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Politik

"Humanitäre Krise wird besser, sobald die Waffen schweigen"

Adrian Kriesch
24. August 2017

Vier Jahre Bürgerkrieg, hunderttausende Tote, zwei Millionen Flüchtlinge: Der Südsudan gilt als gescheiterter Staat. Im Interview mit der DW schildert Präsident Salva Kiir seine Sicht der Lage.

Äthiopien Addis Abeba Salva Kiir Mayardit und  Hailemariam Desalegn
Bild: Getty Images/AFP/Z. Abubeker

DW: Der Südsudan steckt seit fast vier Jahren in einer Krise, der Bürgerkrieg tobt noch immer. Es gab mehrere erfolglose Versuche, wieder Frieden zu schaffen: Verhandlungen im Land, aber auch im Ausland. Der neueste Versuch ist ein nationaler Dialog. Warum sind Sie optimistisch, dass es jetzt klappen wird?

Salva Kiir: Ich glaube an einen letzten Versuch mit diesem nationalen Dialog. Er bringt die Hoffnung, diejenigen ins Boot zu holen, deren Beschwerden in den bisherigen Vereinbarungen nicht behandelt wurden. Wenn die Mitglieder des nationalen Dialogs zustimmen, können diese Punkte dann von den folgenden Regierungen berücksichtigt werden.

Aber es sieht danach aus, dass nicht alle Seiten an diesem Dialog teilnehmen wollen. Ihr früherer Vizepräsident Riek Machar scheint nicht daran interessiert zu sein.

Wir schließen niemanden aus. Aber in Rieks Fall geht es nicht um ihn. Die gesamte Region hier will ihn hier nicht mehr sehen. So wurde es vereinbart. Denn immer wenn er hier aufkreuzt, zettelt er wieder einen Krieg an. Seine Anwesenheit würde die gesamte Region destabilisieren, nicht nur den Südsudan.

Machar steht momentan in Südafrika unter Hausarrest. Ist er noch eine Bedrohung für die Regierung?

Nein, er ist keine Bedrohung für die Regierung. Aber er sorgt noch für Unruhe. Er telefoniert mit seinen Anhängern hier und weiß genau, wo sie sich aufhalten. Und diese Leute machen Probleme. Er sagt ihnen, dass sie weiterkämpfen und keinen Frieden akzeptieren sollen. So eine Person hat keine Fähigkeit zu führen, er hat kein Gefühl für Zusammenhalt. Er will, dass täglich Menschen sterben.

Selbst wenn Machar an Einfluss verloren hat: Es gibt mehrere bewaffnete Gruppen, die in weiten Teilen des Landes aktiv sind. Einige Ihrer Kritiker sagen, dass Sie eher der Bürgermeister von Juba als der Präsident der Republik Südsudan sind, denn Sie können sich kaum aus Juba wegbewegen.

Wenn es einen Anlass gibt, kann ich jederzeit hier weg. Erst letzten Freitag war ich zur Amtseinführung des Präsidenten von Ruanda in Kigali. Ich bin nicht der Bürgermeister.

Salva Kiir im Gespräch mit Adrian KrieschBild: DW/A. Kriesch

Aber können Sie sich im Land frei bewegen?

Ja. Welche Landesteile meinen Sie denn?

Richtung Norden beispielsweise, nach Malakal oder Bentiu. Wann waren Sie das letzte Mal dort?

Ja. Wenn ich heute nach Bentiu wollte, könnte ich das machen.

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverstöße von allen Konfliktparteien - der Opposition und den Regierungstruppen. Wie schwierig ist es für Sie, Ihre Truppen in den ländlichen Gebieten zu kontrollieren? Sie bekommen häufig keine Nahrungsmittel und haben oft keine andere Wahl, als sich durch Plünderungen zu versorgen.

Man weiß nie genau, ob das Regierungstruppen waren. Im Südsudan sind viele Leute bewaffnet. Und diese Bewaffneten tragen oft ähnliche Uniformen wie die Armee. Sie können sich einfach als Mitglieder der Armee ausgeben, oder als Polizei oder Gefängniswärter. Sie können einfach behaupten, dass sie zu den Sicherheitskräften gehören. Aber wenn wir herauskriegen, dass unsere Soldaten sowas machen, werden sie bestraft.

Sie wissen doch selbst, dass es im ländlichen Raum sehr schwer ist, die Gesetze anzuwenden. Zivilisten können in vielen Fällen doch nicht einfach zu einer Polizeistation gehen und jemanden anzeigen.

Dann wissen Sie das besser als ich. Aber als Staatsoberhaupt dieses Landes weiß ich, dass es möglich ist.

Viele Beamte, auch Soldaten und Polizisten, haben seit mehr als vier Monaten kein Gehalt bekommen. Verstärkt das den Konflikt nicht?

Es verstärkt den Konflikt nicht. Es ist bedauernswert, dass die Wirtschaft zusammengebrochen ist. Aber es ist nicht möglich, eine starke Wirtschaft zu haben, während man Krieg führt. Der Krieg kann alle Ressourcen austrocknen, die man hat. Vor diesem Krieg hatten wir keine schlechte Wirtschaft, obwohl wir ein junges Land sind. Aber wegen des Krieges haben wir alles verloren und fördern nicht alle Bodenschätze, die wir haben. Darum kann die Wirtschaft eben nicht laufen wie früher.

Wann können die Beamten und Soldaten wieder mit einem Gehalt rechnen?

Sobald wir Geld bekommen - wo auch immer wir es kriegen.

Vor wenigen Wochen war Außenminister Gabriel zu Besuch im SüdsudanBild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

Glauben Sie nicht, dass es für die Soldaten an der Front schwierig ist, über die Runden zu kommen?

Das sind Freiwillige! Sie haben ihr Leben für die Befreiung und die Unabhängigkeit ihres eigenen Landes geopfert. 21 Jahre haben sie dafür kein Gehalt erhalten. Und das ist heute auch nicht anders. 

Aktuell gibt es wieder Spannungen zwischen der UN-Mission im Land und der Regierung. Streitpunkt ist die regionale Einsatztruppe. Neben den 12.000 Blauhelmen sollen weitere 4000 Soldaten die Hauptstadt Juba schützen. Die Regierung scheint das nicht gut zu finden.

Fragen Sie das die Staatschefs der Region, die vorgeschlagen haben, dass es eine regionale Schutztruppe geben soll. Die regionale Schutztruppe kommt doch gar nicht aus der Region. Der Name ist falsch. Jetzt werden Nepalesen hergebracht, die hier keine Funktion haben. Aber wir haben akzeptiert, dass sie kommen. Die existierenden Meinungsunterschiede werden wir schon klären.

Die humanitäre Lage im Land ist ernst: Zwei Millionen Menschen sind unterernährt, eine Million Menschen sind allein nach Uganda geflüchtet.

Die humanitäre Krise wird besser, sobald die Waffen schweigen. Dann werden die humanitären Organisationen zurückkommen und jeder kann in seine Heimat zurückkehren. Das ist kein große Sache.

Das ist gerade also keine Priorität Ihrer Regierung?

Das ist eine Priorität! Darum arbeiten wir ja mit den Nichtregierungsorganisationen - um den Menschen zu dienen. Für diese Menschen haben wir gekämpft, wir haben sie befreit. Wir lassen sie also auch nicht verhungern. Die Leute, die nach Uganda geflüchtet sind, wurden von den sozialen Medien vertrieben. Es gab in dem Gebiet überhaupt keine Kämpfe. Ein UN-Vertreter ist hierhergekommen - eigentlich um die humanitäre Situation zu beurteilen und dann mögliche Hilfe zu arrangieren. Stattdessen haben die Vereinten Nationen geschrieben, es zeichne sich ein Genozid im Südsudan ab. Das ist aber nie passiert. Menschen wurden aufgefordert, zu fliehen, sonst würden sie sterben.

Wollen Sie damit sagen, dass der UN-Bericht nicht die Wahrheit sagt?

Das sind irreführende Informationen und eine Verschwörung gegen die Regierung der Republik Südsudan.

Fast zwei Millionen Menschen sind vor dem Konflikt geflohenBild: Getty Images/AFP/I. Kasamani

Eine Verschwörung der Vereinten Nationen?

Nicht von den Vereinten Nationen, sondern von den Menschen, die sich gegen die Regierung verschworen haben.

Das heißt konkret?

Ich werde keine Namen nennen, aber es gibt internationale Einmischungen in unsere individuellen Angelegenheiten.

Es gab nie nationale Wahlen im Südsudan. Die ersten Wahlen sollten vor zwei Jahren stattfinden. Wegen der Krise haben Sie entschieden, sie zu verschieben.

Ich habe sie nicht verschoben.

Dann das Parlament.

Ich habe nichts verschoben. Der Krieg hat sie verschoben. Es war nicht möglich, denn es wurde gekämpft.

Nächstes Jahr könnten die Wahlen nun stattfinden. Ist das wahrscheinlich?

Wir haben uns auf Wahlen im Jahr 2018 geeinigt. Und wir warten auf diesen Tag.

Sind sie optimistisch, dass sie stattfinden können oder wäre es unter den aktuellen Umständen nicht möglich?

Wir überqueren die Brücke erst, wenn wir dort ankommen. 

Wenn die Wahlen stattfinden, werden Sie kandidieren?

Auch das werde ich erst dann beantworten.

Salva Kiir ist seit 2011 Präsident des Südsudan. Er gehört zu den Gründern der Rebellenbewegung SPLM, die von 1983 bis 2005 in einem blutigen Bürgerkrieg für die Unabhängigkeit des Südsudans vom Sudan kämpfte. 2011 wurde der Südsudan schließlich unabhängig. Seit 2013 tobt im jüngsten Staat der Welt wieder ein Krieg: Verschiedene Rebellengruppen kämpfen gegen die Regierungsarmee. Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen werfen beiden Seiten schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Im Dezember 2016 warnte der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vor einem möglichen Genozid. Der Konflikt soll hunderttausende Menschenleben gefordert haben, mehr als vier Millionen Südsudanesen sind auf der Flucht.

Das Gespräch führte Adrian Kriesch.

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