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PolitikSüdafrika

Südafrika: Einheitsregierung streitet über Ukraine-Abkommen

Martina Schwikowski
30. Oktober 2024

In Südafrikas Einheitsregierung gibt es den ersten Koalitionskrach: Präsident Cyril Ramaphosa vom ANC ist gerade erst aus Russland zurück, als sein Innenminister mit einem Vertrag vorprescht - mit der Ukraine.

Südafrika Politik I Präsident Cyril Ramaphosa im Parlament
Außenpolitisch düpiert: Südafrikas Präsident Cyril RamaphosaBild: Rodger Bosch/AFP via Getty Images

Das moderne Südafrika erlebt in diesem Jahr so einige erste Male: Die einstige Befreiungsorganisation ANC verfehlte erstmals die absolute Mehrheit bei den Parlamentswahlen. Daraufhin bildete sie die erste Koalitionsregierung des Landes: Der ANC, die bislang stärkste Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) und sieben kleinere Partner bildeten eine "Regierung der nationalen Einheit" (GNU). Und nun, knapp vier Monate nach Amtsantritt, erlebt Südafrika seinen ersten handfesten Koalitionskrach.

Auslöser war eine Unterschrift von Innenminister Leon Schreiber - unter einem Abkommen mit der Ukraine. Beide Länder sichern darin gegenseitige Visafreiheit zu für Inhaber von Diplomaten-, Amts- und Dienstpässen. Der DA-Politiker nannte die Ukraine einen "geschätzten Verbündeten und Freund" und erklärte, er freue sich auf die noch ausstehende Unterschrift von Präsident Cyril Ramaphosa (ANC). Dieser Satz machte deutlich: Schreiber war im Alleingang vorgeprescht.

Denn der wesentlich stärkere Koalitionspartner ANC sieht das ganz anders: "Es ist unklar, wie der Minister die Unterzeichnung eines internationalen Abkommens ohne vorherige formelle Genehmigung ankündigen kann", sagte Präsident Cyril Ramaphosas Sprecher Vincent Magwenya und löste damit Spekulationen über heftigere Reaktionen hinter den Kulissen aus.

Keine gemeinsame Außenpolitik

Im Hintergrund geht es um Grundsätzliches: Beide Koalitionspartner haben außenpolitisch stark voneinander abweichende Vorstellungen. Und das ist nicht neu. "Es gibt keinerlei Zusammenhalt zwischen ANC und DA in außenpolitischen Fragen, es finden keine Diskussionen statt, und so werden die Differenzen zutage treten", sagt der politische Analyst Daniel Silke zur DW. 

Südafrika will die Visapflicht für ukrainische Diplomaten abschaffenBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Es gebe aktuell ein Gerangel zwischen diesen beiden Parteien, in dem sie austesteten, inwieweit sie unabhängig denken und sich deshalb noch voneinander abgrenzen können, fügt er an.

Der Zeitpunkt der Ankündigung zur Visa-Regelung für die Ukraine und Südafrika untergrabe laut Silke die historisch engen Beziehungen, die der ANC mit Russland wegen der sowjetischen Unterstützung im Anti-Apartheidkampf habe.

Späßchen mit dem "geschätzten Verbündeten": Cyril Ramaphosa lacht beim BRICS-Gipfel mit Gastgeber Wladimir Putin. Vor einem Jahr war Ramaphosa Gastgeber - und Putin reiste nicht an, da ihm in Südafrika die Vollstreckung eines Internationalen Haftbefehls gedroht hätte.Bild: Maxim Shipenkov/AP/picture alliance

Daher war es keine Frage, dass Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa auch vergangene Woche zum BRICS-Gipfel auf Einladung von Staatschef Wladimir Putin nach Russland reiste und Russland als einen "geschätzten Verbündeten" Südafrikas bezeichnete - genau die Wortwahl, die Schreiber später auf die Ukraine bezog.

Ramaphosas freundschaftlicher Umgang mit Putin stieß auf scharfe Kritik des DA-Vorsitzenden John Steenhuisen. Der betonte, dass die DA ein autoritäres Regime - insbesondere eines, das in einen umstrittenen militärischen Konflikt verwickelt ist - nicht als legitimen Verbündeten anerkenne. Keiner der Kabinettsminister der DA begleitete Ramaphosa zum BRICS-Gipfel nach Kasan.

