1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Südafrika: Der Trend geht zum Zweitpass

Martina Schwikowski
11. Oktober 2018

Viele Südafrikaner leben bereits im Ausland, andere denken darüber nach. Gründe sind Arbeitssuche und sie Sorge vor politischer Instabilität in ihrem Heimatland. Aber nicht jeder neue Passbesitzer wandert am Ende aus.

Reisepässe - Polnischer, Kanadischer, französischer und Irischer Reisepass
Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Widak

Reisepässe anderer Länder stehen bei Südafrikanern hoch im Kurs. Laut Experten soll die Zahl der Antragsteller dieses Jahr auf einen Rekordwert steigen. Viele Südafrikaner leben auch ohne Zweitpass im Ausland. "Diesen Trend gibt es seit Jahren in Südafrika. Wenn das Vertrauen in das eigene Land sinkt, dann wollen mehr Leute sicher stellen, dass sie im Notfall gehen können. Das heißt nicht, dass sie wirklich abreisen", sagt Angel Jones im DW-Interview. Ihre Headhunter-Firma "Homecoming Revolution" sucht im Auftrag südafrikanischer Firmen nach Landsleuten im Ausland, um sie als Arbeitskräfte zurückzuholen.

2017 lebten nach Angaben der Statistik-Firma "Eighty20" rund 900.000 Südafrikaner im Ausland. Die meisten von ihnen finden sich in Großbritannien (210.000), Australien (190.000), den Vereinigten Staaten (100.000), Neuseeland (60.000) und Kanada (50.000). Die politische Situation in Südafrika sei schon immer ein ausschlaggebender Faktor für die Entscheidung gewesen, ins Ausland zu gehen, sagt Jones. Als der damalige  Präsident Jacob Zuma 2015 überraschend Finanzminister Nhlanhla Nene entließ, habe es eine Welle von Anfragen  gegeben. Das südafrikanische Innenministerium veröffentlicht keine offiziellen Zahlen über Bürger, die das Land verlassen oder  zurückkommen. "Homecoming Revolution" bezieht seine Erkenntnisse nach eigenen Angaben aus Gesprächen mit Umzugsfirmen, Privatschulen und anderen Quellen.

"Hassliebe zu Südafrika"

"Jetzt ist es die anstehende Landreform, die vielen Kopfschmerzen bereitet", sagt Jones. "Ähnlich war es im Laufe der Jahre mit der Kriminalität und der Stromkrise. Wir haben alle eine Hassliebe zu Südafrika." Das Thema Land ist besonders emotional: Weiße Südafrikaner stellen nur gut 10 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber auch Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid gehören ihnen noch 72 Prozent aller privaten landwirtschaftlich genutzten Flächen. Teile der Opposition und der armen schwarzen Bevölkerung fordern daher eine schnelle Umverteilung des Besitzes. Die Regierungspartei ANC hat Pläne für eine Verfassungsänderung angekündigt, die Landenteignungen auch ohne Entschädigungszahlungen ermöglichen könnte.

Bevor sie in die EU oder die Vereinigten Staaten fliegen, brauchen Südafrikaner ein Visum.Bild: picture-alliance/AP Photo/T. Hadebe

Präsident Ramaphosa versuche, ausländische Investoren und die arme Bevölkerung gleichermaßen mit seinen Plänen zur Landenteignung zu umwerben, meint Jones: "Es wäre besser, wenn er sich klarer zur Landfrage äußern könnte". Bisher galt Ramaphosa, der lange als erfolgreicher Geschäftsmann tätig war, bei vielen Südafrikanern als Hoffnungsträger. Nach Angaben von "Homecoming Revolution" hat sich die Zahl der Rückkehrer zwischen Ende 2017 und März 2018 - wohl mit Blick auf die Regierung Ramaphosas - verdreifacht. Das sei jetzt abgeflaut, sagt Jones.

Abwanderung von Fachkräften hat Folgen

Die Karrieremöglichkeiten im Ausland seien besonders für junge Südafrikaner attraktiv, sagt Jones. Das habe aber zu einer besorgniserregenden Entwicklung geführt: Junge Lehrer erhielten beispielsweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten gute Arbeitsangebote. Sie fehlen aber dem südafrikanischen Bildungssystem. Jonty Leon, Manager bei der südafrikanischen Firma "Financial Emigration" sieht es noch drastischer:  "Wir verlieren unsere Ärzte, Ingenieure, Anwälte und Spezialisten in der Finanzindustrie. Das sind Top-Verdiener und wichtige Steuerzahler."

Malta ist eines der beliebten Ziele, weil es Staatsbürgerschaften gegen Investitionen anbietetBild: picture-alliance/dpa/T. Schulze

Nach interessanten Alternativen zur Heimat suchen auch ältere südafrikanische Männer. Ihr Vorteil ist Geld. Damit erkaufen sie sich einen Weg zu legalen Aufenthalten in Europa. "Die meisten unserer Kunden wollen nicht sofort auswandern, sondern einen Plan B in der Tasche haben", sagt Amanda Smit. Sie leitet das Kapstadt-Büro der Londoner Firma Henley & Partners, einem weltweit tätigen Beratungsunternehmen für Staatsbürgerschaften und Wohnsitze.

Traumziel Moldau?

In ihrem Büro sei die Zahl der Anträge auf Zweitpässe innerhalb eines Jahres um 229 Prozent gestiegen, erzählt Smit. 55 Prozent seien weiße, 45 Prozent schwarze Südafrikaner. Die beliebtesten Länder für einen Aufenthalt sind auf den ersten Blick eher überraschend:  Malta, Zypern, die Republik Moldau und Portugal. Dafür gibt es jedoch einen einfachen Grund: Pässe dieser Länder sind vergleichsweise einfach zu bekommen. "Sie können die Staatsbürgerschaft durch Investitionen im Land oder den Kauf von Grundbesitz erwerben. Die Vorschriften variieren", sagt Smit im DW-Interview.

"Das sind Menschen, die sich über die wirtschaftspolitische Lage sorgen und ihren Kindern künftig eine gute Erziehung bieten wollen. Aber auch Geschäftsleute, die bereits Kapital dort besitzen und mobiler sein wollen", sagt Smit. Der südafrikanische Reisepass ermögliche nämlich die visafreie Einreise in nur 102 Länder. Die mächtigsten Wirtschaftszentren wie die Vereinigten Staaten, Großbritannien und der Schengen-Raum seien mit anderen Pässen einfacher zu erreichen. "Niemand will aus Südafrika weglaufen", sagt Smit. Aber einen Plan B wollen offenbar viele.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen