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Südafrika wirft Israel vor UN-Gericht "Völkermord" vor

11. Januar 2024

Der Israel-Hamas-Krieg beschäftigt nun auch den Internationalen Gerichtshof. Israel muss sich erstmals einer Völkermord-Klage stellen. Südafrika erhebt vor dem höchsten UN-Gericht harte Vorwürfe.

Niederlande | Internationaler Gerichtshof in Den Haag zum Nahostkonflikt
Der südafrikanische Justizminister Ronald Lamola (links) und der Botschafter des Landes in den Niederlanden, Vusimuzi Madonsela, im Gerichtshof in Den HaagBild: REMKO DE WAAL/ANP/AFP/Getty Images

Südafrika hat Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) beschuldigt, "systematisch Taten von Völkermord" gegen die Palästinenser im Gazastreifen begangen zu haben. Vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen schilderten die Rechtsvertreter Südafrikas in Den Haag Beispiele der militärischen Gewalt sowie Äußerungen israelischer Politiker und Militärs in den vergangenen rund drei Monaten. Dies sei mit der "Absicht des Völkermordes" geschehen, erklärten sie. Nach ihrer Darstellung strebt Israel eine Zerstörung des palästinensischen Lebens an.

Israel griff Südafrika wegen des Völkermord-Verfahrens erneut verbal scharf an. Das Land agiere als "juristischer Arm der Terrororganisation Hamas", erklärte Lior Haiat, Sprecher des Außenministeriums, nach der ersten Anhörung auf der Plattform X. Südafrika wolle "der Hamas erlauben, die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Sexualverbrechen, die sie am 7. Oktober wiederholt begangen hat, von Neuem zu begehen". Der Sprecher nannte die südafrikanischen Rechtsanwälte in Den Haag "die Vertreter der Hamas".

Vertreter Israels bei der Anhörung in Den Haag, darunter Gilad Noam, Vize-Generalstaatsanwalt für internationale Angelegenheiten (rechts)Bild: REMKO DE WAAL/ANP/AFP/Getty Images

Netanjahu weist Beschuldigung zurück

Vertreter Israels werden sich am Freitag vor dem IGH äußern. Am Mittwochabend hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut ebenfalls alle Vorwürfe zurückgewiesen und gesagt: "Israel kämpft gegen Hamas-Terroristen, nicht gegen die palästinensische Bevölkerung, und wir tun dies in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Recht." Auch die USA, Großbritannien und die Bundesregierung sehen keine Grundlage für die Klage.

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck sagte, er könne den Völkermord-Vorwurf Südafrikas gegen Israel nicht nachvollziehen. "Man kann die israelische Armee kritisieren für ein zu hartes Vorgehen im Gazastreifen. Das ist aber nicht Völkermord", betonte der Wirtschaftsminister bei einem Besuch in Jerusalem. Diejenigen, die Völkermord begehen würden oder wollten, wenn sie könnten, ist die Hamas. Sie haben in ihrer Agenda die Auslöschung des Staates Israel."

Habeck: Vorgehen Israels in Gaza kein Völkermord

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Pretoria will Rechtsschutz für Palästinenser

Südafrika beruft sich auf die UN-Völkermordkonvention, die auch Israel unterzeichnet hat. In der Konvention wird Völkermord definiert als eine Handlung, "die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören". Israel bestreitet, diesen Passus verletzt zu haben. Südafrika fordert in einem Eilverfahren auch einen Rechtsschutz für die Palästinenser. So sollten die Richter das Ende der militärischen Handlungen anordnen.

Der Internationale Gerichtshof, der Konflikte zwischen Staaten klären soll, wird sich zunächst nur mit dem Eilantrag befassen und in den nächsten Wochen entscheiden. Ein Verfahren zur Hauptsache, dem Völkermord-Vorwurf, kann Jahre dauern. Eine Entscheidung des Gerichts ist bindend - auch wenn die UN-Richter selbst keine Machtmittel haben, diese auch durchzusetzen. Ein negativer Beschluss könnte Israel schaden und dürfte den internationalen Druck weiter erhöhen.

Politisch und symbolisch aufgeladen

Es ist das erste Mal, dass Israel sich vor einem internationalen Gericht dem Vorwurf des Völkermordes stellt. Das Verfahren ist für Israel politisch und symbolisch hoch aufgeladen, weil die "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes" von 1948, auf die Südafrika sich beruft, unter dem Eindruck der Schoah entstand, des millionenfachen Mordes an den Juden im Zweiten Weltkrieg. Am Textentwurf maßgeblich beteiligt war der polnische jüdische Jurist Raphael Lemkin (1900-1959), der auch den Begriff "Genozid" prägte.

Auslöser des Israel-Hamas-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt haben. Nach israelischen Angaben wurden mehr als 1100 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Israel erklärte der Hamas daraufhin den Krieg und greift den Gazastreifen seither massiv an. Dort sollen seit Kriegsbeginn mehr als 23.400 Menschen getötet und fast 59.000 verletzt worden sein, wie die Gesundheitsbehörde mitteilte, die von der Hamas kontrolliert wird. Ihre Angaben können derzeit nicht unabhängig überprüft werden. Die Hamas ist eine militant-islamistische Palästinenserorganisation - die Europäische Union, die USA, Deutschland und weitere Länder stufen sie als Terrororganisation ein.

Südafrika wirft Israel Apartheid-Politik vor

Südafrika verurteilte zwar die Angriffe der Hamas-Terroristen. "Aber kein bewaffneter Angriff ist eine Rechtfertigung für die Verletzung der Völkermordkonvention", sagte Justizminister Ronald Lamola. Er sprach von einer "Politik der Apartheid gegen Palästinenser seit etwa 76 Jahren". Israel hat auch den Apartheid-Vorwurf in den vergangenen Jahren immer wieder zurückgewiesen.

Die Rechtsvertreterin Südafrikas, Adila Hassim, zählte Gewalttaten der Armee auf, wie Bombenangriffe und Blockaden humanitärer Hilfe. Sie sprach von "Taten des Völkermordes" und einem "systematischen Muster, das auf Absicht des Völkermordes hinweist."  

Pro-israelische Demonstranten in Den HaagBild: Robin Utrecht/ANP/AFP/Getty Images

Wegen des Gerichtsverfahrens kam es in Den Haag und in Südafrika zu Protesten. In Den Haag hielt die Polizei rivalisierende Demonstranten auseinander. Hunderte pro-israelische Demonstranten zogen durch die Straßen der niederländischen Stadt, während pro-palästinensische Protestteilnehmer auf Plakaten ein Ende von "Israels Apartheid" forderten. Auch in Kapstadt gingen pro-palästinensische Demonstranten auf die Straße.

kle/sti/wa (dpa, kna, afp, rtr)