Südsudan am Rande eines neuen Bürgerkrieges
28. März 2025
Noch herrscht Ruhe in Südsudans Hauptstadt Juba. Geschäfte bleiben am Freitag zunächst geöffnet und das Leben auf den Straßen läuft scheinbar seinen gewohnten Gang. Doch hinter den Kulissen brodelt es. Das zeigen ein starkes Militäraufgebot und ein Panzer vor dem Haus von Vizepräsident Riek Machar.
Machar steht seit Mittwoch unter Hausarrest, mehr als 20 seiner politischen und militärischen Verbündeten sind seit Februar festgenommen worden. Die 2020 eingesetzte Einheitsregierung ist damit de facto ausgeschaltet, es droht eine Rückkehr zum Bürgerkrieg, bei dem sich seit 2013 die ethnisch-politischen Lager von Machar und dem jetzigen Präsidenten Salva Kiir gegenüberstanden.
Welt in Alarmbereitschaft
Am Freitag reiste Raila Odinga, Kenias ehemaliger Premierminister, als Vermittler der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) nach Juba. Wiederholt hatten Vertreter der internationalen Gemeinschaft die Konfliktparteien dazu aufgerufen, zu deeskalieren, und auf eine Freilassung Machars gedrungen.
Großbritanniens Außenminister forderte britische Staatsbürger auf, den Südsudan "jetzt" zu verlassen, das Ministerium warnte, im Falle von Unruhen möglicherweise nicht helfen zu können. Bereits am Samstag hatte die deutsche Regierung ihre Botschaft in der Hauptstadt Juba geschlossen. "Nach Jahren des fragilen Friedens steht der Südsudan erneut am Rande eines Bürgerkriegs", schrieb Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in den sozialen Medien.
Angst und wenig Hoffnung in Juba
Patrick Oyet, DW-Korrespondent und Präsident der Journalistenunion im Südsudan, spricht von einer düsteren Situation: Die Menschen hätten Angst, es gebe keine Informationen von der Staatsführung über den weiteren Weg: "Wir haben wenig Hoffnung, dass alles gut wird", sagt er.
Eine weitere Eskalation im Südsudan befürchtet auch Richard Orengo, der Landesdirektor des International Rescue Committee (IRC): "Wir sind besorgt, dass - wenn die internationale Gemeinschaft und die Nachbarländer die Lage nicht rechtzeitig entschärfen - die Situation schnell zu einem handfesten Konflikt eskalieren kann, der die aktuelle Krise, die wir bereits im Land haben, noch verstärken wird", sagte er am Dienstag der DW.
Allein über 50.000 Menschen sind seit Februar vertrieben worden. "Der Südsudan steht am Rande eines humanitären Zusammenbruchs", vor allem nach der Einstellung der US-Finanzierung für ausländische Hilfsprojekte, betonte Orengo.
Kein Geld: Leben unterernährter Kinder bedroht
Das IRC verfüge über 56 Ernährungsstabilisierungszentren landesweit, in denen akut unterernährte Kinder aufgenommen würden, so Orengo. "Wenn wir diese Zentren schließen, werden die Kinder an Unterernährung sterben."
Die langjährigen Rivalen Salva Kiir und Riek Machar hatten nach einem blutigen Bürgerkrieg 2018 ein Friedensabkommen unterzeichnet - doch die 2020 geschaffene Einheitsregierung war stets von großer Instabilität geprägt.
Kiir (SPLM) ist seit der Unabhängigkeit des Südsudan vom Sudan im Jahr 2011 Präsident. Er ernannte den ehemaligen Rebellenführer und heutigen Anführer der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung in Opposition (SPLM-IO) Machar für die gemeinsame Regierungsaufgabe zum ersten Vizepräsidenten. Aber das Bündnis zerfiel immer mehr, nachdem Kiir im Rahmen einer Kabinettsumbildung in diesem Jahr Machar-Loyalisten entlassen hatte.
Im Norden des Landes eskalierte die Gewalt zwischen Regierungstruppen und einer Rebellenmiliz, der so genannten Weißen Armee, die angeblich mit Machar verbündet ist. Die Weiße Armee überrannte Anfang März ein Militärlager im Bezirk Nasir im Bundesstaat Obernil, an der Grenze zu Äthiopien und zum Sudan.
