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PolitikAsien

Schulalltag im Corona-Musterland

Fabian Kretschmer aus Peking
23. Juli 2020

Kaum eine Gesellschaft ist so bildungsorientiert wie Südkorea. Doch auch dort operieren die Schulen nur unter strengen Auflagen. Fabian Kretschmer aus Peking.

Südkorea Chungju | Coronavirus | Schulöffnungen
Bild: Reuters/Yonhap News Agency

In Südkorea herrscht längst ein Normalzustand, der den Namen auch verdient. Die Menschen der 10-Millionen-Metropole Seoul gehen jeden Morgen wieder in ihre Büros, der Feierabendverkehr sorgt erneut für überfüllte Straßen. Und auch die Restaurants der Stadt sind bestens besucht.

Und dennoch: Die Öffnung der Schulen jedoch bleibt fragil. Als am Mittwoch etwa eine Mensa-Mitarbeiterin der Cheongdam Mittelschule im Seouler Nobelbezirk Gangnam positiv auf Covid-19 getestet wurde, musste die Bildungseinrichtung unter großem medialen Aufschrei umgehend ihre Pforten schließen. Seither findet der Unterricht wieder ausschließlich online statt. Fast 200 Schüler und Lehrer wurden dazu angehalten, sich einem Virustest zu unterziehen.

Lehrer in Kostüm begrüßten die Schüler bei der Wiedereröffnung der Schule im Mai 2020Bild: picture-alliance/AP Photo/K. Hyun-Tai

Spitzenreiter im PISA-Test

Südkorea gilt allgemein hin als Corona-Musterland. Zwar wurde der ostasiatische Tigerstaat aufgrund seiner geografischen wie auch wirtschaftlichen Nähe zu China bereits früh von der Pandemie erfasst. Doch trotz mehrerer großer Infektionscluster, darunter in Kirchengemeinden und später in einem Nachtclub, hat das Land am Han-Fluss bisher die Virusgefahr weitestgehend unter Kontrolle gehalten - ohne flächendeckende Lockdowns. Möglich war dies vor allem durch aggressives Aufspüren von möglichen Infizierten mit Hilfe technischer Überwachung. Derzeit befinden sich die täglichen Neuinfektionen im mittleren zweistelligen Bereich. Insgesamt meldeten die Behörden in Südkorea rund 14.000 Infizierte und knapp 300 Tote.

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In kaum einem anderen Land hat vor allem die Schließung der Schulen für derart viel Kontroversen gesorgt wie hier. Die konfuzianisch geprägte Gesellschaft ist schließlich für ihre Wertschätzung gegenüber Bildung berüchtigt, jedes Jahr liegen südkoreanische Schüler in der Spitzengruppe des Pisa-Tests.

Dennoch haben sich aufgrund neu aufflammenden Virusinfektionen insgesamt fünfmal die Wiedereröffnung der Schulen verschoben. Der Wiedereinstieg verlief zunächst graduell: Als erstes begannen die Oberschüler des letzten Jahrgangs am 20. Mai mit dem Präsenzunterricht im Klassenzimmer, zwei Monate später als zunächst geplant. Anfang Juni schließlich folgten Grund- und Mittelschüler, wobei hunderte Schulen erneut schließen mussten, nachdem sich ein Infektionscluster in der Hauptstadt Seoul ausbreitete.

Schüler verabschiedet sich von seiner MutterBild: Reuters/Yonhap News Agency

Reduzierung der Studiengebühren

Der derzeitige Schulalltag läuft dementsprechend ausnahmslos unter strengen Auflagen ab. Vor den Gebäudeeingängen wird jedem Schüler zunächst die Körpertemperatur gemessen. Grundsätzlich gilt während der gesamten Unterrichtszeit eine konstante Maskenpflicht sowie Social-Distancing-Maßnahmen. Schüler sitzen alleine an Tischen, die zuvor für zwei Personen vorgesehen waren.

An den Universitäten hingegen läuft der Alltag bereits wieder im Normalmodus. Nur die erste Hälfte des Sommersemesters wurde weitestgehend online absolviert, was im öffentlichen Diskurs erhitzte Diskussionen auslöste - etwa auf welchem Wege Prüfungen fair stattfinden, ob die Internetinfrastruktur ausreicht und ob Studierende Anspruch auf eine Teilerstattung der Studiengebühren haben.

Am Mittwoch (22.07.) hat die renommierte Konkuk Universität in Seoul für das kommende Wintersemester die Studiengebühren um 8,3 Prozent reduziert, was immerhin umgerechnet rund 280 Euro entspricht. Es wird erwartet, dass weitere Bildungseinrichtungen folgen werden.

Trennwände im Klassenzimmer eines südkoreanischen GymnasiumsBild: picture-alliance/AP Photo/Yonhap/K. Jun-Beom

Klinische Studien

Da der ostasiatische Tigerstaat bei der Bekämpfung des Virus im Vergleich zu Europa einige Wochen voraus liegt, bietet der Blick nach Südkorea immer auch wertvolle Einblicke auf die eigene Zukunft. Diese sind nicht eher ernüchternd: Eine breit angelegte Studie aus Südkorea unter 6.000 Haushalten hat ergeben, dass selbst Kinder unter zehn Jahren das Virus weitergeben, wenn auch die Gefahr nur halb so gering ist - möglicherweise, weil sie generell weniger Luft ausatmen oder überproportional asymptotisch sind. Teenager (zwischen 10 und 19 Jahren) hingegen sind mindestens so infektiös wie Erwachsene. Die Lehre der Studie ist eindeutig: Weltweit werden wohl immer wieder Schulen Infektionsherde für das Virus sein - und sollten daher nur unter strikten Auflagen betrieben werden.

Südkorea steht im kommenden Semester vor allem vor dem Problem, wie es die alles entscheidende Universitätseingangsprüfung, "Suneung" genannt, abhalten kann. Vergleichbar mit dem deutschen Abitur, wurde der Test bereits vom 19. November auf den 3. Dezember verschoben. Bildungsexperten, Eltern und Schüler beklagen bereits jetzt, dass der Corona-Jahrgang aufgrund des Lockdowns einen Wettbewerbsnachteil erleiden musste. Laut einer aktuellen Umfrage gaben dies auch deutlich über die Hälfte aller Schüler der südkoreanischen Oberschulen an.

 

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