Die Bundesregierung will mit Russland über den Corona-Impfstoff Sputnik V sprechen. Gesundheitsminister Jens Spahn warnt jedoch vor einer "Fata-Morgana-Debatte".
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"Impfstoffe haben keine Ideologie", hatte Bayerns Ministerpräsident Söder schon gesagt, bevor er einen Vorvertrag über eine eigene Beschaffung des russischen Corona-Impfstoffs verkündete. Nun findet sein Vorstoß in Sachen Sputnik V bundesweite Nachahmer: Ja, auch er strebe bilaterale Gespräche mit Moskau über eventuelle Lieferungen dieses Impfstoffs an, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Allerdings müsse man sehr aufpassen, dass dies nicht zu einer "Fata-Morgana-Debatte" werde, warnte er im WDR.
Zulassung, Konditionen, Termine, Menge
Denn vor einer Bestellung von Sputnik V wären einige Hürden zu überwinden. Spahn verwies zunächst auf die Zulassung durch die EU. "Dafür muss Russland Daten liefern." Solange dies nicht geschehe, könne es keine Zulassung geben.
Die zweite Frage sei dann die der Bestellung, sagte Spahn. Die EU-Kommission habe erklärt, dass sie - anders als mit den anderen Herstellern wie BioNTech, Moderna und AstraZeneca - über Sputnik V keine Verträge schließen werde.
Und schließlich gehe es darum, wann überhaupt welche Mengen kommen könnten, sagte Spahn. "Um wirklich einen Unterschied zu machen in unserer aktuellen Lage, müsste die Lieferung schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen - ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff."
"Sputnik V kann nicht kurzfristig helfen"
Der Impfstoff-Beauftragte der EU-Kommission ist dementsprechend skeptisch. Auf die Frage, ob Präparate etwa aus Russland oder China dazu beitragen könnten, bis zum Sommer 70 Prozent der Erwachsenen in der EU zu impfen, schrieb Thierry Breton in einem Blog-Eintrag: "Ich fürchte, die Antwort ist nein."
Der Franzose betonte zwar, dass er keinen Grund habe, an der Effektivität, Sicherheit und Qualität jener Impfstoffe zu zweifeln, die außerhalb der EU entwickelt worden seien. Dies zu bewerten sei jedoch Sache der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Dort läuft die Prüfung seit Anfang März. Doch jedes Unternehmen, das einen neuen Impfstoff produzieren wolle, brauche mindestens zehn Monate, schrieb Breton weiter. Deshalb müsse man sich auf die Produktion jener Impfstoffe konzentrieren, die in der EU bereits zugelassen sind oder kurz davor stehen.
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Wie sicher ist die Produktion in Russland?
Das EU-Mitglied Ungarn hat Sputnik V im Februar eine nationale Zulassung erteilt und setzt das Mittel bereits ein. Auch die Slowakei und Tschechien haben Sputnik-V-Dosen bestellt, ohne auf die EMA-Zulassung warten zu wollen. Allerdings hat die Slowakei Impfstoff-Chargen aus Russland erhalten, die sich von denen unterscheiden, die von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" geprüft wurden. Die slowakische Arzneimittelbehörde SUKL kann die Vorteile und Risiken der 200.000 gelieferten Impfdosen nicht einschätzen. Deshalb und aufgrund fehlender Angaben des Herstellers werde der Impfstoff noch nicht verwendet.
Die deutschen Ministerpräsidenten sind uneins
Dessen ungeachtet sehen Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und der Gesundheitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Harry Glawe (beide CDU), große Chancen durch einen Ankauf des Corona-Impfstoffs Sputnik V. Doch während Sachsen-Anhalt dabei auf die Bundesregierung setzt, kündigte Mecklenburg-Vorpommern wie zuvor Bayern einen Alleingang an. Solche Sonderwege missfallen wiederum der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. "Für die Beschaffung der Impfstoffe ist die Bundesregierung zuständig", sagte die SPD-Politikerin.
rb/mak (AFP, dpa, Reuters)
Deutschland in der dritten Corona-Welle
Was für eine Gefühlsachterbahn: Deutschlands Corona-Infektionszahlen steigen zwar an, gleichzeitig gibt es aber auch wieder ein bisschen Normalität. Bilder aus einer turbulenten Zeit.
Bild: Matthias Rietschel/REUTERS
Von Öffnungen und Notbremsen
Deutschland im Corona-Winter: Wie geht es jetzt weiter? Beim Corona-Gipfel Anfang März beratschlagen Bund und Länder stundenlang. Die Furcht vor der britischen Mutante ist groß, gleichzeitig brauchen die Menschen eine Perspektive. Das Ergebnis: Der Lockdown wird verlängert, jedoch mit Öffnungsmöglichkeiten. Je nach Inzidenz gibt es Lockerungen oder eine Notbremse. Alle hoffen auf die Impfung.
Bild: Markus Schreiber/REUTERS
Deutschland in der dritten Welle
Mit Stand 18. März liegt der Corona-Inzidenzwert deutschlandweit bei 90, es gibt 3.000 Neuinfektionen mehr als noch vor einer Woche. Inwieweit sich das bei der Belegung der Intensivbetten bemerkbar machen wird, ist schwer absehbar. Viele über 80-Jährige sind mittlerweile wenigstens einmal geimpft. Laut RKI befindet sich das Land schon seit dem 11. März in der dritten Welle.
