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Russlands TV-Propaganda

Janina Semenova2. September 2015

Faschisten in der Ukraine und der Feind USA: Solche Themen sind Alltag im staatlich kontrollierten russischen Fernsehen. Eine Umfrage belegt jetzt den Erfolg von Putins Propaganda-Maschinerie im TV.

Eine Frau schaut sich Putin im Fernsehen an (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Y. Kotchetkov

Als Angela Merkel, François Hollande und Petro Poroschenko sich kürzlich am ukrainischen Unabhängigkeitstag zu Gesprächen in Berlin trafen, zeigte der Sender "Rossija" (Russland) gleich zu Beginn eines Nachrichtenbeitrags einen Mann, der bei der Ankunft des ukrainischen Präsidenten auf Russisch "Poroschenko ist ein Faschist" schrie. Wer dieser Mann ist, bleibt offen. Doch es passt in das Muster im russischen Fernsehen: Fast täglich ist dort die Rede von angeblichen Faschisten in der Ukraine. Auch typisch an diesem Beitrag ist die unterschwellige Kritik am ukrainischen Präsidenten. Im Sprechertext wird auch verurteilt, dass Wladimir Putin zu dem Treffen nicht eingeladen wurde.

"Die Propaganda behauptet, dass Nationalisten, Ultranationalisten und Radikale in der Ukraine an die Macht gekommen sind, die die Russen in der Ostukraine bedrohen, und dass deshalb die Machthaber Russlands verpflichtet sind, sie zu verteidigen", sagte der russische Meinungsforscher und Soziologe Lew Gudkow bereits 2014 im DW-Interview. Diese Aussage trifft auch heute noch zu. Es sind immer dieselben Muster, die im russischen TV auftauchen: Die Fernsehbilder über den Krieg im Donbass sind oft sehr brutal und dramatisch, belegen aber nur, wie die ukrainische Armee schießt. Der Beschuss durch die Separatisten wird konsequent ignoriert. Es sei denn, man zeigt sie als diejenigen, die der Bevölkerung Schutz liefern.

Medienwirksam inszeniert: Putin unterwegs in einem U-Boot im Schwarzen MeerBild: Reuters/A. Novosti/RIA Novosti/Kremlin

Typisch ist auch die anti-amerikanische Linie des Fernsehens. Für alle Übel werden in der Regel die USA als Verursacher gesehen. Länder wie Deutschland oder Frankreich gelten beispielsweise hinsichtlich der Sanktionen gegen Russland als treue Gefolgschaft und Verbündete der USA. Währenddessen werden Russland, dessen Soldaten und vor allem der russische Präsident patriotisch gepriesen. Putin wird gerne auch heldenhaft inszeniert, wie erst kürzlich, als er bei seinem Besuch auf der von Russland annektierten Krim mit einem U-Boot auf Tauchgang ging.

"Russland muss auf Krieg eingeschworen werden"

Die russische Propagandamaschine scheint ihren Zweck zu erfüllen: Nach einer aktuellen Umfrage des unabhängigen Lewada-Meinungsforschungsinstituts in Moskau glaubt rund die Hälfte der Russen, dass ihr Fernsehen "viele nützliche und objektive Informationen" vermittele. Jeder fünfte Russe ist demnach der Auffassung, dass das Fernsehen ein "vollständiges und objektives Bild der Ereignisse" zeige.

Das Ergebnis der Umfrage, die im August durchgeführt wurde, wundert Christian Mihr, Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG), nicht. "Russland muss auf den Krieg eingeschworen werden. Medien spielen da eine wichtige Rolle", erklärt Mihr. Das Medium Fernsehen ist laut einer Umfrage der Stiftung für öffentliche Meinung (FOM) aus dem Juni 2015 für fast 90 Prozent der russischen Bevölkerung die Informationsquelle Nummer eins.

