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Reise

Süditalien - Abseits der Touristenpfade

26. Februar 2017

Neapel, Capri, Sizilien - das sind klassische italienische Reiseziele. Die Gegend um Bari an der Adriaküste dagegen ist touristisch noch relativ unentdeckt. Doch das wird sich wohl spätestens 2019 ändern.

Italien Region Apulien
Bild: picture-alliance/dpa/K. Rose

Die Küstenstadt Bari ist ein perfekter Ausgangspunkt, um Apulien und die Basilikata im "Absatz" des italienischen Stiefels zu bereisen. Jedes Jahr nutzen über zwei Millionen Menschen den Fährhafen der Stadt. Bari selbst schlummert noch seinen Dornröschenschlaf. Hier bestimmt noch der süditalienische Tagesrhythmus das Leben. Mittags sind die Geschäfte geschlossen, die Einwohner haben sich zur Siesta zurückgezogen. Ab und an schaut höchstens eine Katze verwundert aus einem Hauseingang hervor.

Souvenirläden in der Altstadt von BariBild: picture-alliance/AGF/V. Vittorio

Man streift also alleine durch die verwinkelten Gassen, die auf den ersten Blick eher an eine nordafrikanische Kasbah als an eine Kleinstadt in Italien erinnern. Wären da nicht überall die mit bunten Vorhängen geschmückten Marienfiguren an den weißgetünchten Hauswänden. Und die Basilika San Nicola, die die Altstadt überragt. San Nicola, der heilige Nikolaus, ist der Schutzheilige von Bari. Seine Überreste wurden 1087 spektakulär aus seinem Grab in Myra in der heutigen Türkei geklaut und liegen seitdem in der Basilika, was jeden Mai Anlass für große Prozessionen durch die Stadt ist.

Basilika San NicolaBild: picture-alliance/AGF/V. Vittorio

Leben im Rhythmus des Südens

Am frühen Abend dann ein ganz anderes Bild. Rollläden, die man vorher gar nicht wahrgenommen hatte, öffnen sich und geben den Blick frei auf kleine, tief in die Häuser gebaute Läden. Hupende Motorradfahrer rasen virtuos durch die Gassen, für die Autofahrer beginnt der Kampf um die wenigen legalen und weniger legalen Parkplätze. Es wird eingekauft, geschoben und gedrängelt, als ob es kein Morgen gäbe. Der Spuk ist so schnell vorbei wie er begonnen hat. Ab 20 Uhr schließen die Geschäfte. Ruhe kehrt ein. Wieder ganz andere Rollläden gehen hoch und bislang unsichtbare Restaurants und Bars bereiten sich auf den Besucheransturm vor. Stühle, Tische und Menütafeln versperren nun den Weg durch die Gassen. Dann kommen die ersten Gäste, meist in großen Familienverbänden. In Bari wird wie überall in Süditalien sehr spät gegessen. Wer abends vor neun Uhr kommt, ist nicht von hier. Aber er kann ein von der Globalisierung bisher vergessenes Italien entdecken. Wer weiß, wie lange noch.

Kalkfelsen Pizzomunno an Apuliens AdriaküsteBild: picture-alliance/L. Halbauer
Abendstimmung in MateraBild: DW/M.Roddewig

Versteckt, wild und wunderschön

Lange Zeit waren die Provinzen Apulien und Basilikata selbst unter Italienern eher unbekannt. Der italienische Stiefelabsatz ist an der engsten Stelle keine 40 Kilometer breit, besitzt aber 784 Kilometer Küste. Im Sommer bevölkern von Jahr zu Jahr mehr italienische Familien die entlegenen Strände, denn die Preise liegen hier deutlich unter denen der prominenten Konkurrenz an der nördlichen Adria. Große Schilder von Bootsverleihern, Tauchschulen und Restaurants säumen die Küstenstraße, aber außerhalb der Saison sind die Zufahrten verrammelt. Selbst Attraktionen wie die Küstenstadt Otranto mit ihren mächtigen normannischen Stadtmauern wirken dann wie vergessene Denkmäler einer untergegangenen Epoche, als Griechen, Byzantiner und Staufer hier Jahrhunderte lang um die Vorherrschaft im Mittelmeer kämpften.

Im Landesinneren ist es einsamer. Vom Wind zerzauste Hochebenen, tief eingeschnittene Täler - Italiens "arme Schönheit" bietet den Landwirten seit jeher kaum Möglichkeiten zu überleben, heute den Touristen aber umso mehr - wilde Landschaften und zahlreiche UNESCO-Welterbestätten. Die Trulli in Alberobello z.B. sind einzigartig - kleine weiß gekalkte Rundhäuser mit Steindach. Was heute pittoresk wirkt, war im 17. Jahrhundert ein Steuersparmodell. Sobald der königliche Steuereintreiber in der Ferne gesichtet wurde, wurden die Steindächer abgedeckt. Wo kein Dach, da kein Haus. Wo kein Haus, da keine Steuer. Viele der Trulli sind heute noch bewohnt, einige sind sogar zu kleinen Ferienwohnungen umgebaut worden.

Höhlen in MateraBild: DW/M.Roddewig
UNESCO Weltkulturerbe TrulliBild: DW/M.Roddewig

Filmlocation und Kulturhauptstadt

Noch ärmlicher war über Jahrhunderte das Leben der Bewohner in der benachbarten Provinz Basilikata. In Matera lebten die Menschen bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Höhlen, ohne Strom und Wasser. Teils sind diese "Sassi" natürlichen Ursprungs, teils wurden sie an den steilen Hängen der Schluchten in den weichen Tuffstein gehauen. Die ärmlichen Zeiten sind vorbei: Die Bewohner wurden in den 1950er Jahren in die Neustadt umgesiedelt. 1993 wurde Matera zum UNESCO-Welterbe erklärt, und 2004 wurden die Sassi weltberühmt. Mel Gibson drehte in Matera "Die Passion Christi" und prägte so nachhaltig das Bild vom Heiligen Land made in Hollywood. 

Matera - ein Labyrinth aus Gassen und FelsenhöhlenBild: DW/M.Roddewig

2019 wird Matera - eine der ältesten durchgängig besiedelten Städte der Welt -  zudem eine der beiden Kulturhauptstädte Europas sein. Schon jetzt werden in der Stadt die Gässchen und Fassaden eifrig renoviert, Bauschilder kündigen die Eröffnung von neuen Hotels an. Wegweiser zeigen den kürzesten Weg zu Mel Gibsons Drehorten. Matera rüstet sich für die Touristenmassen. Mit der Ruhe wird es also bald vorbei sein.