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Südkorea: Was der neue Präsident außenpolitisch leisten muss

1. Juni 2025

Auf den Gewinner der Präsidentschaftswahl kommt in der Außenpolitik einiges zu: Chinas Machtanspruch im Pazifik, ein unsteter Bündnispartner USA, der aggressive Nachbar Nordkorea sowie heikle Beziehungen zu Japan.

Präsidentschaftskandidat Lee Jae-myung beim Besuch des Jogye-Tempels in Seoul, Südkorea vor mehreren anderen Personen, während er lächelnd die Hände aneinanderlegt
Wird er Südkoreas neuer Präsident? Umfragen sehen Lee Jae Myung vorneBild: Kwak Kyung-keun/Matrix Images/IMAGO

Wer auch immer die südkoreanische Präsidentschaftswahl am 3. Juni gewinnt, muss die Ärmel hochkrempeln. Da ist nicht nur die innenpolitische Spaltung des Landes seit der Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk Yeol, der mittlerweile wegen der Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember vor Gericht steht. Auch auf der internationalen Bühne warten schwierige Herausforderungen, sowohl was Rivalen als auch was Freunde angeht.

Aus den USA, Südkoreas wichtigstem Verbündeten gegen das Regime in Nordkorea, kommt Druck in Handels- und Sicherheitsfragen – insbesondere vom US-Präsidenten, Donald Trump. Denn Seoul ist bestrebt, wichtige Handelsbeziehungen zum US-Rivalen China aufrechtzuerhalten. Zudem könnten die Beziehungen zu Japan, einem weiteren wichtigen Akteur in der Region, je nach Wahlausgang Risse bekommen.

Rege Teilnahme an der Präsidentschaftswahl in Südkorea

Bereits seit Donnerstag dieser Woche können die südkoreanischen Wahlberechtigten ihre Stimme für die Präsidentschaftswahl abgeben. Und das Interesse ist enorm: Allein am ersten Tag lag die Wahlbeteiligung bei 19,6 Prozent. Das ist die höchste Quote, die je am ersten Tag einer vorzeitigen Stimmabgabe erzielt wurde.

Das Interesse an der vorzeitigen Stimmabgabe für die Präsidentschaftswahl in Südkorea ist großBild: Ahn Young-joon/AP Photo

Aktuellen Umfragen zufolge liegt der Kandidat der Demokratischen Partei (DP),Lee Jae Myung, mit rund 49 Prozent der Wählerstimmen deutlich vor seinem Konkurrenten. Der heißt Kim Moon Soo, von der People Power Party (PPP), und dürfte laut Umfragen nur etwa knapp 37 Prozent der Stimmen erhalten.

Die PPP ist auch die politische Heimat von Yoon Suk Yeol und seit dessen Absetzung politisch beschädigt. Dennoch konnte Kim den Abstand auf den als Favoriten gehandelten Lee mittlerweile verringern.

Und dann gibt es noch die konservative Neue Reformpartei. Sie kommt den Befragungen zufolge derzeit auf etwas mehr als zehn Prozent der Stimmen. Das könnte ihr möglicherweise ein Mitspracherecht bei der Zusammensetzung der neuen Regierung geben.

"Ich habe das Gefühl, dass der neue Präsident sich zunächst mit Trump auseinandersetzen muss und dann hoffen kann, danach seine weitere Politik umzusetzen", sagt Choo Jae-woo, Professor für Außenpolitik an der Kyung-Hee-Universität in Seoul. "Die größten Sorgen bereiten Südkorea aktuell die Zölle auf Exporte in die USA und die sich möglicherweise verändernde Rolle der US-Militärpräsenz in Südkorea", erklärt Choo der DW.

Die launenhaften USA: viel Unsicherheit für Südkorea

Zwar laufen derzeit Gespräche zwischen Seoul und Washington über die Handelsfragen, und eine Einigung scheint in greifbarer Nähe. Allerdings ist nicht klar, ob die USA auch alle Zölle aufheben werden.

Noch heikler ist die Frage nach den in Südkorea stationierten US-Truppen. In den vergangenen Wochen gab es Berichte, wonach das US-Verteidigungsministerium den Abzug von mehr als 4000 der 28.000 stationierten Soldaten erwägt. Die USA haben diese Berichte heruntergespielt, aber US-Präsident Donald Trump drohte wiederholt, die Truppen abzuziehen, sollte Seoul nicht mehr Geld für ihre Präsenz bezahlen.

Ein Abzug der Truppen von der südkoreanischen Halbinsel wäre sowohl für Nordkorea als auch für China ein strategischer Gewinn, warnt Professor Choo.

"Wer auch immer an die Macht kommt, muss einen Weg finden, die Beziehungen zu den USA zu regeln und sie zu einer gewissen Vorhersehbarkeit und Stabilität zurückzuführen", meint Dan Pinkston, Professor für internationale Beziehungen am Campus der Troy-Universität in Seoul. Nur so könne es für Südkorea wieder mehr Planungssicherheit geben.

