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Russlands Finanzbranche hofft auf China

9. März 2022

Mit dem Ausschluss russischer Banken aus Swift wird es für russische Unternehmen immer schwerer, internationale Geschäfte abzuwickeln. Viele Unternehmen reagieren, indem sie auf chinesische Bezahlsysteme umschwenken.

China Kreditkarten UnionPay
Bild: Wang Jianfeng/Costfoto/picture alliance

"Solide wie ein Fels", so stabil ist nach den Worten von Wang Yi die Freundschaft seines Landes mit Russland. Die Aussichten für eine Zusammenarbeit seien sehr groß, erklärte unlängst der chinesische Außenminister; eine Kooperation bringe Vorteile und Wohlstand für beide Völker.

Die blumigen Bekenntnisse der russisch-chinesischen Völkerfreundschaft unterstreichen die Zurückhaltung Pekings, dem Westen dabei zu helfen, Russlands Wirtschaft vom globalen Finanzsystem zu isolieren.

Doch zu enge Bindungen zu Russland sind für das Reich der Mitte äußerst heikel. Je mehr russische Unternehmen Konten bei chinesischen Banken eröffnen, desto nervöser wird in Peking durchgerechnet, welche Risiken damit für das eigene Bankensystem verbunden sind.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Montag, das staatliche Devisenamt Chinas (SAFE) habe Banken nach deren möglicher Belastung durch die Russland-Ukraine-Krise gefragt. Es sei dabei um Geschäfte mit russischen Geldhäusern und den Umgang mit Risiken gegangen, teilten Branchen-Insider mit. Ein weiteres Thema sei eine mögliche Ausweitung von Sanktionen auch auf Banken in der Volksrepublik und Vorbereitungen auf solche Szenarien gewesen.

Hunderte neue Konten bei chinesischen Banken in Moskau

Insider hatten laut Reuters in der vergangenen Woche beobachtet, wie russische Unternehmen versuchten, wegen der westlichen Sanktionen auf chinesische Bankkonten auszuweichen.

"In den letzten Tagen sind 200 bis 300 Unternehmen an uns herangetreten, die neue Konten eröffnen wollen", wurde ein Banker eine Woche nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine zitiert. Er arbeitet nach Reuters-Angaben in der Moskauer Filiale einer chinesischen Staatsbank.

Den Wechselkurs zum Yuan im Blick: Frauen vor einer Wechselstube in St. Petersburg Bild: Dmitri Lovetsky/AP/picture alliance

Noch sei nicht klar, wie weit verbreitet dieser Schwenk russischer Firmen hin zu chinesischen Finanzinstituten ist. Aber der Trend zeige, so der anonyme Banker, dass viele der Unternehmen, die neue Konten suchen, Geschäfte mit China machen. Es sei also zu erwarten, dass die Yuan-Transaktionen solcher Firmen zunehmen werden.

Aktuell ist eine Handvoll chinesischer Staatsbanken in Moskau tätig, darunter die Industrial & Commercial Bank of China, die Agricultural Bank of China, die Bank of China und die China Construction Bank. Die genannten Banken hatten die Berichte weder bestätigt noch dementiert.

Ein chinesischer Geschäftsmann mit langjährigen Beziehungen zu Russland, der ebenfalls nicht genannt werden wollte, sagte, dass mehrere russische Unternehmen, mit denen er zusammenarbeitet, planen, Yuan-Konten zu eröffnen. "Es ist eine ziemlich einfache Logik. Wenn Sie keinen US-Dollar oder Euro verwenden können und die USA und Europa Ihnen viele Produkte nicht mehr verkaufen, haben Sie keine andere Wahl, als sich an China zu wenden. Dieser Trend ist unvermeidlich", so die Quelle gegenüber Reuters.

Dollar und Euro dominieren globale Finanzströme

Aber wie realistisch ist es, dass Russland seinen weitgehenden Ausschluss aus internationalen Geschäften in Dollar oder Euro damit ausgleicht, stärker auf die chinesische Währung zu setzen? China versucht seit Jahren, seine Währung Yuan international als Alternative zu US-Dollar und Euro zu etablieren.

Die Kräfteverhältnisse sprechen aber eine deutliche Sprache: Mehr als 77 Prozent aller bargeldlosen Transaktionen weltweit wurden 2021 in Dollar oder Euro abgewickelt. Der chinesische Yuan kommt gerade einmal auf einen Anteil von 2,7 Prozent.

Auch bei den globalen Devisenreserven führt der chinesische Yuan oder auch Renminbi, was "Währung des Volkes" bedeutet, ein Schattendasein.

Rund 60 Prozent aller Währungsreserven weltweit entfallen auf den Dollar, etwa 20 Prozent auf den Euro. An dritter Stelle lag Ende 2021 der japanische Yen mit knapp sechs Prozent, vor dem britischen Pfund mit knapp fünf Prozent. Platz fünf belegt der Yuan mit einem Anteil von rund 3 Prozent. Die Bedeutung der chinesischen Währung legte zwar im Vergleich zum Vorjahr um ein halbes Prozent zu und wird international als Reserve-Währung wichtiger. Doch das ist bei weitem kein Vergleich zu den satten 80 Prozent der globalen Devisenreserven in Dollar und Euro.

Die chinesische Zentralbank, die People's Bank of China, versucht seit Jahren, ihre Devisenreserven zu diversifizieren und das Gewicht von US-Staatsanleihen zu reduzieren. Aber mit einem Anteil von knapp 1,1 Billionen Dollar ist China nach wie vor der nach Japan zweitgrößte Inhaber von US-Treasuries. Das zeigen aktuelle Zahlen vom 15. Februar, die von der US-Notenbank Federal Reserve veröffentlicht wurden.

Yuan, UnionPay und CIPS

Nach dem Ausstieg der US-Kreditkartenriesen Mastercard, Visa und American Express aus dem russischen Markt haben russische Banken erklärt, dass sie jetzt verstärkt auf das chinesische UnionPay-System (siehe Artikelbild) ausweichen. Die Sberbank und Russlands größte Privatbank Alfa Bank hatten am Sonntag angekündigt, sie arbeiteten bereits an der Einführung von Karten des chinesischen Anbieters UnionPay. "Mit dieser Karte kann man Zahlungen in 180 Ländern der Welt tätigen", erklärte die Alfa-Bank-Gruppe. Den Angaben der Bank zufolge funktionieren russische Karten von Visa und Mastercard ab dem 8. März nicht mehr.

Wegen seiner Debitkarten beliebt: UnionPay-Werbung in einer Bankfiliale in Haian in der Provinz Jiangsu Bild: Costfoto/picture alliance

Russen, die sich derzeit außer Landes befinden, stehen somit vor einem Problem. "Wenn Sie sich im Ausland befinden, empfehlen wir Ihnen, Bargeld abzuheben", erklärte die Alfa Bank. Russischen Nachrichtenagenturen zufolge wollen auch die Rosbank, Tinkoff Bank und die Credit Bank of Moscow (MKB) auf Chinas Kreditkartensystem ausweichen.

Schon jetzt ist der chinesische Anbieter in Russland weit verbreitet, berichtet das "Handelsblatt". Nach Unternehmensangaben werden UnionPay-Karten an 85 Prozent aller Geldautomaten in Russland sowie Kreditkartenlesegeräten etwa in Geschäften, Supermärkten und Restaurants akzeptiert. Auch der größte russische E-Commerce-Anbieter Ozon ermögliche seit Mitte 2021 Zahlungen via UnionPay.

Russland setzt auf chinesisches Kredit-Kartensystem

Allerdings könnten die USA und die EU bei den Sanktionen nachschärfen, falls sich herausstellt, dass Russen über die UnionPay-Karte bisherige Zwangsmaßnahmen umgehen können. Dann, wenn etwa UnionPay russischen Kunden dabei hilft, aus dem Ausland auf ihr Vermögen in Russland zuzugreifen oder von Russland aus auf ihr Vermögen im Ausland, berichtet das "Handelsblatt".

UnionPay wird von einer Vereinigung von Banken in China betrieben, die Kreditkarten ausgeben. Nach eigenen Angaben gibt es mehr als neun Milliarden Karteninhaber weltweit, die mit der UnionPay-Kreditkarte bei mehr als 2500 Partnern in 180 Ländern bezahlen können. Mit einem Transaktionsvolumen von umgerechnet rund 150 Milliarden US-Dollar war UnionPay 2020 nach Visa die Nummer Zwei. Der Großteil des Umsatzes entfällt allerdings auf Debit-Karten chinesischer Kunden. Diese Bezahlkarten verfügen in der Regel über keinen Kreditrahmen.

Seit 2015 sind Bargeldabhebungen im Ausland mit UnionPay für Kunden chinesischer Banken auf den Gegenwert von rund 16.000 Dollar pro Jahr gedeckelt. Ob ein ähnliches Limit auch bei Transaktionen mit russischen Kunden greifen könnte, ist unklar. Dann würde UnionPay nämlich für russische Unternehmen und Oligarchen als Ersatz für American Express & Co. eher wenig taugen.

Russland stärken, die USA bei Laune halten: Außenminister Wang Yi mit US-Amtskollege Antony Blinken (li.)Bild: Tiziana Fabi/pool/AP/picture alliance

11.000 Nutzer bei Swift, 76 bei Chinas CIPS

China versucht seit Jahren, eine eigene digitale Währung zu etablieren, mit der künftig grenzüberschreitende Zahlungen abgewickelt werden sollen. Das ist aber Zukunftsmusik und wird Russland beim Umgehen aktueller Sanktionen kaum helfen, betonen Experten.

In den Kinderschuhen steckt auch Pekings Alternative zum westlich kontrollierten Zahlungssystem Swift, das Chinas Zentralbank 2015 unter dem Namen CIPS aus der Taufe gehoben hat und für Cross-Border Interbank Payment System steht.

China-Experten glauben, dass Peking mit CIPS nicht nur seine Partner bei Chinas neuer Seidenstraße (Belt and Road Initiative) besser vernetzen will. Mit CIPS sollen auch mögliche Sanktionen in der Zukunft umgangen werden, die bei einem Angriff der chinesischen Streitkräfte auf Taiwan wahrscheinlich wären.

Aktuell hat CIPS allerdings eher bescheidene Dimensionen: Gerade einmal 76 Finanz-Institute - vor allem Auslandsniederlassungen chinesischer Banken - sind direkte Nutzer von CIPS. Im Vergleich zum Interbanken-Nachrichtensystem von Swift mit rund 11.000 Teilnehmern ist es daher nur ein äußerst begrenztes Instrument zur Umgehung von Sanktionen. So lautet die Einschätzung von Analysten der Rhodium Group in einem Bericht vom 3. März. Die New Yorker Denkfabrik ist auf die Analyse wirtschafts- und finanzpolitischer Trends im globalen Maßstab spezialisiert.

"CIPS ist hauptsächlich für den Geldfluss zuständig, während der entsprechende Informationsfluss entweder über CIPS oder Swift laufen kann", schreiben die Experten des chinesischen Wirtschaftsportals CAIXIN in Peking in einem Beitrag für das japanische Finanzmedium "Nikkei Asia". Die beiden Systeme stehen also eher in einer symbiotischen Beziehung als in Konkurrenz zueinander, bringen es Mitarbeiter beider Systeme gegenüber CAIXIN auf den Punkt.

Der Greenback ist und bleibt die globale Reservewährung Nummer EinsBild: Abdurrahman Antakyali/Depo Photos/abaca/picture alliance

"Träges Währungssystem"

"CIPS hat nicht genügend teilnehmende Banken, obwohl es laut CIPS-Website im Februar 672 indirekte Teilnehmer aus Übersee - einschließlich Russland - gewinnen konnte. Es hatte nur 76 direkte Teilnehmer, meist Tochtergesellschaften oder Niederlassungen chinesischer Banken im Ausland."

Der springende Punkt dabei ist, dass nur direkte Teilnehmer Informationen über CIPS austauschen, "während indirekte Teilnehmer Informationen mit direkten Teilnehmern meist über Swift austauschen", so die Caixin-Analyse.

Der Ausschluss einer Reihe von russischen Banken von Swift kann sie nicht daran hindern, grenzüberschreitende Zahlungen mit anderen internationalen Finanzinstituten über CIPS abzuwickeln. Das Verbot bedeutet aber, dass die russischen Banken nicht mehr in der Lage sind, mit anderen Banken über Swift zu kommunizieren. Das heißt, sie müssen auf andere Wege der Kommunikation wie verschlüsselte Telegramme oder E-Mails ausweichen. Das sei ineffizient und kostspielig, so die CAIXIN-Experten.

Die Zukunft von CIPS hängt davon ab, wie erfolgreich China dabei ist, den Yuan international zu etablieren. Und das werde dauern, unterstreicht Edwin Lai gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Der Wirtschaftswissenschaftler lehrt an der Hong Kong University of Science and Technology.

"Das internationale Währungssystem ist sehr träge", sagt Lai, der ein Buch über den Yuan mit dem Titel One Currency, Two Markets mit dem Untertitel "Chinas Versuch, den Renminbi zu internationalisieren", geschrieben hat. Und meint damit: In der näheren Zukunft wird sich am globalen Gefüge bei Devisen und internationalen Finanztransaktionen nicht so schnell etwas ändern.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.