Bild: Ina Fassebnder/AFP/Getty Images
Der erste Piks in einer Arztpraxis
Der Berliner Arzt Andreas Carganico (r.) verabreicht dem 50-jährigen Krebspatienten Robert Marotky Mitte März den Impfstoff von AstraZeneca, Gesundheitsminister Jens Spahn ist bei der Premiere dabei. Für den Patienten eine große Erleichterung, er ist Vater zweier Schulkinder, wie er erzählt. In rund 150 Modell-Praxen in der Hauptstadt werden derzeit Abläufe für den breiten Einsatz geprobt.
Bild: Hannibal Hanschke/REUTERS
AstraZeneca: Der umstrittene Impfstoff
Der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca war Ende Januar in der EU zugelassen worden. Zunächst eine Erleichterung: Das Mittel lässt sich leichter lagern als das Vakzin von BionNTech. Doch die Impfungen werden wegen gesundheitlicher Bedenken am 15. März kurzzeitig ausgesetzt. Einige Politiker werben für den russischen Impfstoff Sputnik V.
Bild: Cathrin Mueller/REUTERS
Impfungen erhitzen die Gemüter
Die Impfkampagne der Bundesregierung ruft auch Kritiker und Verschwörungstheoretiker auf die Straße. Sie trauen den Impfstoffen nicht und fürchten eine Impfpflicht "durch die Hintertür", etwa durch den digitalen Impfpass. Doch noch steht nicht fest, wie mit Geimpften umgegangen werden soll und welche Rechte für sie gelten sollen.
Bild: Christian Mang/REUTERS
Corona-Demos in ganz Deutschland
In vielen deutschen Städten demonstrieren die Menschen weiter gegen die Corona-Auflagen. In München (Bild) versammelten sich mehrere Tausend Menschen unter dem Motto "Ein Jahr Lockdown-Politik - es reicht" in der Nähe des bayerischen Landtags. Die Polizei musste nach eigenen Angaben die Demonstration "wegen mehrerer nicht-eingehaltener Auflagen" auflösen.
Bild: Sachelle Babbar/Zuma/picture alliance
Streitort Schule
Auch die Schulen öffnen schrittweise wieder. Für die einen ein notwendiger Schritt: Gerade Kinder aus bildungsfernen Familien könnten sonst in der Corona-Pandemie den Anschluss an den Schulstoff komplett verlieren. Andere haben wiederum Angst vor weiteren Corona-Ausbrüchen im Klassenraum. Mehrere Städte fordern wegen steigender Zahlen wieder eine Schließung.
Bild: Sean Gallup/Getty Images
Locken für die Stimmung
Endlich wieder zum Friseur! Laut Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat ein schickes Haupthaar auch etwas mit "Würde" zu tun. Das dürften viele Deutsche ähnlich gesehen haben: Kurz nachdem bekannt wurde, dass die Friseure ab dem 1. März unter Auflagen wieder öffnen dürfen, waren viele Salons schon nach kürzester Zeit auf Wochen hinaus ausgebucht.
Bild: Matthias Rietschel/REUTERS
Die zögerlichen Kunden
Auch der Einzelhandel in den Innenstädten hat stark unter den Corona-Restriktionen gelitten und dürfte sehnsüchtig auf die Wiedereröffnung gewartet haben. Seit Anfang März haben die Läden wieder auf - doch nur mit Termin. Das Konzept Click & Meet stößt auf wenig Begeisterung, die Kunden bleiben vielfach aus. "Wir machen große Verluste", erklärt der Chef der Modekette Sinn, Friedrich Göbel.
Bild: Jens Schlueter/Getty Images
Museen mit Abstand
Auch die Museen öffnen schrittweise. Mit einem Zeitticket, Maske und viel Abstand können Besucher zum Beispiel wieder die Alten Meister in der Gemäldegalerie in Dresden bewundern. Auch die Kulturbranche leidet stark unter den Corona-Restriktionen. Viele Kulturschaffende warten noch immer auf versprochene staatliche Hilfszahlungen.
Bild: Matthias Rietschel/REUTERS
Schlange stehen für den Coronatest
Auch das hat sich geändert: Wer möchte, kann zum Beispiel in diesem Zelt in Dresden herausfinden, ob er oder sie sich mit dem Coronavirus angesteckt hat. Am 8. März hatte die Bundesregierung beschlossen, dass alle Bürger und Bürgerinnen sich einmal pro Woche kostenlos testen lassen können. Aber Achtung: Die Antigen-Schnelltests schlagen nur zuverlässig an, wenn man gerade infektiös ist.
Bild: Matthias Rietschel/REUTERS
Coronatests einfach shoppen
Wer möchte, kann sich seinen Coronaschnelltest auch einfach im Supermarkt besorgen und sich zu Hause selbst testen. Doch die Handhabung ist nicht ganz einfach, warnen Kritiker. Auch bei einem negativen Test darf man sich deshalb nicht in Sicherheit wiegen.