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Wink mit der Kalaschnikow

Steffen Leidel 23. Juli 2008

Russland plant angeblich, Langstreckenbomber auf Kuba zu stationieren. Aus den USA ist zu hören, damit sei eine "rote Linie" überschritten. Töne wie im Kalten Krieg. Was steckt hinter der Rhetorik aus der Mottenkiste?

Die Tupolev TU-160 and TU-95 (Quelle: dpa)
Die russischen Langstreckenbomber haben eine Reichweite über 10.000 KilometerBild: picture-alliance /dpa

Anfang der Woche veröffentlichte die kremlnahe Zeitung Iswestija einen Artikel, der unangenehme Erinnerungen an die Kuba-Krise von 1962 weckte. Damals stand die Welt am Rande eines dritten Weltkrieges. Der schwere diplomatische Konflikt hatte sich an der Stationierung russischer Atomwaffen auf Kuba entzündet.

Eskalation 1962: amerikanische Aufklärungsflieger entdeckten auf Kuba Abschussrampen für sowjetische Raketen, die Nuklearsprengköpfe tragen könnenBild: AP

Fast ein halbes Jahrhundert später war nun in der russischen Zeitung zu lesen, Russland erwäge Langstreckenbomber nach Kuba zu verlegen, aus Protest gegen das geplante US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa. Als Quelle diente ein namentlich nicht genannter Offizier. Konkret handele es sich um strategische Bomber des Typs Tu-160 und Tu-95MC.

Chávez poltert

Zusätzliches Öl ins Feuer goss noch der venezolanische Präsident Hugo Chávez bei seinem Besuch in Moskau am Dienstag (22.07.2008): Bei seinem Treffen mit Kremlchef Dmitri Medwedew verkündete er nicht nur neue Waffengeschäfte mit Russland. Er bot dem russischen Militär an, Stützpunkte in Venezuela zu errichten. "Russland hat viele Möglichkeiten, sich in der Welt in Stellung zu bringen. Wenn die russischen Streitkräfte gern in Venezuela Basen errichten möchten, sind sie herzlich willkommen", sagte der selbsternannte US-Feind Chávez.

Eine offizielle Stellungnahme von russischer Regierungsseite zu dem Angebot gab es nicht. Die US-Regierung kritisierte das geplante Waffengeschäft zwischen beiden Ländern scharf. Es überschreite die Verteidigungsbedürfnisse des lateinamerikanischen Staates klar, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington am Dienstag. Die Meldung über die Stationierung von Langstreckenbombern versuchte man allerdings zunächst zu ignorieren.

US-General: "Rote Linie überschritten"

Doch dann gab es doch noch einen Kommentar aus Kreisen des US-Militärs. Mit einer Stationierung von russischen Raketen auf Kuba würde "eine rote Linie für die USA überschritten", sagte der designierte Luftwaffen-Chef General Norton Schwartz bei einer Anhörung des Senats in Washington. Die USA könnten Russland nur raten, "diesen Ansatz nicht zu verfolgen".

Worte wie aus Zeiten des Eisernen Vorhangs. Doch wie ernst muss man sie nehmen. Ist das alles nur viel Lärm um Nichts? Experten sind sich einig: Eine neue Kuba-Krise droht nicht, doch die Lancierung der Meldung sei auch kein Zufall.

Kunde mit Petrodollars: Hugo Chávez traf sich mit dem russischen Präsidenten Medwedew und deckte sich mit Waffen einBild: AP

Eine Stationierung von Langstreckenbombern auf Kuba mache für Russland militärisch keinen Sinn, sagt Gerhard Mangott, Russland-Experte an der Universität Innsbruck. Russland habe im Augenblick rund 80 strategische Bomber, die meisten vom Typ Tu-160. "Die haben einen Einsatzradius von 13.000 Kilometer. Von jeder Basis in Russland können sie also das gesamte US-amerikanische Territorium erreichen." Eine Luftwaffenbasis auf Kuba sei deshalb schlicht unnötig.

Verbale Drohgebärden

Dennoch steckt offenbar das russische Militär hinter der Meldung in der Zeitung. Mangott sieht die Information als Teil einer "rhetorischen Drohgebärdenkulisse" gegen die geplante Stationierung von US-Abwehrraketen in Polen und einer Radaranlage in Tschechien. Russland sieht sich dadurch von Washington in seiner Sicherheit bedroht.

Daniel Flemes vom Giga-Institut für Lateinamerikastudien in Hamburg argumentiert ähnlich. "Das Engagement Russlands in Lateinamerika ist zuvorderst ein an Washington gerichteter 'Wink mit der Kalaschnikow'", so der Experte. "Russland hat keine Sicherheitsinteressen in Lateinamerika."

Dass Russland sich in jüngster Zeit mehr in Lateinamerika engagiert, hat vor allem mit wirtschaftlichen Erwägungen zu tun. "Dass man jemanden wie Chávez immer wieder empfängt, liegt daran, dass er ein guter Kunde der russischen Rüstungsindustrie ist", sagt Mangott. Auch im Energiebereich – Venezuela ist der sechstgrößte Erdölproduzent der Welt - sehen russische Unternehmen Potential. Wie aus Diplomatenkreisen zu vernehmen ist, sei Chávez für die russische Seite ein "peinlicher und unangenehmer" Gast, dessen Äußerungen Russland eher schadeten.



Venezuela hat riesige ErdölreservenBild: DW/Steffen Leidel

Russlands militärische Antworten

Auch wenn eine Stationierung russischer Bomber auf Kuba auszuschließen ist, wird eine militärische Antwort Russlands auf das US-Abwehrschild nicht ausbleiben. Mangott rechnet mit einem weiteren Verfall der einst mühsam ausgehandelten Abrüstungsarchitektur zwischen den USA und Russland. "Ich gehe davon aus, dass Russland taktische Nuklearwaffen nach Kaliningrad verlegt und dort auf U-Booten stationiert." Damit würde Russland informell getroffene Vereinbarungen von Anfang der 1990er Jahre übergehen. Dieses Szenario halte er für "sehr, sehr wahrscheinlich". Auch eine Aufkündigung des Vertrages Russlands zur Vernichtung aller Mittelstreckenraketen (INF) will Mangott nicht ausschließen. Die Antworten Russlands auf das US-Raketenschild in Osteuropa würden Europa treffen, und zwar negativ.

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