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Politik

Südafrika: Streit um politischen Kurs

Martina Schwikowski
28. Juni 2017

Radikale Reformen sollen die Popularität der südafrikanischen Regierungspartei erhöhen. Auf der Politikkonferenz streitet der ANC um die politische Richtung.

Südafrika Wahlkampf ANC
Bild: Reuters/M. Hutchings

In der südafrikanischen Regierung brodelt es mächtig. Die Führungspartei des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ist durch die Korruptionsskandale ihres Präsidenten Jacob Zuma in Verruf geraten. Demonstrationen halten an: Beinahe täglich fordern Bürger den Abtritt des unbeliebten Staatschefs. Das spielt in die Hände der Opposition, die das Debakel um den Präsidenten eher vereint: Ein Misstrauensvotum der Opposition gegen Zuma steht im Parlament an.

Die Angst des zerstrittenen ANC steigt, noch mehr an Popularität zu verlieren. In dieses brisante politische Klima fällt jetzt Ende Juni die Planungskonferenz des ANC. 3000 Parteimitglieder werden vom 30. Juni bis 5. Juli den politischen Kurs der Partei besprechen. Dabei geht es um die soziale und wirtschaftliche Transformation des Landes. Die Arbeitslosigkeit ist mit 27,7 Prozent auf dem höchsten Stand und die Wirtschaft ist im ersten Quartal um 0,7 Prozent geschrumpft - Südafrika ist in eine Rezession abgerutscht.

Streit um Parteiprogramme

Der ANC hat weitgehend seinen Kontakt zur Basis verloren.  "Das Vertrauen der Menschen in den ANC sinkt immer mehr. Das geht aus den niedrigeren Wahlergebnissen und öffentlicher Kritik hervor", sagte Jeff Radebe, Minister im Präsidentenamt bei der Vorlage der Diskussionspapiere für die Konferenz. ANC-Führer wie Radebe fürchten, dass die Nachfolge-Debatte um Präsident Zuma die verschiedenen Fraktionen der Partei weiter spaltet. Die Konferenz soll die angeschlagene Partei vereinen. Die ehemalige Befreiungsbewegung will mit radikalem Wirtschaftswandel mehr Wählerstimmen bei den Präsidentschaftswahlen 2019 zurückholen. Dann endet auch Zumas zweites Mandat.

Immer wieder gibt es Proteste gegen Präsident Jacob Zuma - wie im April in PretoriaBild: picture alliance/dpa/AP/D. Farrell/AP

Aber die Konferenz wird laut Analyst Daniel Silke eher zeigen, welche Fraktion des ANC die führende Rolle bei dem entscheidenden Parteitag im Dezember sein wird, bei dem ein neuer Parteichef gewählt wird.  Die Ausrichtung der parteipolitischen Programme könne bei den ANC-Mitgliedern hochgradig umstritten sein, fügt Daniel hinzu. "Werden Parteiprogramme mehr populistisch und radikal oder mehr gedämpft und offen in der Interpretation - darum geht es auf der Planungskonferenz", sagt er im Gespräch mit der DW.

Radikale Reformen

Streit gibt es schon jetzt: Die gerade vom Bergbauminister vorgelegte neue Charta sieht vor, dass Südafrikas Bergbauunternehmen innerhalb eines Jahres 30 anstatt der jetzigen 26 Prozent schwarzer Teilhaber geben müsse. Die Firmen sollen auch künftig ein Prozent ihres jährlichen Umsatzes an die schwarzen Teilhaber auszahlen. Diese Vorgabe hat bei den Konzernen, die in den vergangenen fünf Jahren etwa 60.000 Stellen verloren haben, große Entrüstung ausgelöst.

Analyst Theo Venter sieht in diesem Schritt den Versuch, bei Anhängern zu punkten. "Die Zuma-Fraktion will harte Beweise bringen, dass sie die radikale Wirtschaftsreform umsetzt." Der Zuma-Zirkel sagt damit, wir reden nicht nur, wir tun etwas", sagt er in den lokalen Medien. Auch mit einer schnelleren Landumverteilung an Schwarze  will der ANC punkten. Die Mehrheit der weißen Farmen ist noch in weißer Hand. Präsident Zuma spielte kürzlich laut mit dem Gedanken, die Verfassung ändern zu lassen, um Farmer ohne Entschädigung enteignen zu können.Vize-Präsident Cyril Ramaphosa schlägt mildere Töne an. Der Ausdruck "Radikale Wirtschaftsreform" werde oft eingesetzt, um die Aktivitäten, die man am besten als Vereinnahmung des Staates bezeichnen würde, zu maskieren oder zu rechtfertigen. Der Ausdruck stehe in der Freiheitscharta. Vernünftig angewandt, könne damit das Wirtschaftswachstum gefördert werden. "Der Ausdruck ist von einigen Leuten vereinnahmt worden, und wir wissen, wer diese Leute sind", sagt Ramaphosa.

Vize-Präsident Cyril Ramaphosa ist ein aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Jacob ZumasBild: picture-alliance/Photoshot

Präsident Zuma  wird wegen seiner Korruptionsaffären und der Beziehungen zur einflussreichen indischen Geschäftsfamilie Gupta heftig kritisiert. Auch seine jüngste Kabinettsumbildung Anfang April ließ die Ratings-Agenturen mit Herabstufung der Finanzmärkte und Banken reagieren. "Die Stimmung im ANC ist angespannt. Die Partei setzt auf einen frischen Anfang am Jahresende nach der ANC-Konferenz. Der ANC hofft, dass ein neuer Präsident die verlorene Glaubwürdigkeit zurückholt", sagt Silke.

 Wer wird Präsident?

Vizepräsident Cyril Ramaphosa hat seinen Hut für eine Kandidatur bereits in den Ring geworfen. Der frühere Gewerkschaftsboss gehört inzwischen zu den reichsten Geschäftsleuten des Landes. Seine politische Gegnerin ist Nkosazana Dlamini-Zuma, die frühere Ehefrau des Präsidenten. Sie führte bis Anfang des Jahres die Afrikanische Union und wird von ihrem Ex-Mann Präsident Zuma und seinen Anhängern unterstützt. Silke: "Im Moment liegen beide noch relativ gleichrangig in ihrer Popularität. Aber Ramaphosa holt gerade auf. Er positioniert sich mehr und mehr als Reformer des ANC." 

Nkosazana Dlamini-Zuma hat die Unterstützung ihres Ex-Mannes, des PräsidentenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Ex-Frau des Präsidenten, die drei Ministerposten in Südafrika inne hatte, schwieg bisher zur Rolle der Guptas. "Wenn sie dazu keine Position bezieht, wird das Ramaphosas Popularität erhöhen", so Silke. Der frühere ANC-Schatzmeister Matthews Phosa will ebenfalls kandidieren. Er gilt als starker Kritiker der momentanen ANC-Politik. Aber auch Wohnungsbauminister Lindiwe Sisulu, Tochter des ehemaligen ANC-Veteranen Walter Sisulu, geht ins Rennen. Laut Silke wird der Kampf um die Macht unter den beiden politischen "Schwergewichten" Ramaphosa und Dlamini-Zuma ausgetragen werden.

Sowohl Präsident Zuma als auch Vizepräsident Ramaphosa haben die Teilnahme am zeitgleich stattfindenden Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Addis Abeba abgesagt - ein weiteres Anzeichen für die große Bedeutung der Politikkonferenz. Dass hier eine Vorentscheidung über die Nachfolge Jacob Zumas fällt, ist dennoch eher unwahrscheinlich.