Unzufriedenheit in der Einheitsregierung

Politik-Analyst Lesiba Teffo wunderte sich in einem Interview im südafrikanischen Fernsehsender SABC über den Wirbel, der auf Steenhuisens Äußerung folgte. "Das ist für mich keine Überraschung, die DA hat in ihrer Geschichte nie eine pro-russische Position eingenommen, die Partei orientiert sich am Westen, an den Vereinigten Staaten",  sagte Teffo. 

Die DA gilt als unternehmerfreundlich und sucht mehr Anbindung an westliche Politik. Der ANC dagegen verfolgt engere Beziehungen mit den BRICS-Staaten - also Russland, Brasilien, China und Indien sowie seit Jahresbeginn auch Äthiopien, Ägypten, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate. Seit der ANC an der Macht ist, gilt jedoch für die ehemalige Befreiungspartei das Prinzip der Blockfreiheit. 

Die Democratic Alliance von John Steenhuisen will Südafrikas Anbindung an den Westen vorantreibenBild: Nardus Engelbrecht/AP/picture alliance

Beide Parteien müssten mehr Reife zeigen, fordert Teffo. "Sie müssen sich einfach mit der Tatsache abfinden, dass sie miteinander arbeiten müssen."

Denn im Grundsatz trägt der ANC das Abkommen mit der Ukraine mit - die vorherige ANC-Alleinregierung hatte die Pläne sogar angestoßen: Präsidentensprecher Magwenya räumte ein, dass die Gespräche mit der Ukraine über die Befreiung von der Visumspflicht schon 2020 begannen, aber es kam aufgrund der Pandemie zu Verzögerungen. "Das Abkommen wird die Reisen unserer hochrangigen Beamten, die an den Gesprächen über die Friedensformel teilnehmen, erleichtern", so der Sprecher.

Auch auf der Webseite des Präsidenten war bereits die bevorstehende Unterzeichnung angekündigt worden, bevor DA-Minister Schreiber den Schritt öffentlich machte. Allerdings sollten noch einige Absprachen mit der Ukraine vor der geplanten Unterzeichnung vollzogen werden. Zumal die Ukraine auch eine Befreiung von der Visumspflicht für alle ihre Bürger erreichen wollte.

GNU wird nicht an ihrer Außenpolitik scheitern

Moletsi Mbeki, Vorsitzender des South African Institute of International Affairs (SAIIA) findet den Disput innerhalb der GNU etwas übertrieben. Er sagte im südafrikanischen Sender Newzroom Afrika, dass Kabinettminister sich an ein bestehendes Protokoll der Kommunikation halten müssten - Beschlüsse würden durch offizielle Regierungskanäle verkündet. Egal, ob es der DA passe oder nicht, erläuterte Mbeki, der Bruder des früheren Präsidenten Thabo Mbeki.

Der öffentliche Streit spiegelt jetzt die allgemeine Unzufriedenheit innerhalb des Regierungsbündnisses wider, glaubt Analyst Daniel Silke. Es sei jedoch ein unangenehmes Arrangement, da von einem Land erwartet werde, dass es eine kohärente Außenpolitik betreibe, die eine nationale Politik darstelle. Der ANC sei verärgert, dass der nationale Ansatz in der Außenpolitik nun von der DA in Frage gestellt werde. "In Bezug auf den Koalitionsvertrag hat der ANC erwartet, dass er als größere Partei weiter die außenpolitische Richtung in Südafrika vorgibt, die eindeutig viel russlandfreundlicher ist als die Politik der DA", sagt Silke zur DW.

Die Demokratische Allianz, Oppositionspartei und Regierungspartner, protestiert wegen Stromabschaltungen 2023Bild: Ihsaan Haffejee/AA/picture alliance

Dieser Richtungsstreit wird sich laut Silke in einer Reihe von politischen Fragen innerhalb der GNU fortsetzen, wenn die Schonzeit zu Beginn der gemeinsamen Regierung vorbei ist und innenpolitische Entscheidungen getroffen werden müssen, insbesondere zur Wirtschaft im Inland. Südafrika steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit, Preissteigerungen, wiederkehrenden Stromausfällen und einer desolaten Infrastruktur. 

"Die Außenpolitik kann Spannungen erzeugen, aber daran wird die GNU nicht scheitern", sagt Silke.