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S. Mohammadi: Opfer politisch motivierter Justiz im Iran

19. September 2025

Der Oberste Gerichtshof hat das Todesurteil gegen die Menschenrechtsaktivistin Sharifeh Mohammadi bestätigt. Im Iran ist die Legitimität der Justiz seit langem untergraben. Der Widerstand gegen Todesurteile wächst.

Iran | Sharife Mohammadi
Der 46-jährigen Sharife Mohammadi droht die HinrichtungBild: hra-news

Seit Dezember 2023 sitzt Sharifeh Mohammadi im Gefängnis. Der 46-jährigen Aktivistin und Ingenieurin wird "bewaffnete Rebellion gegen den Staat" vorgeworfen. Ihr droht nun wieder die Hinrichtung.

Bereits 2024 und im Frühling 2025 war sie zweimal zum Tode verurteilt worden. Im August bestätigte der Oberste Gerichtshof zum wiederholten Mal das Todesurteil. Mohammadi hat einen 13-jährigen Sohn. Ihr Einsatz für die Arbeitnehmerrechte brachte sie ins Visier der Behörden.

Aktivistin Mohammadi (46) wurde zweimal zum Tode verurteilt. Sie hat einen 13-jährigen SohnBild: Privat

Sie war Mitglied eines Koordinationskomitees für die Bildung von Arbeitsorganisationen in der nordiranischen Küstenstadt Rasht am Kaspischen Meer. Dort arbeitete und lebte sie mit ihrer Familie. Für die Regierung ist das Komitee eine "oppositionelle Gruppierung".

"Jede Form von Protest strafbar"

Nach dem iranischen Strafrecht können drei Vergehen mit dem Tod bestraft werden: Moharebeh ("Krieg gegen Gott"), Verderbtheit auf Erden und Rebellion (baghi), erklärt die Anwältin Marzieh Mohebi auf Nachfrage der Deutschen Welle. "Die entsprechenden Gesetzesartikel sind so vage formuliert, dass Richter nahezu jede Form von Protest oder politischer Aktivität darunter fassen können."

Marzieh Mohebi lebt seit zwei Jahren im französischen Exil. Im Iran hatte sie ein Netzwerk von Juristinnen aufgebaut, die weibliche Gefangene oft unentgeltlich und unter schwierigen Bedingungen vertraten.

Im September 2022 brachen landesweite Proteste nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam aus. Amini soll die obligatorische Kopfabdeckung nicht richtig getragen haben. Es entwickelte sich die Bewegung unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit", die zu einem Symbol des Widerstands gegen den Kopftuchzwang und die systematische Diskriminierung von Frauen wurde.

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Viele Juristinnen wurden im Zuge systematischer Unterdrückung der Demonstrationen festgenommen. Gegen Anwältin Mohebi leitete das Revolutionsgericht der nordiranischen Stadt Maschhad ein Verfahren ein, bevor sie verhaftete Demonstrantinnen rechtlich unterstützen konnte.

Vage Gesetze, harte Strafen

"Es ist nicht schwierig, normale Menschen schnell zu 'Kriminellen' zu machen", sagt Mohebi, "diese Praxis ist kein rechtsstaatliches Verfahren auf der Grundlage der von der Islamischen Republik geschaffenen Gesetze, sondern Ausdruck des Regimes, jegliche Form zivilgesellschaftlicher Aktivität unter dem Vorwand der Sicherheit zu unterdrücken. Sie zeigt, dass das Regime selbst zu Krisenzeiten die Unterdrückung der Opposition im Inland weiterhin als ihre wichtigste Aufgabe betrachtet."

Die verurteilte Sharifeh Mohammadi ist Arbeitsrechtlerin, Feministin und Gegnerin der Todesstrafe. Nach ihrer Festnahme 2023 wusste ihre Familie monatelang nicht, wo und warum sie festgehalten wurde. Später berichtete Mohammadi ihrer Familie, dass sie mehr als 200 Tage in Einzelhaft verbrachte und gefoltert sowie misshandelt wurde.

Im Juni 2024 verurteilte das Revolutionsgericht in Rasht Mohammadi wegen "baghi" zum Tode. Zwar hob der Oberste Gerichtshof das Urteil im Oktober 2024 auf und ordnete eine Revision an. Doch nach einem neuen Verfahren bestätigte das Gericht im Februar 2025 das Todesurteil.

"Nach den Gesetzen der Islamischen Republik ist ein Rebell eine Person, die direkt an einem bewaffneten Aufstand gegen die Regierung beteiligt war", sagt Sozial- und Genderforscherin Fatemeh Karimi. "Sharifeh hatte dagegen keine Verbindung zu bewaffneten Aktionen. Es gibt keine Beweise dafür. Was Sharifeh tat, war gewerkschaftliche Aktivität im Rahmen von Arbeitsprotesten und entspricht rechtlich keineswegs der strafrechtlichen Definition einer Rebellion."

Wachsende Kritik im Iran und weltweit

Menschenrechtsorganisationen berichteten von schwerwiegenden Verfahrensmängeln und sprechen von einem politisch motivierten Prozess.

Die Todesurteile wurden zum Beispiel von zwei unterschiedlichen Richtern gesprochen, die miteinander im Verwandtschaftsverhältnis 1. Grads stehen. Ahmad Darvish-Goftar, Vorsitzender der Strafkammer 1, ist der Sohn des vorsitzenden Richters Mohammad Ali Darvish-Goftar der Strafkammer 2.

Der Fall sorgt international für heftige Kritik. Mehrere europäische Gewerkschaften, darunter die deutsche, französische und schwedische, sowie der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) forderten die Aufhebung des Urteils und die sofortige Freilassung von Sharifeh Mohammadi.

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Auch innerhalb des Irans wächst die Kritik am Todesurteil. Die iranische Lehrergewerkschaft verurteilte das Urteil als "unmenschlich und ungerecht". In ihrer Stellungnahme bezeichnete sie das Todesurteil als ein Mittel, Angst zu verbreiten und kollektive Arbeitsbewegungen zu unterdrücken.

Ferner kursiert im Internet ein Video, das eine friedliche Versammlung eines großen Zuckerrohrbetriebs vom Anfang August zeigt. Die Teilnehmer forderten ebenfalls ein faires Verfahren gegen Mohammadi. Der Betriebsrat der "Haft Tappeh Sugarcane Agro-Industry Co." gehört zu den aktivsten Stimmen gegen Repression und für Arbeiterrechte im Iran.

Amnesty International und zahlreiche iranische wie internationale Menschenrechtsorganisationen fordern die sofortige Aufhebung des Todesurteils.

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