Ganz im Sinne des Kreml wird zum Beispiel der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow in den russischen Nachrichten klar als "Terrorist" bezeichnet. Er soll das Büro einer prorussischen Partei auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim in Brand gesetzt und geplant haben, eine Lenin-Statue in Simferopol in die Luft zu sprengen. Dafür wurde Senzow zu 20 Jahren Haft verurteilt. Internationale Menschenrechtsorganisationen stuften den Regisseur hingegen als politischen Häftling ein und kritisieren das Urteil. Senzow selbst bestreitet die Vorwürfe und berichtet von Folter in der Haft. Von alldem ist im Beitrag des Senders "Rossija" jedoch nicht die Rede, es geht nur um die Verurteilung wegen eines geplanten Terroranschlags.

Oft würde im russischen Fernsehen nur die halbe Wahrheit erzählt, so Christian Mihr. "Wir beobachten jetzt aber verschärft ein 'echtes Lügen'", sagt Mihr, der selbst eine Zeit lang in Russland gelebt hat. Sein "Lieblingsbeispiel", wie er es etwas ironisch bezeichnet, ist der Protagonist Andrej Petkow oder Petchow, der im April 2014 vom russischen Fernsehen interviewt wurde. Drei Fernsehsender zeigten ähnliche Bilder desselben Mannes im Krankenhaus mit verbundener Nase, erzählten aber immer eine andere Geschichte.

Mal war Petkow im russischen "NTW" ein deutscher Spion, der den Maidan unterstützt, oder für den Kanal "Rossija 1" ein Ukrainer, der gegen seine Regierung demonstrieren wollte und dabei von Neonazis attackiert wurde. In einem Beitrag eines Fernsehsenders auf der Krim war er ein Chirurg, der helfen wollte und dabei von Faschisten angegriffen wurde. "Solche Beispiele gibt es zuhauf", sagt Mihr.

Verwirrung durch "Mix der Wahrheiten"

Die ehemalige ARD-Russlandkorrespondentin Ina Ruck erklärte: "Russlands Staatsfernsehen spricht offen vom 'Informationskrieg' - und Russlands Propaganda mischt kräftig mit im Mix der vielen Wahrheiten. So viele Theorien über den Abschuss der MH17 wurden ins Spiel geworfen, dass der genervte Leser am Ende keine mehr glaubt." Das Flugzeug der Malaysia Airlines war im Juli 2014 über der Ostukraine unterwegs. Bei dem immer noch ungeklärten Abschuss starben alle 298 Insassen. In Russland gab es die Theorie, dass die ukrainische Armee eigentlich ein Flugzeug abschießen wollte, in dem Putin saß. Im russischen Sender "Rossija" hieß es, dass die Menschen an Bord des Flugzeugs bereits vor dem Start nicht mehr am Leben gewesen seien und nur den Separatisten die Schuld zugeschoben werden sollte. Auch von einer Bombe im Flugzeug war die Rede.

Der vom Kreml finanzierte Auslandssender "RT" sendet unter anderem auf EnglischBild: picture-alliance/dpa

In dem ROG-Bericht "Kreml auf allen Kanälen - wie der russische Staat das Fernsehen lenkt" ist die Rede von einer "langfristigen, systematischen Gleichschaltung des Fernsehens". Der vor zwei Jahren erschienene Bericht ist auch heute noch aktuell. "Seit der Veröffentlichung ist die Propaganda im russischen Fernsehen sogar noch schlimmer geworden", sagte der ROG-Geschäftsführer Christian Mihr im DW-Interview.

Die größten landesweiten Fernsehkanäle gehören mittlerweile entweder der staatlichen Medienholding oder kremlnahen Oligarchen und Konzernen. Hinzu kommt noch der vom Kreml finanzierte Auslandssender "RT", ehemals "Russia Today", der in verschiedenen Sprachen sendet und über ein Budget von rund 15,4 Milliarden Rubel (ca. 263,2 Millionen Euro) für 2015 verfügt, wie der Sender im Januar bekanntgab. Laut Mihr gebe es bis auf den Sender "Doschd" (Regen) keine wirkliche unabhängige und regierungskritische Stimme mehr. Der Sender ist jedoch größtenteils nur noch über das Internet empfangbar, nachdem er 2014 von den großen russischen Satelliten- und Kabelanbietern aus dem Programm genommen wurde.

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