetzentwurf über die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen verabschiedet. Trotz Entschärfungen ermöglicht das Gesetz noch immer ein vereinfachtes Verbot von Gruppierungen.

Nachdem der Präsident des Landes, Wladimir Putin, sich unzufrieden über die ausländische Unterstützung vom Kreml unabhängiger Organisationen geäußert hatte, entstand in der Staatsduma der Gesetzentwurf, der die Kontrolle über die Tätigkeit von NGOs verstärken soll. Russische Politiker und Beamte hatten zuvor mehrfach erklärt, unter dem Deckmantel gesellschaftlicher und Nichtregierungsorganisationen seien in Russland Spione tätig, mit dem Ziel, den staatlichen Interessen des Landes zu schaden. Deswegen müsse die russische Staatsführung wissen, von wem die Organisationen finanziert würden und für welche Projekte sie das Geld ausgäben.

Proteste nach erster Lesung

Die erste Fassung des Gesetzentwurfs wurde am 23. November verabschiedet. Darin hieß es unter anderem, dass ausländische Organisationen oder Bürger sich mit keiner gesellschaftlichen Tätigkeit in Russland befassen dürften. Der Entwurf enthielt auch weitere Punkte, die bei Nichtregierungsorganisationen für Erstaunen sorgten.

In der zweiten Fassung, die am 21. Dezember verabschiedet wurde, wurden einige Punkte gestrichen. Unter den 60 Änderungen, die nach Protesten internationaler Organisationen vorgenommen wurden, wurde unter anderem das Verbot von Vertretungen ausländischer Nichtregierungsorganisationen in Form von Filialen gestrichen. Ausländern und Staatenlosen wird genehmigt, in Russland einer gesellschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Der Leiter des Moskauer Büros der Heinrich Böll Stiftung, Jens Siegert, sagte in diesem Zusammenhang: „Einige der Änderungen kann man wirklich begrüßen, beispielsweise, was uns ausländische NGOs betrifft, dass wir weiterhin in Form von Filialen unserer Organisationen bestehen dürfen.“

Willkürliche Gesetzes-Auslegung möglich

Aber es sind eine ganze Reihe von Punkten bestehen geblieben, die Besorgnis hervorrufen. Laut Gesetzentwurf, so Jens Siegert von der Heinrich Böll Stiftung, müssten sich gesellschaftliche Vereinigungen registrieren lassen - aber es werde nicht genannt, welche dies tun müssten. Er meint: „Das Gesetz verschlechtert die Lage dieser Organisationen wesentlich und verstärkt die staatliche Kontrolle. Im Gesetz ist nicht geklärt, was gesellschaftliche Vereinigungen sind. Das Gesetz schafft die Möglichkeit, Organisationen zu schließen, wenn deren Mitglieder oder Gründer gegen die Verfassung oder die Gesetze der Russischen Föderation verstoßen. Das ist ein verschwommener Begriff, den jeder Beamte auslegen kann, wie er will. Wenn jemand beispielsweise gegen Verkehrsregeln verstoßen hat, dann ist das ein Verstoß gegen die Gesetze der Russischen Föderation. Oder jemand nimmt an einer politischen Aktion teil, wie beispielsweise die Demonstranten, die vor der Staatsduma eine Mahnwache abhielten, als dort in erster Lesung über diesen Gesetzentwurf abgestimmt wurde. Acht der Demonstranten wurden festgenommen und drei von ihnen erhielten eine dreitägige Haftstrafe. Sie hatten gegen die Gesetze der Russischen Föderation verstoßen.“

Unbekanntes staatliches Organ

Breit wird auch das Verfahren zur Schließung einer gesellschaftlichen Organisation beschrieben. Gemäß dem Gesetzentwurf, kann es dazu kommen, wenn Mitglieder oder die Gründer der Organisation eben gegen die Verfassung oder die Gesetze der Russischen Föderation verstoßen. Unter anderem soll ein derzeit noch unbekanntes staatliches Organ das Recht erhalten, ausländischen NGOs zu verbieten, gewisse Programme oder Teile von ihnen umzusetzen oder Gelder an gewisse Partner zu überweisen. Aus welchen Gründen dies geschehen kann, wird im Gesetz nicht genannt. Dazu sagte Jens Siegert: „Wenn solche Organisationen gegen russische Gesetze verstoßen, dann können staatliche Organe – das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst – deren Tätigkeit beenden, weil sie gesetzwidrig ist. Wenn sie aber nicht gesetzwidrig ist, was kann es dann für Motive für die Schließung von NGOs geben? Meiner Meinung nach nur politische.“

DW-RADIO/Russisch, DW-RADIO/Ukrainisch, 21.12.2005, Fokus Ost-Südost

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen