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Politik

Russlands Interessen in Libyen

Kersten Knipp | Hasan Hussein
19. Dezember 2019

Russland ist seit einigen Wochen militärisch auch in Libyen präsent. Moskau unterstützt General Haftar, der zum Sturm auf die Hauptstadt Tripolis ansetzt. Mit seinem Erfolg würde Russlands Einfluss in Libyen wachsen.

Russland Moskau Lawrow mit General Khalifa Haftar aus Libyen
Bild: picture-alliance/TASS/S. Savostyanov

Die Einladungen sind verschickt, und ihre Empfänger zeigen Interesse: Sowohl der russische Präsident Wladimir Putin wie auch sein türkischer Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan haben erklärt, die von der Bundesregierung für Januar geplante internationale Libyenkonferenz unterstützen zu wollen. Endgültig zugesagt haben beide noch nicht, doch lassen ihre Äußerungen hoffen, dass sie dies absehbar tun.

Die Bundesregierung versucht mit dem sogenannten Berliner Prozess, die Friedensbemühungen des UN-Sondergesandten Ghassan Salamé zu unterstützen. Die in diesem Rahmen geplante Konferenz will die Rahmenbedingungen für einen innerlibyschen politischen Prozess unter Vermittlung der Vereinten Nationen schaffen. Sollten Russland und die Türkei zusagen, wären auch zwei der wichtigsten internationalen Akteure in Berlin präsent.

Allerdings hat sich insbesondere Russland mehreren Medienberichten zufolge in den vergangenen Monaten in Libyen militärisch massiv engagiert. Dort habe sich ein entlang vieler, schwer auseinander zu dividierender Fronten erstreckender Kriegentfacht, sagt der am Geografischen Institut der Universität Gießen lehrende Libyen-Experte Andreas Dittmann. "Die Situation ist deshalb kompliziert, weil dort ein Stellvertreterkrieg im Stellvertreterkrieg stattfindet."

Ein der "Regierung der Nationalen Verständigung" verbundener KämpferBild: AFP/M. Turkia

Die Söldnertruppe "Wagner"

Seit September dieses Jahres ist Russland einem Bericht des Magazins "Foreign Policy" zufolge mit eigenen Kräften an diesem Krieg beteiligt. Dessen Korrespondent berichtet von der Ankunft von über einhundert Söldnern, die der so genannten "Wagner-Gruppe" angehörten - einer bestens ausgebildeten, höchst disziplinierten Einheit. Gefährlich seien vor allem deren Scharfschützen, resümiert das Magazin den libyschen Kommandanten Mohammed al-Darrat, der für die von Premier Fayiz as-Sarradsch geführte "Regierung der Nationalen Verständigung" kämpft: Ihre Schüsse in Brust und Kopf, so al-Darrat, liessen eine Professionalität erkennen, die er nie zuvor gesehen habe, und die für 30 Prozent der Todesfälle in seiner Einheit verantwortlich seien.

Auf diese Truppen bezog sich Anfang Dezember auch der türkische Präsident Tayyip Recep Erdogan, als er erklärte, sein Land wäre bereit, Truppen nach Libyen zu entsenden, sollte die Regierung as-Sarradsch darum bitten. Russland hat die Existenz dieser Truppe zwar bestritten, doch gab sich Erdogan davon nicht überzeugt. "Es gibt eine Sicherheitsfirma aus Russland mit dem Namen Wagner. Sie hat ihr Sicherheitspersonal dorthin (nach Libyen, Anm. d. Red.) entsendet", so Erdogan Medienberichten zufolge.

Die Söldnertruppe kämpft auf Seiten General Haftars, des starken Mannes der libyschen, im Osten des Landes residierenden "Gegenregierung", die sich selbst als legitime Repräsentanz der libyschen Bevölkerung sieht. Haftar, der einst in Moskau studierte, aber auch Jahre in den USA lebte, genoss bis zum Herbst dieses Jahres auch die Unterstützung von US-Präsident Donald Trump. Doch im November empfing er eine vom US-Botschafter in Libyen, Richard Norland, geführte Delegation aus Washington, die ihn nicht nur bedrängte, von seiner im Frühjahr begonnenen und zuletzt wieder verstärkt fortgesetzten Offensive in Richtung Tripolis zu lassen, sondern ihm auch erklärte, die USA seien besorgt über die "russische Ausbeutung des Konflikts auf Kosten des libyschen Volkes."

Moskaus Interessen

Zwar pflegt man im Kreml auch Kontakte zur Gegenregierung in Tobruk und haben russische Energieunternehmen Förder-Verträge mit der staatlichen "Nationalen Erdöl-Gesellschaft" geschlossen. Doch offenbar geht Putin davon aus, dass sich letztlich der auch von einigen Golfstaaten, aber auch von Frankreich unterstütze General Haftar durchsetzen wird.

So haben dessen Truppen seit 2016 fast alle wichtigen Ölfelder Libyens unter ihre Kontrolle gebracht. Bereits jetzt ist das russische Unternehmen Tatneft in dem von beiden Regierungen beanspruchten Ghadames Becken ganz im Westen des Landes aktiv.

Gelänge es Moskau, im libyschen Erdöl-Sektor eine größere Rolle zu spielen, hätte es auf dem internationalen Energie-Markt einen enormen Hebel in der Hand, den es auch politisch einsetzen könnte. Dasselbe gilt mit Blick auf die Migrationsbewegungen. Libyen ist in Afrika ein entscheidender Hotspot: Ein Großteil der in Richtung Europa drängenden Menschen nimmt den Weg durch Libyen. Könnte Moskau diese Bewegungen (mit)lenken, wäre es auch in dieser für Europa höchst wichtigen Frage ein kaum zu umgehender Akteur.

Opfer auch geostrategischen Kalküls: Flüchtlinge in SyrienBild: Getty Images(AFP/M. Turkia

Europa zögert

Europa halte sich angesichts dieser Entwicklung auffällig zurück, so der an der Universität Paris lehrende Historiker Adel al-Latifi. "Dieses Zögern Europas ist nicht neu. Man konnte es vorher in Syrien und sogar in der Ukraine beobachten. Dabei ist die Ukraine Europa noch viel näher", so al-Latifi im DW-Interview. "Hinzu kommt, dass Europa mit Blick auf Libyen nicht einig ist. So setzt sich Italien für die Regierung in Tobruk ein, Frankreich hingegen unterstützt General Haftar."

Zwar sind in Libyen einzelne europäische Staaten wie etwa Frankreich engagiert, Europa als ganzes aber hält sich zurück. Deutschland setzt auf Diplomatie. Andere Staaten hingegen ziehen es vor, ihre Interessen vor Ort durchzusetzen.

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika