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Südkorea: Was kommt nach der Amtsenthebung von Yoon?

4. April 2025

Nach dem endgültigen politischen Aus für den bisherigen Staatspräsidenten Yoon Suk Yeol sieht sich Südkorea enormen innen- und außenpolitischen Herausforderungen gegenüber.

Ex-Präsident Yoon Suk Yeol hört im Gerichtssaal dem Amtsenthebungsverfahren zu
Gab sich lange uneinsichtig: Ex-Präsident Yoon Suk YeolBild: AFP

Das politische Schicksal von Yoon Suk Yeol ist besiegelt: Das südkoreanische Verfassungsgericht bestätigte am Freitag das Amtsenthebungsverfahren gegen den bisherigen Staatspräsidenten - genau 111 Tage, nachdem er kurzzeitig das Kriegsrecht verhängt und damit eine tiefe politische Krise ausgelöst hatte. Bereits im Dezember war Yoon vom Präsidentenamt suspendiert worden. Nach dem Richterspruch bat Yoon um Entschuldigung.

Im Zentrum von Seoul begrüßten Zehntausende Gegner des Präsidenten das einstimmig gefällte Urteil. Derweil vergossen Yoons Anhänger ganz in der Nähe Tränen und gaben ihrer Empörung über das Urteil Ausdruck.

Nun stehen Südkorea Wahlen zur Einsetzung eines neuen Präsidenten und einer neuen Regierung bevor. Der Urnengang erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem das Land vor enormen Herausforderungen steht.

"Im Interesse der nationalen Stabilität ist das Urteil angemessen", sagt Kim Sang-woo, ehemaliger Politiker des linksgerichteten südkoreanischen Kongresses für Neue Politik und heute Vorstandsmitglied der Kim Dae-jung Friedensstiftung. "Denn es war völlig unsinnig, das Kriegsrecht zu verhängen." 

Yoon hatte Anfang Dezember wegen eines Haushaltsstreits das Kriegsrecht ausgerufen. Das Parlament in Seoul stimmte daraufhin für die Absetzung Yoons, die Staatsanwaltschaft leitete strafrechtliche Ermittlungen ein. Immer wieder kam es seitdem zu Massenprotesten für und gegen Yoon.

Emotionen: In Seoul umarmen sich Menschen nach dem Urteil gegen Präsident YoonBild: Lee Jin-man/AP Photo/picture alliance

Wie geht es weiter?

"Wir müssen jetzt nach vorne schauen", so Kim im DW-Gespräch. "Der nächste Schritt sind in zwei Monaten die Wahlen." 

Als einer der Favoriten für das Präsidentenamt gilt Lee Jae-myung, der Vorsitzende der linksgerichteten Demokratischen Partei (DPK). Im Fall seines Sieges würde seine Partei auch Yoons People Power Party (PPP) an der Regierungsspitze ablösen. Allerdings sei auch Lee durchaus umstritten und sein Sieg darum alles andere als sicher, sagt Kim.

"Lee ist ein Populist und auch ein kluger Mann", so Kim weiter. "Aber er hat mit ernsthaften rechtlichen Problemen zu kämpfen. Meines Wissens laufen derzeit noch fünf Gerichtsverfahren gegen ihn. Das nutzt jedem Kandidaten, den die PPP aufstellt."

Südkorea kämpft um seine Demokratie – wieder einmal

02:26

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Konservative würden sich zwangsläufig gegen Lees Präsidentschaft stellen, und unabhängig denkende Wähler könnten sich gegen ihn wenden", so Kim. Sollte Lee gewinnen, wären die Folgen gravierend. "Wird er Präsident, befinden wir uns in einer ähnlichen Situation wie jetzt mit Yoon. Denn eine von Lee geführte Regierung wird instabil sein. Das wird für die Dauer seiner Amtszeit zu Unordnung und Chaos führen."

Erregte Stimmung in Seoul nach Yoons Sturz

Yoons Kritiker zeigen sich über die Entscheidung des Gerichts erleichtert. "Es hat übermäßig lange gedauert, bis eine Entscheidung über das Amtsenthebungsverfahren getroffen wurde", sagt Hyobin Lee, Professorin an der Sogang-Universität in Seoul. "Ich konnte heute Morgen nicht zu Hause bleiben und habe die Urteilsverkündung mit Freunden im Zentrum von Seoul verfolgt", sagt sie im DW-Interview. "Als wir hörten, dass er angeklagt worden war, haben wir vor Freude geweint. Ich kann mein Glück kaum fassen." Es sei von enormer Bedeutung, dass die Richter das Urteil einstimmig gesprochen hätten.

"Lange Zeit nahmen viele Menschen an, dass sich das Leben der einfachen Bürger nicht ändert - unabhängig von der Führung des Landes", sagt Lee. "Dass Yoon das Kriegsrecht verhängt hat, dürfte diese Wahrnehmung jedoch stark verändert haben."

"Denn tatsächlich hängt die Lebensqualität der einfachen Menschen stark vom Verhalten der politischen Führung ab", so Lee. Darum sei das Urteil ein wichtiger Meilenstein zur Stärkung der Demokratie in Südkorea.

Der lange sich hinziehende Prozess und die schier endlosen politischen Debatten, die Spekulationen in den Medien und die öffentlichen Demonstrationen hätten viele Menschen ermüdet, sagt der Politologe Leif-Eric Easley von der Ewha Womans University in Seoul. Nun stehe das Land vor erheblichen Herausforderungen voller politischer Risiken. So dürften innerstaatliche Polarisierung und politische Instabilität weiterhin bestehen bleiben. Es sei nicht auszuschließen, dass die Radikalen unter Yoons Anhängern nun behaupteten, die Demokratie des Landes liege "in Trümmern". 

Dennoch seien die Aussichten nach Yoons Absetzung besser als davor. So sei das einstimmige Urteil des Gerichts ein Zeichen, dass die staatlichen Institutionen einer explosiven Mischung aus legislativer Blockade und exekutiver Übergriffigkeit Herr werden konnten. "Das war seit langem eine der größten Herausforderungen für die Demokratie." 

Ein harter Wahlkampf

Im nun anstehenden Wahlkampf dürfte mit harten Bandagen gekämpft werden, erwartet Easley. "Er könnte das soziale Gefüge des Landes auf die Probe stellen, wenn nicht gar zerreißen." Allerdings habe Südkorea es geschafft, das Schlimmste zu vermeiden und sehe Licht am Ende einer langen politischen Krise. "Das ist auch unbedingt nötig, denn die nächste Regierung wird sich mit vielen Problemen auseinandersetzen müssen. Zu diesen zählen unter anderem die militärischen Drohungen aus Nordkorea, der diplomatische Druck aus China und die Handelszölle seitens der USA."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea

02:59

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