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Südafrika: Nationaler Dialog - Erfolgskonzept oder Illusion?

Martina Schwikowski
14. August 2025

In Südafrika sollen Bürger Ideen für den Fortschritt im Land sammeln. Der Auftakt des Nationalen Dialogs findet am 15. August statt - doch vielen geht es zu schnell: Wichtige politische Stiftungen stiegen vorerst aus.

Südafrika Präsident Cyril Ramaphosa vor einem durchsichtigen Rednerpult im schwarzen Anzug
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa gibt das Signal für den Auftakt eines national Dialogs, der am 15. August beginnt. Kritiker finden den Zeitpunkt übereilt auf Kosten der BürgernäheBild: Leah Millis/REUTERS

Ein besseres Südafrika zu gestalten, das ist die Absicht der südafrikanischen Regierungspartei des Afrikanischen Nationalkongress (ANC) - und dass schon seit Amtsantritt vor 31 Jahren. Angesichts der desolaten Lage im Land hat Präsident Cyril Ramaphosa dieses Ziel wieder aufgegriffen und zu einem sogenannten Nationalen Dialog eingeladen.

"Ich rufe alle Südafrikaner auf, in unserer Vielfalt vereint, sich im Nationalen Dialog zusammenzufinden, um eine Vision für unser Land für die nächsten 30 Jahre zu definieren", kündigte Ramaphosa im Februar 2025 zur Parlamentseröffnung an. Die erste zweitägige Gesprächsrunde beginnt am 15. August.

Grundstein für Veränderungen 

Südafrika braucht dringend eine Reform: In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die soziale Ungleichheit nach der Apartheid verschärft. Hohe Kriminalität und Arbeitslosigkeit prägen das Land, Korruption und eine marode Infrastruktur, insbesondere in der Energieversorgung, beeinträchtigen die wirtschaftliche Entwicklung. 

Mehr als 30 Jahre nach der demokratischen Machtübernahme ist die Mehrheit der Südafrikaner arm und die soziale Ungleichheit wächstBild: picture-alliance/ dpa

Unterschiedliche Stimmen aus dem ganzen Land sollen in mehreren Gesprächsrunden zusammengeführt werden, von Jung bis Alt, aus allen sozialen Schichten. Gemeinsam sollten sie in 18 Monaten den Grundstein legen für Veränderungen und Lösungen für die enormen Herausforderungen, vor denen Südafrika steht.

Kritik: Bürger führen die Initiative zu wenig

Doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Der Nationale Dialog hat einen recht "chaotischen Start" hingelegt, sagt Jakkie Cilliers, früherer Direktor des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria und nun Vorstandsvorsitzender des Kuratoriums, zur DW.

Sieben namhafte Stiftung von ehemaligen ANC-Führungspersönlichkeiten und Befreiungskämpfern wie die Steve Biko Foundation, die Desmond and Leah Tutu Legacy Foundation und auch die Stiftung des Ex-Präsidenten Thabo Mbeki zogen sich aus dem Prozess vorerst zurück. Der Grund: zu großer Zeitdruck und staatliche Vereinnahmung. 

Die Stiftungen halten den 15. August als Startpunkt für verfrüht. "Dialog kann nicht in Eile aufgebaut werden", heißt es in einer Erklärung der Stiftungen. Für die Stiftungen leidet der Inhalt unter dem engen Zeitplan: Der Prozess "läuft Gefahr, eher symbolisch als substanziell zu werden - mehr Show als Beteiligung. Wir können unseren Namen nicht für eine Versammlung hergeben, die keinen echten Dialog zulässt."

Arbeiterstreik gegen hohe Lebenshaltungskosten: Bürger leiden unter hoher Arbeitslosigkeit, Stromausfall und gestiegene PreiseBild: Esa Alexander/REUTERS

In ihrer Stellungnahme kritisieren sie weiter: "Was als bürgergeführte Initiative begann, hat sich in der Praxis leider in Richtung staatlicher Kontrolle verschoben." Der 15. August wurde demnach auf Wunsch von Regierungsbeamten festgelegt. Auf dieses Datum zu drängen untergrabe "einen entscheidenden Moment, in dem die Bürger die Führung übernehmen sollten".

Die Kritik nicht nachvollziehen kann Anzio Jacobs. Er ist Koordinator des Ausschusses Civil Society Dialogue und Leiter des Schutzprogrammes für Kinder des Nelson Mandela Children's Fund. Mit vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen hat er den Nationalen Dialog mit vorbereitet. 

"Als wir Anfang dieser Woche gezählt haben, waren alle neun Provinzen Südafrikas vertreten. Wir erreichten 85.000 gewöhnliche Südafrikaner, die auf den Dialogprozess warten und bereit sind, sich daran zu beteiligen", sagt Jacobs zufrieden zur DW. Er glaubt, die Südafrikaner seien müde, noch länger zu warten.

Die Transformation der Gesellschaft in Südafrika ist nicht gelungen: Ein Großteil der schwarzen Bevölkerung lebt weiterhin in Armensiedlungen nahe der StädteBild: Hoch Zwei/IMAGO

Seit April hätten sie sich zu ersten Gesprächen getroffen, anschließend wöchentlich zur Vorbereitung. Daraus sei ein detaillierter Plan entstanden, der Ziele für die folgenden Diskussionsrunden landesweit enthält. "Niemand soll mit seinen Anliegen zurückbleiben", sagt Jacobs.

Die Absage der pro-demokratischen Stiftungen ist nicht endgültig: Sie sicherten ihre weitere Unterstützung zu, wenn der Dialog in der Hand der Bürger bliebe und die fundamentale Transformation Südafrikas zum Wohle aller. Gleichzeitig forderten sie, der Auftakt solle um zwei Monate verschoben werden, denn mit mehr Vorbereitungszeit halten sie den Prozess für glaubwürdiger.

Dialog ohne Koalitionspartner

Nicht nur die Stiftungen kritisieren, welche Richtung der Dialogprozess nimmt. Hinzu kommen politische Streitigkeiten mit dem neuen Koalitionspartner des ANC, der eher bei weißen Südafrikanern beliebten, wirtschaftsfreundlichen Demokratischen Allianz (DA). Sie formt seit einem Jahr, seitdem historisch schlechten Wahlergebnis des ANC (40,2 Prozent) mit der ehemaligen Befreiungsbewegung eine Regierung der nationalen Einheit. Doch von Einheit ist keine Rede, zu unterschiedlich sind die Ideologien.

Der jüngste Streit um die Entlassung des von der DA gestellten Vizeministers für Handel und Industrie, Andrew Whitfield, führte im Juni fast zum Ausstieg der Partei aus der Koalition. Dann zog sich die DA aus der Dialog-Initiative zurück. 

DA-Vorsitzender John Steenhuisen bezeichnete angesichts der vorläufig anvisierten Kosten in Höhe von 700 Millionen Rand (ca. 35 Millionen Euro) den Nationalen Dialog als "teure Fachsimpelei ohne Aktion, ohne Reform und ohne Plan".

DA-Chef John Steenhuisen (links) gratuliert Präsident Cyril Ramaphosa nach den Wahlen 2024. Ihre Regierungskoalition drohte bereits häufiger zu platzen, jetzt stieg die DA aus dem Nationalen Dialog für das Land aus.Bild: South African GCIS/AP/picture alliance

Ein umfassender Dialog zu nachhaltigen Veränderungen in Südafrika ohne den größten Partner der gemeinsamen Regierung - das ist für viele Beobachter kein gutes Zeichen für Erfolg.

Analyst Jakkie Cilliers vom ISS sieht erhebliche Problemen. "Derzeit herrscht Unklarheit darüber, was der Zweck des Dialogs ist und was geschehen wird. Wir werden also unsere Probleme diskutieren. Aber wie verbinden wir den nationalen Dialog mit einem langfristigen Entwicklungsplan für Südafrika?", fragt sich Cilliers.

Mangel an Entschlossenheit der Regierung

Aus Cilliers' Sicht ist "das Problem, dass die Südafrikaner nicht glauben, weitere Gespräche werden irgendetwas lösen. Das eigentliche Problem ist nämlich, dass es der Regierung an Entschlossenheit mangelt und sie nicht handelt." Der Analyst weist darauf hin, dass Südafrika mehrere Untersuchungskommissionen hatte, zum Beispiel zu Korruptionsaffären unter Ex-Präsident Jacob Zuma. Cilliers meint, die Folge-Regierung reagierte unzureichend, wenn es darum ging, Maßnahmen zu ergreifen.

"Was die Südafrikaner meiner Meinung nach suchen, ist ein Prozess, der auf Analysen basiert, die dann zur Debatte und Diskussion gestellt werden können und somit zu konkreten Maßnahmen führen und das Land auf den Weg des Wachstums bringen", betont Cilliers. "Nichts ist in Südafrika wichtiger, als die Wirtschaft anzukurbeln, damit wir Arbeitsplätze schaffen, die Arbeitslosigkeit senken und die Ungleichheit verringern können. Dies sind einige der Herausforderungen, denen sich der Nationale Dialog stellen muss."

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