Hier geeint: Südkoreanische und US-amerikanischen Truppen bei einer gemeinsamen Militärübung im Jahr 2022 nördlich von SeoulBild: YNA/dpa/picture alliance

Südkorea und die Bedrohung aus dem Norden

Nachdem die Regierung von Ex-Präsident Yoon beschlossen hatte, Nordkorea praktisch zu ignorieren und den größten Teil der Kommunikation mit Machthaber Kim Jong Un einzustellen, dürfte das Verhältnis zum Nachbarn im Norden für die neue Regierung wieder ein wichtiges Thema werden.

Während Yoons Amtszeit schmiedete Pjöngjang ein Bündnis mit Russland, in dessen Rahmen nordkoreanische Truppen in Russland und der Ukraine stationiert wurden. Angeblich revanchierte sich Moskau, indem man Nordkorea mit Treibstoff und Militärtechnologie versorgte, was zuvor aufgrund von UN-Sanktionen unmöglich war. Gestärkt durch das Bündnis mit Moskau hat Kim Jong Un nun alle Verbindungen zum Süden abgebrochen und zusätzliche Verteidigungsanlagen an der bereits stark befestigten Grenze errichtet.

"Wenn Lee gewinnt, wird er sicher versuchen, die Beziehungen zum Norden wiederherzustellen. Aber zum Tango gehören immer zwei und ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Kim irgendetwas tun wird, um sich zu revanchieren", meint Pinkston. "Die Brücken sind abgebrannt. Lee wird es versuchen, aber es wird sehr schwierig werden."

Choo stimmt zu, dass Nordkorea dem Nachbarn im Süden auch weiterhin die kalte Schulter zeigen wird. Denn Seoul werde als Verbündeter der USA wahrgenommen und als und dem Norden immer noch feindlich gesinnt.

Blick auf die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea - lassen sich wieder Brücken zwischen den verfeindeten Nachbarn bauen?Bild: Daniel Kalker/picture alliance

Wie viel Rücksicht muss Seoul auf China nehmen?

Auch die Beziehungen zu Peking sind angespannt, obwohl China der wichtigste Handelspartner Südkoreas ist. Im vergangenen Jahr importierte China südkoreanische Waren im Wert von umgerechnet rund 117 Milliarden Euro. Das entsprach 19,5 Prozent aller südkoreanischen Exporte und lag damit vor denen in die USA. Diese machten 18,8 Prozent aus.

Allerdings, so Choo, stritten Seoul und Peking derzeit über eine alte Ölplattform, die China in im Südchinesischen Meer platziert hat. China behauptet, die Anlage sei Teil eines Fischereiprojekts und somit im Rahmen eines bestehenden bilateralen Abkommens erlaubt. Südkorea dagegen befürchtet, dass Peking sie dazu nutzen könnte, um noch weiter in das von mehreren Staaten beanspruchte Gewässer vorzudringen und seine Ansprüche auf weitere Teile des Meeresgebiets zu untermauern.

Chinesisches Schiff im Südchinesischen Meer: Neben China erheben viele Anrainerstaaten Ansprüche auf Seegebiete des Meeres Bild: Tong Jiajun/Xinhua/picture alliance

"Die Angelegenheit ist heikel und könnte den neuen Präsidenten in ein Dilemma stürzen. Denn Chinas Premierminister Xi Jinping wird zum Treffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) erwartet - und das richtet in diesem Jahr Südkorea aus", erklärt Choo.

"Die neue Regierung wird keine anti-chinesische Stimmung schüren wollen, weil sie befürchtet, dass Xi seine Teilnahme am Gipfel absagen könnte. Der neue Präsident kann sich auch in dieser Frage nur auf einem schmalen Grat bewegen."

Das schwierige Verhältnis zwischen Japan und Südkorea

Unter dem abgesetzten Präsidenten Yoon führten Südkorea und Japan relativ ruhige und zukunftsorientierte Beziehungen. Ganz anders war das unter seinem Vorgänger Moon Jae-in von der Demokratischen Partei.

"Die Demokratische Partei hat traditionell China und Nordkorea bevorzugt und war in ihrer Politik oft anti-japanisch und manchmal sogar anti-amerikanisch", berichtet Cha Mok-won, der an der Ritsumeikan-Universität in Kyoto über koreanisch-japanische Politik forscht.

Südkoreanisch-japanisches Außenministertreffen: Welche Richtung wird Südkoreas neue Regierung einschlagen? Bild: Jung Yeon-je/AP/picture alliance

Da aktuelle Umfragen einen Vorsprung für Lee Jae Myung von der Demokratischen Partei vorhersagen, ist man in Tokio besorgt, dass sich die Beziehungen unter einem Präsidenten Lee wieder verschlechtern könnten. Dies könnte insbesondere dann der Fall werden, sollte Südkoreas neue Regierung einen Fokus auf diejapanische Kolonialherrschaft und die Kriegsgräuel richten.

Eine seiner ersten großen Reden werde der neue Präsident am 15. August halten, dem Jahrestag der Befreiung der koreanischen Halbinsel zum Ende des Zweiten Weltkriegs, so Professor Choo. "Wenn der neue Präsident seine erste Rede 'dornenreich' gestaltet, wird dies den Ton für den Rest seiner Amtszeit vorgeben."

Adaption aus dem Englischen: Phoenix Hanzo

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