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Südsudan: Ein Konflikt im Faktencheck

Theresa Krinninger12. Juli 2016

Pünktlich zum Unabhängigkeitstag fallen Schüsse in der Hauptstadt Juba. Daraus werden schwere Gefechte. Ein Friedensabkommen vor knapp einem Jahr sollte den Bürgerkrieg eigentlich beenden. Warum hält es nicht?

Südsudan Juba SPLA Rebellen
Bild: Getty Images/AFP/S. Bol

Was ist passiert?

Am Freitagabend, dem Vorabend von Südsudans fünftem Unabhängigkeitstag, fallen in der Hauptstadt Juba erneut Schüsse. Daraus werden schwere Gefechte zwischen den rivalisierenden Militärs von Präsident Salva Kiir und Soldaten unter Vizepräsident Riek Machar. Die Regierung wird später von mehr als 270 Toten sprechen. Auch zwei chinesische Blauhelmsoldaten sind unter den Opfern.

Seit Montagabend herrscht Waffenruhe. Dazu hatten die Rivalen Machar und Kiir ihre Kämpfer angewiesen. Laut Militärsprecher Lul Ruai Koang respektieren die Soldaten die Waffenruhe. Dennoch: Augenzeugen zufolge gibt es am Dienstag immer noch Gefechte im Nordosten des Landes.

Wer sind die alten und neuen Rivalen?

Warum sich Präsident Kiir und Machar streiten, ist bekannt: Kiir will Präsident bleiben, trotz der vielen vergangenen Revolten gegen seinen Vize. Das stört Machar. Ihr Machtkampf hat einen schwelenden ethnischen Konflikt neu befeuert: Machar ist Vertreter der Nuer, Kiir dagegen der Dinka, der beiden größten rivalisierenden Ethnien des Landes.

Die sudanesische Botschafterin in Deutschland, Sitona Abdalla Osman, lobt im DW-Interview, dass Kiir und Machar den Friedensprozess weiter vorantreiben würden. Kiir habe sogar eine Untersuchungskommission beauftragt, den jüngsten Gewaltausbruch aufzuklären, so Abdalla Osman. Internationale Beobachter bezweifeln indes, dass die Staatsmänner ihre Truppen überhaupt noch unter Kontrolle haben.

Auch zwei chinesische Blauhelme waren unter den OpfernBild: picture-alliance/dpa/C. Boyuan

Da stellt sich die Frage, ob mittlerweile ein anderer im Hintergrund die Strippen zieht. Immer häufiger taucht auch ein dritter Name auf: Paul Malong, ein hochrangiger Offizier der südsudanesischen Armee - und auf der Seite von Kiir. "In Juba kursieren viele Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch, gegen beide: Kiir und Machar", sagt DW-Korrespondent und Südsudan-Experte James Shimanyula.

Warum hat die Unabhängigkeit keinen Frieden gebracht?

Südsudan ist der jüngste Staat der Welt: Er erlangte 2011 nach einem Referendum die Unabhängigkeit. Vorangegangen war ein jahrzehntelanger Befreiungskampf. Die Unabhängigkeit machte Salva Kiir und Riek Machar, zwei langjährige Gegner und Anführer verschiedener Fraktionen der Befreiungsbewegung und Miliz SPLM/A, mit einem Schlag zu Präsident und Vize.

Doch der Frieden hielt nicht lange: Präsident Salva Kiir entließ Machar im Sommer 2013, nachdem Machar angekündigt hatte, selbst für das Präsidentenamt zu kandidieren. Im Dezember bezichtigte er ihn des Putschversuchs. Die Regierungsarmee spaltete sich in ein regierungstreues Lager (SPLA-IG) und eines um Machar (SPLA-IO). Die Folge: zweieinhalb Jahre Bürgerkrieg, zehntausende Tote und Millionen Südsudanesen auf der Flucht.

Nach mehreren erfolglosen Verhandlungen unterzeichneten die Konfliktparteien im August 2015 ein wackeliges Friedensabkommen. Der Krieg ging jedoch weiter. Im April 2016 bildeten die Rivalen endlich eine Übergangsregierung, wie sie das Abkommen vorsah. Machar kehrte aus dem äthiopischen Exil zurück auf seinen Posten des Vizepräsidenten. Mit dabei nach langen Verhandlungen: rund 2000 seiner Kämpfer. Das bedeutet viele unversöhnte Militärs auf engen Raum: "Da brauchte man nur ein kleines Zündholz, um ein Feuer zu entfachen", sagt Ahmed Soliman von der britischen Denkfabrik Chatham House.

Journalisten im Präsidentenpalast kauern nach Schüssen am BodenBild: Reuters/Stringer

Was den Konflikt nicht einfacher macht: "Die südsudanesische Wirtschaft stützt sich zu 98 Prozent auf Erdöl", sagt Shimanyula. Fast drei Viertel der staatlichen Ausgaben seien durch die Öleinahmen finanziert. Außerdem lägen die Ölfelder im Norden in den Bundesstaaten Unity und Upper Nile. Das ist Riek Machars Heimat. "Machar könnte mit seinen Truppen die beiden Bundesstaaten abriegeln und das Land teilen", so Shimanyula.

Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?

Einen Hoffnungsschimmer gebe es, sagt Soliman: "Nicht nur die beiden Staatschefs haben die neue Gewaltwelle sofort verurteilt, sondern auch der UN-Sicherheitsrat und der regionale Staatenbund IGAD, die Afrikanische Union sowie der südsudanesische Kirchenrat." Durch die schnelle internationale Reaktion könne es gelingen, die Gewalt wieder einzudämmen.

Derweil hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den UN-Sicherheitsrat aufgerufen, ein sofortiges Waffenembargo zu verhängen. Internationale Menschenrechtsorganisationen unterstützen seine Forderung. Außerdem müsse die 13.000 Soldaten umfassende UN-Friedensmission verstärkt werden, so Ban.

Nicht mal bei der UN konnten die Schutzsuchenden sicher seinBild: picture-alliance/dpa/UNMISS/E. Kanalstein

Obwohl der Flughafen in Juba geschlossen ist, haben internationale Organisationen bereits ihre Hilfskräfte evakuiert. Auch die EU hat entschieden, die Präsenz ihrer Mitarbeiter zu verringern.

Ein Krieg auf wessen Kosten?

Der Machtstreit zweier Männer bringt Millionen Zivlisten in Not. Nach UN-Angaben flohen am Wochenende fast 40.000 Bewohner aus Juba. Viele suchten Zuflucht in den Camps der Vereinten Nationen außerhalb der Stadt. Aber selbst dort waren sie nicht sicher. Laut UN sind auch innerhalb der sogenannten "UN-Schutzzonen" acht Menschen getötet und 67 verletzt worden.

Die gesamte Opferzahl ist jedoch viel höher: Seit Ausbruch des Bürgerkriegs haben zehntausende Menschen ihr Leben verloren. Rund 2,5 Millionen befinden sich nach UN-Schätzungen auf der Flucht, davon 1,6 Millionen im eigenen Land. Oftmals sind sie hunderte Kilometer zu Fuß unterwegs und verstecken sich monatelang im Busch. Etwa drei Millionen leiden Hunger. Nach den neuen Gefechten dürften diese Zahlen weiter steigen.

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