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Südafrikas massives Problem mit Ausländerfeindlichkeit

Martina Schwikowski
5. November 2023

Fremdenfeindlichkeit flammt in Südafrika immer wieder auf. Experten warnen davor, dass die Zahl der Übergriffe auf Ausländer jetzt noch steigen könnte - angeheizt durch nationalistische Parolen im Wahlkampf.

Demonstration von Anhängern der "Operation Dudula" in Soweto (19.02.2022)
Die ausländerfeindliche Dudula, hier bei einer Demonstration in Soweto 2022, tritt bei den Wahlen im Mai 2024 als Partei an.Bild: Mohamed Shiraaz/dpa/picture alliance

Die selbsternannte Bürgerwehr, die in Südafrika im Township Soweto durch die Straßen zog, hatte nur ein Ziel: Ausländer vertreiben. Ein Mob aus Anhängern der Anti-Migranten-Gruppe Operation Dudula stürmte in der Hüttensiedlung Diepkloof in kleine Kioske, die von Migranten betrieben werden. Die Dudula-Leute griffen die Besitzer an, prüften das Verfallsdatum ihrer Produkte und drohten mit Schließung der sogenannten Spaza-Shops.

Auch Victress Mathuthu, die aus Simbabwe stammt, wurde dabei zur Zielscheibe des Ausländerhasses schwarzer Südafrikaner. "Wenn die Mitglieder der Operation Dudula unzufrieden damit sind, dass Ausländern Lizenzen für den Betrieb von Kleinbetrieben erteilt werden, sollten sie sich an die Regierung oder das zuständige Ministerium wenden", sagte die Simbabwerin im DW-Interview.

Angriffe auf Spaza-Shops

Unter dem Vorwand, dass die zuständigen Behörden ungenügend gegen Ausländer vorgingen, nehmen die Anhänger der Operation Dudula das Gesetz einfach selbst in die Hand. 

"Es ist Ihnen nicht erlaubt, einen Spaza-Laden zu besitzen", behauptete beispielsweise Thabo Ngayo bei so einer Selbstjustiz-Aktion gegenüber einem ausländischen Kioskbesitzer. Die seien nur für Südafrikaner reserviert, so der nationale Dudula-Koordinator. "Das bedeutet, dass dieser Spaza-Shop einem Südafrikaner gehören muss. Sie haben ein paar Tage Zeit, ihn zu räumen", setzte Ngayo dem Kioskbesitzer ein Ultimatum. Das gelte auch für die ausländischen Besitzer, deren Läden angemeldet seien, fabulierte der Dudula-Funktionär.

Ins gleiche Horn stößt Mzwanele Manyi, Abgeordneter der Economic Freedom Fighters (EFF). Auch er fordert die Schließung von Spaza-Läden in ausländischen Besitz im ganzen Land. "Wir können eine solche Situation nicht tolerieren", sagte Manyi der Deutschen Welle.

Ausländerhass in Südafrika tief verwurzelt

Fremdenfeindlichkeit ist nicht neu in Südafrika, sie flammt immer wieder auf: Im April 2022 wurde ein Simbabwer in Diepsloot nördlich von Johannesburg gesteinigt und verbrannt. 2008 zündeten schwarze Südafrikaner in den Townships die Hütten ihrer ausländischen Nachbarn an. 62 Menschen starben. Der Aufschrei bei dieser massiven Welle an Hass war groß, doch die damals begonnene Aufklärungsarbeit von Initiativen ging nicht weit genug.

Daten zu ausländerfeindlichen Übergriffen erhebt die Plattform Xenowatch, die vom Afrikanischen Zentrum für Migration und Gesellschaft an der Universität Witwatersrand entwickelt worden ist. In dem Beobachtungszeitraum von 1994 bis heute kam es zu insgesamt 1038 Übergriffen auf Migranten. 661 Menschen kamen ums Leben, 5131 Läden wurden geplündert. Xenowatch geht zudem von einer Dunkelziffer aus, da nicht alle Vorfälle gemeldet würden.

Anwachsen des rechten Lagers

Die Operation Dudula tauchte erstmals im Jahr 2020 in den sozialen Medien auf. Dudula ist ein Wort aus der Zulu-Sprache, das "zurückdrängen" bedeutet. Jetzt hat sich die Bewegung als politische Partei registriert - sie wird 2024 zur Wahl antreten.