Die Kämpfer sollen größtenteils Machars ethnischer Gruppe der Nuer angehören, während Kiir ein ethnischer Dinka ist. Machars Partei streitet jegliche Verbindungen ab.
Regierungstruppen umstellten daraufhin Machars Haus in der Hauptstadt Juba und verhafteten mehrere seiner wichtigsten Verbündeten. Kiir entließ auch den Gouverneur des Bundesstaates Obernil, der Machars Partei angehörte.
Ein Kampf um Ressourcen mit ethnischer Konnotation
Laut James Okuk, Politikexperte am Zentrum für strategische und politische Studien in Juba, sind die Meinungsverschiedenheiten auf das Misstrauen innerhalb der Führung des Landes zurückzuführen; es mangelt an Koordination. "Der derzeitige Konflikt im Südsudan hat seine Wurzeln in der politischen, ethnischen und sozioökonomischen Spaltung", sagte Okuk im DW-Interview am Dienstag.
"Der Kampf um Macht und Ressourcen zwischen den dominierenden Volksgruppen hat die seit Langem bestehenden Spannungen angeheizt. Verschärft werden diese durch historische Missstände und den Wettbewerb um die Kontrolle über die junge Nation."
Korruption, das Fehlen einer effektiven Regierung und schwache Institutionen stürzten das Land weiter in einen Kreislauf der Gewalt.
Zu seiner Unterstützung holte Präsident Kiir zuletzt eine Spezialeinheit der ugandischen Truppen in die südsudanesische Hauptstadt Juba.
Die Anwesenheit der Ugander hat die südsudanesischen Oppositionsparteien verärgert, und diese Woche erklärte Machars SPLM-IO, dass sie sich teilweise aus einigen der Sicherheitsvereinbarungen des Friedensabkommens von 2018 zurückziehen werde.
Die Lage ist "katastrophal"
Die Lage im Land sei "katastrophal", sagte Nicholas Haysom, Leiter der UN-Mission im Südsudan (UNMISS), am späten Montag. Bemühungen, ein Friedensabkommen auszuhandeln, seien nur möglich, wenn beide Führer in der Lage seien, "die Interessen ihres Volkes über ihre eigenen zu stellen", so der UN-Beamte.
Für einen nachhaltigen Frieden ist laut Okuk ein umfassender Ansatz erforderlich: "Es muss ein echtes Engagement für einen integrativen und transparenten politischen Prozess geben, der unterschiedliche Interessen berücksichtigt und eine gleichberechtigte Vertretung aller Gemeinschaften gewährleistet", sagt er.
Um die Stabilität wiederherzustellen, sei es entscheidend, staatliche Institutionen zu stärken, den Rechtsstaat zu fördern und die Korruption zu bekämpfen.
Darüber hinaus müsse die politische Führung des Südsudan der nationalen Einheit Vorrang vor persönlichen und Interessen der Volksgruppen einräumen, betonte auch Okuk. "Sie muss sich zu einer integrativen Regierung, zur Achtung der Menschenrechte und zur Rechtsstaatlichkeit verpflichten."
IGAD fordert einheitliche Armee und freie Wahlen
Auch das Regionalbündnis am Horn von Afrika IGAD (Inter-Governmental Authority on Development) hat laut dem IGAD-Sonderbeauftragen für Südsudan, Ismail Wais, klare Ziele abgesteckt, um die "Krise zu deeskalieren und der Umsetzung des Friedensabkommens Vorrang zu geben."
Unter diesen nennt er insbesondere das Ziel, die Armee zu vereinheitlichen und glaubwürdige Wahlen umzusetzen. "Wir haben keine andere Wahl, als optimistisch zu sein, aber Optimismus allein reicht nicht aus. Wir müssen mehr tun, um die gesteckten Ziele zu erreichen, und wir sind bereit, die Südsudanesen zu bewegen und zu verpflichten, sich mit der IGAD für Frieden und Stabilität einzusetzen." Doch weiteren Maßnahmen scheinen aktuell in weiter Ferne.
Mitarbeit: Patrick Oyet (Juba)