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Im Sog der RWE-Krise

Klaus Deuse13. Oktober 2015

Die kommunalen Aktionäre, die 24 Prozent der Anteile am Energiekonzern RWE besitzen, müssen mit einer drastischen Reduzierung der Dividende auf 50 Cent rechnen. Dadurch fehlen den Kämmerern mehrere Millionen Euro.

BdT Ruhrgebiet
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Im Zuge der Energiewende ist der Energieriese RWE, nach EON Deutschlands zweitgrößter Versorger, in arge Bedrängnis geraten. Die Aktie des Unternehmens befindet sich im Sinkflug. Kostete sie 2008 noch rund 100 Euro, so stürzte der Wert mittlerweile in Richtung Zehn-Euro-Marke ab. Selbst einen Abstieg aus dem Deutschen Aktienindex (DAX) halten Brancheninsider bei anhaltender Talfahrt nicht für ausgeschlossen.

In den Abwärtssog von RWE sind auch die Städte und Gemeinden im Ruhrgebiet geraten, die rund 24 Prozent der Unternehmensaktien halten. In der Vergangenheit konnten die vom Strukturwandel gebeutelten finanzschwachen Städte durch die jährlich gezahlten Dividenden in Millionenhöhe so manches Loch im Haushalt stopfen. 2012 etwa überwies RWE den kommunalen Aktionären noch rund 350 Millionen Euro. Aber jetzt, wo sie pro Aktie wahrscheinlich mit nur noch 50 Cent rechnen können, drohen spürbare Einschnitte.

"Wir hatten mal vier Euro pro Aktie, also insgesamt eine Größenordnung von 20 Millionen Euro", erinnert sich der Bochumer Kämmerer Manfred Busch fast wehmütig. Zeiten, von denen er und seine Kollegen in den Nachbarkommunen nur noch träumen können. Die jährlichen Gewinnausschüttungen des Energieunternehmens waren eine feste Größe bei der Kalkulation der Haushalte. Bis vor einem Jahr, als es lediglich noch eine Schmalspurdividende von einem Euro gab.

Der Rotstift regiert

Direkt und indirekt gehören zum Beispiel Bochum rund 6,8 Millionen RWE-Aktien. Die Nachbarstadt Essen besitzt 18 Millionen Aktien. Die Folgen einer Halbierung der Dividende auf 50 Cent mag Essens Kämmerer Lars Martin Klieve noch gar nicht abzuschätzen. Bei einer aufgelaufenen Verschuldung von 3,3 Milliarden Euro der Ruhrgebietsstadt fällt die Einbuße von neun Millionen Euro durch die gekürzten RWE-Dividenden ins Gewicht. So fehlt zum Beispiel Geld, um wie bislang den städtischen Nahverkehr halbwegs aus den roten Zahlen zu bugsieren.

Energiewende in Deutschland

03:02

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Notgedrungen hat die Stadt Essen, die drei Prozent der RWE-Aktien hält, bereits eine Wertkorrektur in Höhe von 800 Millionen Euro vorgenommen. In Anbetracht des dramatischen Kursrückgangs der Aktie in den letzten Monaten kommt Kämmerer Klieve zum Jahresende um eine weitere Wertkorrektur aber wohl nicht herum. Die aktuelle Energiepolitik und die daraus resultierenden Folgen für RWE führen nach Einschätzung des Kämmerers der Stadt Herne, Hans-Werner Klee, absehbar dazu, "dass die städtischen Handlungsmöglichkeiten weiter eingeschränkt werden."

Auch Bochums Kämmerer Manfred Busch kann Sparmaßnahmen nicht ausschließen. "Das heißt leider auch ganz klar: Reduzierung von Öffnungszeiten, Einschränkung von Angeboten. Sonst geht es nicht. Aber wir wollen nicht unattraktiv werden als Stadt.“ Das gilt für Bochum wohl noch mehr als für andere Ruhrgebietsstädte. Nachdem das Bochumer Werk des Autobauers Opel im vergangenen Jahr geschlossen wurde, sind bereits zahlreiche Arbeitsplätze verloren gegangen.

Keine Hoffnung auf Trendwende

Der Absturz der RWE-Aktie hinterlässt tiefe Spuren in den städtischen Haushalten. Ob in Duisburg, Essen, Mülheim, Oberhausen oder Bochum. "Alle Städte haben mit hohen Defiziten zu kämpfen. Und gerade im Ruhrgebiet aufgrund der Strukturschwäche tun wir uns schwer, Alternativen aufzubauen", sagt Bochums Kämmerer. Vor der Energiewende gehörten RWE-Aktien zum Tafelsilber der Kommunen, das Geld in die Kassen hätte bringen können. Doch das hat sich, so Manfred Busch, gravierend geändert. "Je niedriger der Kurs wird, desto uninteressanter ist die Verkaufsvariante. Aber Gedanken macht man sich natürlich schon."

Bochums Kämmerer Dr. Manfred BuschBild: Frank Gazon

Dass der Energiekonzern die Trendwende schafft und die RWE-Aktie sich alsbald erholt, daran allerdings glaubt Bochums Kämmerer Manfred Busch ebenso wenig wie seine Kollegen in den Nachbarstädten. "Die Wirklichkeit ist wahrscheinlich eine andere. Die Energiepolitik lässt es nicht zu. Und die Klimapolitik auch nicht. RWE lebt von Braunkohlekraftwerken. Das ist nicht die Zukunft. Und ob der Umbau des Konzerns so schnell gelingen kann, das ist fraglich.“

Kommunen wie Bochum bleibt nichts anderes übrig, als die Bürger durch Anhebung von Abgaben stärker zur Kasse zu bitten. Busch nennt ein paar Beispiele. "Wir haben - wie alle anderen Städte auch - die Hundesteuer erhöht. Insbesondere haben wir auch die Grundsteuer mehrfach erhöht, um die steigenden Belastungen finanzieren zu können und die Defizite nicht weiter steigern zu müssen." Durch den rapiden Wertverlust der RWE-Aktie von rund 40 Prozent in kurzer Zeit kommen die Kämmerer aus dem Kreis der kommunalen Aktionäre nicht herum, den Rotstift weiter anzusetzen.

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