Doch Dudula-Mitglieder werden wohl nicht die Einzigen sein, die mit ausländerfeindlichen Parolen in den Wahlkampf ziehen. Auch Südafrikas momentan drittstärkste Partei, die EFF, versucht es auf diese Weise. Wirtschaftlich vertritt sie linksradikale Positionen und gibt sich gleichzeitig offen fremdenfeindlich.

Weitere, kleinere Parteien hetzen ebenfalls zunehmend gegen Ausländer. Zum Beispiel die Patriotische Allianz und ActionSA. Letztere konnte vor zwei Jahren bei den Kommunalwahlen mit ausländerfeindlichen Parolen punkten.

Aus Sicht von Fredson Guilengue ist das eine bedrohliche Entwicklung. Er ist in Johannesburg Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der deutschen Linkspartei nahesteht. Guilengue befürchtet vor der anstehenden Präsidentenwahl im Mai 2024 einen Anstieg der Übergriffe gegen Migranten und ein Anwachsen des rechten Lagers in Südafrika.

Fremdenfeindlicher Protest in Johannesburg (2022): "Ausländer müssen in die Heimat zurück"Bild: Guillem Sartorio/AFP

Auch wenn die Zahl der aktiven fremdenfeindlichen Übergriffe aktuell geringer sei als 2022, nehme die Ablehnung von Ausländern generell zu, sagt Guilengue, der aus dem Nachbarland Mosambik stammt. "Im Gegensatz zu den vorangegangenen Wellen scheinen wir jetzt eine Institutionalisierung der Fremdenfeindlichkeit zu erleben", sagte er der DW. Auch Operation Dudula trage dazu bei.

Die Ablehnung von Einwanderern: Ein Erbe der Apartheid

Die Schwierigkeiten der schwarzen Südafrikaner, Menschen aus anderen Ländern Afrikas zu akzeptieren, erklärt sich Guilengue durch eine Kombination von Faktoren: "Erstens haben Kolonialismus und Apartheid nicht nur zu einer Spaltung zwischen Weißen und Schwarzen geführt, sondern auch zu einer Spaltung innerhalb der schwarzen Mehrheitsgesellschaft, wodurch Einwanderer auf die unterste Stufe der schwarzen Gesellschaft gestellt wurden." Dieses Erbe der Apartheid werde nun durch eine desolate Wirtschaft, die keine Arbeitsplätze schafft, und aufgrund der fremdenfeindlichen Politik einiger Parteien noch verschärft.

Der Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung vermutet, dass auch die bisherige Dauerregierungspartei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), auf den fremdenfeindlichen Zug aufspringen könnte. Denn auch im ANC gibt es fremdenfeindliche Kräfte und Nelson Mandelas ehemalige Befreiungsbewegung steht vor den schwierigsten Wahlen ihrer Geschichte: Experten sagen voraus, dass der ANC erstmals unter die 50-Prozent-Marke fallen könnte.

Südafrikas Probleme nicht von Migranten verursacht

Fremdenfeindliche Übergriffe

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Jeder zweite junge Mensch in Südafrika sei arbeitslos, heißt es in einer Studie des Institutes für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria. Die Schuld an der wachsenden Armut, extremer sozialer Ungleichheit, Korruption und hoher Kriminalität werde häufig auf Ausländer abgewälzt.

In Wirklichkeit seien aber laut ISS schlechte Regierungsarbeit und Korruption in der Politik sowie Mängel in der Verwaltung für die Probleme verantwortlich. Zudem sei der geschätzte Ausländeranteil in Südafrika mit 6,5 Prozent nicht höher als anderswo auf der Welt.

Dass viele Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis im Land sind, habe auch mit einer schlechten Migrationspolitik zu tun. Viele Ausländer würden auf ganz legalen Wegen einwandern, würden dann aber ihren Status unverschuldet verlieren, so die Forschenden aus Durban. Denn das südafrikanische Innenministerium sei schon seit Jahren von Korruption geplagt und mit der Bearbeitung von Anträgen und Aufenthaltsgenehmigungen in Verzug.

Mitarbeit: Thuso Khumalo

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