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Politik

Südafrika wartet auf das Wahlergebnis

Adrian Kriesch
8. Mai 2019

Seit 25 Jahren ist die Regierungspartei ANC an der Macht - und wird laut Umfragen diese Wahl erneut gewinnen. Doch kann Präsident Ramaphosa die jungen Wähler erreichen? Aus Johannesburg, Adrian Kriesch.

Südafrika | Wahlen 2019 in Johannesburg
Bild: DW/A. Kriesch

Es ist kalt und windig am Mittwochmorgen in Soweto, dem größten Township von Johannesburg. Die Schwestern Tumi (Artikelbild) und Lebo Bela stehen trotzdem schon vor der Öffnung des Wahllokals in der Hoernle Grundschule in einer langen Schlange. Ihr Vater hatte die beiden um sechs Uhr geweckt, gibt Tumi lächelnd zu. Es sind ihre ersten Wahlen, da sollten sie pünktlich da sein. "Wir sind wirklich aufgeregt", sagt die 20-Jährige. "Ich habe früher immer nur im TV gesehen, wie sich die Leute angestellt haben, um zu wählen", fügt ihre 18-jährige Schwester Lebo hinzu. "Es fühlt sich gut an, über meine Zukunft mitzubestimmen."

Ungleichheit, Wirtschaftsstagnation, Arbeitslosigkeit

Doch in der Schlange stehen am Morgen vor allem ältere Leute. Sechs Millionen junge wahlberechtigte Südafrikaner unter 30 Jahren haben sich noch nicht mal für die Wahlen registriert. Seit dem Ende der Apartheit vor 25 Jahren regiert im Land der African National Congress (kurz: ANC). Doch die einstige Befreiungsbewegung gerät immer mehr in die Kritik. Die Wirtschaft stagniert, die Staatsverschuldung steigt, mehr als jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos. Zahlen der Weltbank belegen: Südafrika ist eines der ungleichsten Land der Welt. Den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung gehört 71 Prozent des Gesamtvermögens, den ärmsten zehn Prozent kaum etwas.

Wem geben sie ihre Stimme? Es sind vor allem die Älteren, die wählen gehenBild: Reuters/M. Bosch

Auch für Tumi Bela ist die Ungleichheit eines der wichtigsten Themen im Land. Sie glaubt, dass Präsident Cyril Ramaphosa der Richtige ist, das Thema anzupacken. Dabei hofft sie auch auf starke Zeichen im Kampf gegen Korruption, die für Tumi für noch mehr Ungleichheit sorgt. "Er muss jetzt aufräumen", sagt die Studentin. "Er muss sich auch gegen die Leute in den eigenen Reihen stellen - denn sie vertreten uns nicht. Wenn es Korruption im ANC gibt, müssen sie etwas dagegen machen."

"Wir haben unsere Lektion gelernt"

Etlichen ANC-Vertretern wird vorgeworfen, die Wirtschaft durch Korruption und Misswirtschaft in den Abwärtssog gerissen zu haben. Vor allem die Amtszeit von Ramaphosas Vorgänger Jacob Zuma war geprägt von Korruption. Südafrikas frühere Ombudsfrau Thuli Madonsela bezeichnete das System als "state capture", "Staatsübernahme". Ein Begriff den mittlerweile auch der Präsident nutzt. "Nie wieder darf Südafrika das durchmachen, was wir durchgemacht haben: Verdorbenheit, Gesetzesübertretungen, ungezügelte Korruption", sagt Ramaphosa, kurz nachdem er seine Stimme in Soweto abgab. "Wir haben unsere Lektion gelernt - und werden uns darum kümmern."

"Wir haben unsere Lektion gelernt", sagt der amtierende Präsident RamaphosaBild: DW/A. Kriesch

Doch wie ernst meint es der Präsident? Er war selbst vier Jahre Vize-Präsident unter Zuma. Auch bei diesen Wahlen haben es mehrere ANC-Vertreter auf die Parteiliste geschafft, die mit Korruption in Verbindung gebracht werden. Trotzdem glauben viele Südafrikaner, dass der Präsident tatsächlich durchgreifen will. Für Hanns Bühler, Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Südafrika, stellt sich die Frage: Kann Ramaphosa seine Partei reformieren - oder bleibt er zukünftig Gefangener seiner eigenen Partei. Denn das Lager um Jacob Zuma ist nach wie vor stark und einflussreich. Ramaphosa bräuchte mindestens 58 Prozent der Stimmen, so Bühler, "dann besteht die Hoffnung, dass er innerhalb seiner eigenen Partei mehr Beinfreiheit gewinnt, um seine Reformen umzusetzen."

Chance für Opposition

Der Streit im ANC könnte den Oppositionsparteien in die Hände spielen, vor allem den selbsternannten links-radikalen "Wirtschaftlichen Freiheitskämpfern" (EFF). Die Partei des früheren ANC-Politikers Julius Malema macht vor allem mit geforderten Zwangsenteignungen von Großgrundbesitzern und Verstaatlichungen Schlagzeilen. Sie wurden 2014 auf Anhieb drittstärkste Kraft, dürften laut Prognosen auch dieses Jahr erneut zulegen.

Auch in der Familie von Tumi Bela zeigt sich ein Erstarken der Opposition: Tumi, Lebo und ihr Vater - alle drei haben verschiedene Parteien gewählt. Die Studentin Tumi ist optimistisch, dass spätestens am Samstag das Wahlergebnis eine klare Mehrheit für den ANC zeigt. Und sie ist optimistisch, dass die Politiker im Land endlich begriffen haben, dass sie auch die jungen Leute ernst nehmen müssen.