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Russland Oligarchen

25. November 2011

Die Anzahl der Milliardäre in Russland nimmt zu. Doch die Zeiten, in denen die Oligarchen großen Einfluss auf die Politik des Landes ausübten, sind längst vorbei. Die "Lektion Chodorkowski" blieb nicht ohne Folgen.

Blick auf dem Moskauer Kreml (Foto: RIA Novosti)
Das Verhältnis der Oligarchen zum Kreml hat sich verändertBild: RIA Novosti

Kennen Sie Wladimir Lissin? Eine Internetsuche ergibt rund 5.500 Treffer. Nicht viel für jemanden, der als reichster Mann Russlands gilt. Das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" schätzte in diesem Jahr Lissins Vermögen auf 24 Milliarden US-Dollar. Einer breiten Öffentlichkeit ist der 55-jährige Chef des Stahlriesen NLMK aber weder in Russland noch im Ausland bekannt. Lissin ist medienscheu und agiert lieber im Hintergrund. Politische Ambitionen lässt er nicht erkennen, wie die meisten Oligarchen im heutigen Russland.

Michail Prochorow ist von der politischen Bühne Russlands verschwundenBild: DW

Einzige Ausnahme: Michail Prochorow. Mit rund 18 Milliarden US-Dollar ist er die Nummer drei auf der Forbes-Liste der reichsten Russen. Im Sommer hatte er für Aufsehen gesorgt. Er ließ sich zum Vorsitzenden der liberal-konservativen Partei "Gerechte Sache" wählen und wollte so an der Parlamentswahl am 4. Dezember teilnehmen. Mitte September trat er jedoch wegen eines internen Streits überraschend zurück und nannte seine Partei eine "Marionette" des Kremls. Inzwischen ist Prochorow von der politischen Bühne verschwunden.

"Lektion Chodorkowski"

Reiche Geschäftsleute wie Lissin oder Prochorow nennt man in Russland "Oligarchen". Ihre Anzahl hat sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht. Laut Forbes leben in Russland inzwischen 101 Dollar-Milliardäre. In den 1990er Jahren übten Oligarchen großen Einfluss auf die Politik aus, doch diese Zeiten sind längst vorbei.

Michail Chodorkowski sitzt seit 2003 im GefängnisBild: AP

Russlands reichste Männer haben aus der "Lektion Chodorkowski" gelernt, sagt Sergej Alexaschenko, ehemaliger Vizechef der russischen Zentralbank, der heute an der Moskauer Hochschule für Wirtschaft lehrt. Michail Chodorkowski, vor zehn Jahren Russlands reichster Mann, hatte sich mit dem damaligen Präsidenten Wladimir Putin angelegt. Öffentlich hatte der Öl-Milliardär den Kreml wegen der weit verbreiteten Korruption kritisiert. Kurz darauf wurde Chodorkowski verhaftet und wegen Steuerhinterziehung verurteilt, seine Öl-Firma "Yukos" zerschlagen. Trotz Kritik des Westens ist er bis heute in Haft.

Auch die Oligarchen Boris Beresowski und Wladimir Gussinski, die in den 1990er Jahren zu den mächtigsten in Russland zählten, haben ihren Einfluss längst verloren. Beide besaßen Medienimperien, beide kritisierten Putin und beide leben heute im Ausland. Die in Russland verbliebenen Oligarchen hätten begriffen, dass es aussichtslos sei, den Kreml herauszufordern, sagt Alexaschenko. Das gefährde nur die Geschäftsinteressen. "Heute arbeiten die Oligarchen mit der Regierung zusammen, sie betreiben ihre Lobbyarbeit im Hintergrund."

Opposition warnt vor Geheimdienstlern

Boris Nemzow verweist auf neue Oligarchen unter PutinBild: DW

Zwar hätten die Oligarchen heute weniger Einfluss als früher, dennoch seien sie nicht zu unterschätzen, meint der russische Oppositionelle Boris Nemzow, der unter Präsident Boris Jelzin Vizeregierungschef war. "Wenn Oligarchen Putins Partei 'Einiges Russland' Geld geben, ist das etwa kein Einfluss?", so der Politiker.

Nemzow zufolge sind gerade unter Putin viele neue Oligarchen aufgestiegen. "Heute werden diejenigen zu einflussreichen Milliardären, die gemeinsam mit Putin in Deutschland gedient oder mit ihm zusammen gearbeitet hatten, als er stellvertretender Bürgermeister in Sankt Petersburg war." Es seien vor allem Geheimdienstler, die "zu reichen Leuten werden". Namen, die der Oppositionspolitiker in diesem Zusammenhang nennt, sind wenig bekannt: Timtschenko, Tschemesow oder Rotenberg.

Oligarchen keine Buhmänner mehr

Führungsduo Dmitrij Medwedew und Wladimir PutinBild: picture alliance/RIA Novosti

Dass sich das Verhältnis zwischen Oligarchen und Staatsmacht seit den 1990er Jahren verändert hat, meint auch Michail Winogradow, Leiter der Stiftung "Petersburger Politik". Staatliche Unternehmen wie "Gazprom" hätten private Firmen verdrängt und würden den Ton angeben. Zum anderen hätten Oligarchen keinen Einfluss auf das Führungsduo Putin-Medwedew. Auch über die Machtverhältnisse in strategisch wichtigen Regionen Russlands werde meist ohne Oligarchen entschieden, so Winogradow.

Auch wenn der Kreml den Einfluss der Oligarchen einschränkt, betrachtet er sie nicht mehr nur als Buhmänner. Wie Oligarchen vom Staat inzwischen sogar umworben werden, wurde Ende August deutlich. Präsident Dmitrij Medwedew hatte vorgeschlagen, Milliardäre in Schulen zu schicken. Dort sollten die reichsten Russen den Schülern ihre "Erfolgsgeschichten" erzählen.

Autor: Roman Goncharenko / Jegor Winogradow
Redaktion: Markian Ostaptschuk

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