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PolitikGeorgien

Sacharow-Preis für georgische Journalistin Msia Amaghlobeli

Said Mirzoev
22. Oktober 2025

Das EU-Parlament hat Msia Amaghlobeli mit dem diesjährigen Sacharow-Preis ausgezeichnet. Die Journalistin hat zu Korruption in Georgien recherchiert und wurde bei den Massenprotesten im vergangenen Winter inhaftiert.

Georgische Journalistin Msia Amaghlobeli
Msia AmaghlobeliBild: Publika.ge

Die inhaftierten Journalisten Msia Amaghlobeli aus Georgien und Andrzej Poczobut aus Belarus sind Träger des Sacharow-Preises für geistige Freiheit 2025. Dies gab das Europäische Parlament am 22. Oktober in Straßburg bekannt. 

"Beide sind Journalisten, die derzeit zu Unrecht wegen erfundener Vorwürfe im Gefängnis sitzen, allein weil sie ihre Arbeit machen und sich gegen Ungerechtigkeit aussprechen. Ihr Mut symbolisiert den Kampf für Freiheit und Demokratie. Dieses Haus steht hinter ihnen und all denen, die weiterhin Freiheit einfordern," sagte Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola bei der Plenarsitzung. 

Msia Amaghlobeli wurde im August in Georgien zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil sie während einer proeuropäischen Demonstration einen Polizisten geohrfeigt hatte.

Journalistin unter Druck der Behörden

Bekannt geworden ist die 50-jährige Msia Amaghlobeli vor allem als Mitbegründerin und Leiterin zweier unabhängiger Medien: Im Jahr 2000 gründete sie die Regionalzeitung Batumelebi, die über Korruption und Menschenrechtsverletzungen in der Autonomen Region Adscharien und deren Hauptstadt Batumi berichtete. Die Zeitung wurde sowohl seitens des autokratischen adscharischen Staatschefs Aslan Abaschidse als auch vom damaligen Präsidenten Michail Saakaschwili und der heutigen Regierungspartei "Georgischer Traum" unter Druck gesetzt und bedroht. 2009 erhielt Batumelebi den Europäischen Pressepreis, mit dem Medien ausgezeichnet werden, die sich Zensur und Repression widersetzen.

Außerdem gehört Msia Amaghlobeli zu den Gründern der georgischen Online-Zeitung Netgazeti, die 2015 ebenfalls den Europäischen Pressepreis gewann. Beide Zeitungen veröffentlichten Untersuchungen zu Korruption und Amtsmissbrauch. 2022 sperrte die russische Aufsichtsbehörde Roskomnadsor den Zugang zur russischsprachigen Version von Netgazeti in Russland.

Warum wurde Amaghlobeli verhaftet?

Im Herbst 2024 formierten sich nach den Parlamentswahlen in Georgien Massenproteste gegen die neue Regierung. Die Demonstranten, zunächst geführt von der damaligen Präsidentin Salome Surabischwili, zweifelten das offizielle Wahlergebnis an. Und  sie lehnten die Entscheidung der angeblichen Wahlsieger ab, die europäische Integration des Landes auszusetzen. Dutzende Demonstranten wurden wegen verschiedener Vorwürfe inhaftiert. Die Proteste hielten über Monate an. In ihrem Verlauf wurden zahlreiche Pressevertreter Opfer von Polizeigewalt und wurden inhaftiert. Die erste Journalistin, die im Zuge dieses rigorosen Vorgehens der Regierung gegen Demonstranten im Gefängnis landete: Msia Amaghlobeli.

Kundgebung für eine proeuropäische Ausrichtung Georgiens in Tiflis im Oktober 2025Bild: Giorgi Arjevanidze/AFP/Getty Images

Amaghlobeli hatte an Protesten in ihrer Heimatstadt Batumi am Schwarzen Meer teilgenommen. In der Nacht vom 11. auf den 12. Januar wurde sie gleich zweimal festgenommen - das erste Mal, weil sie Aufkleber mit einem Aufruf zum Generalstreik verbreitet hatte. Vor der Polizeiwache formierte sich unterdessen ein Protest für die Freilassung festgenommener Demonstranten. Als Amaghlobeli nach zwei Stunden Arrest wieder freigelassen wurde, schloss sie sich sofort den Mitstreitern an und wurde kurz darauf erneut festgenommen.

Die Journalistin soll den Polizeichef von Batumi, Irakli Dgebuadse, während einer verbalen Auseinandersetzung geohrfeigt haben. Georgischen Medien war er es auch gewesen, der sie schon früher am Tage hatte verhaften lassen. Die Journalistin bestritt, Dgebuadse absichtlich geschlagen zu haben. Ihre Verteidigung beteuerte, sie habe lediglich impulsiv auf ein "provokatives Vorgehen der Polizei" reagiert.

Premierminister Irakli Kobachidse unterstützte die Verhaftung der Journalistin: "Alle sollten wissen, dass ein Polizist unantastbar ist. Ein Polizist repräsentiert den Staat, repräsentiert die Macht des Staates. Insbesondere wenn es sich um einen hochrangigen Polizisten handelt, ist ein solches Verhalten gegenüber ihm äußerst inakzeptabel. Das ist nicht nur inakzeptabel, sondern das stellt eine sehr schwere Straftat dar", erklärte der Premier.

Wie verlief der Prozess gegen Amaghlobeli?

In einer Einzelzelle gesperrt trat Amaghlobeli in einen Hungerstreik zum Zeichen, dass sie ihre eigene Verhaftung sowie die anderer Demonstranten für ungerechtfertigt hielt. Nach 38 Tagen beendete sie den Hungerstreik, nachdem sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hatte. Laut ihrer Anwältin Maja Zariaschwili hatte sich Amaghlobelis Sehvermögen verschlechtert: "Sie hat auf beiden Augen einen grauen Star. Auf einem Auge ist sie praktisch erblindet, das andere erreicht selbst mit Brille nur noch 30 Prozent Sehkraft."

Msia Amaghlobeli im GerichtssaalBild: Formula News

Am 6. August 2025 wurde Msia Amaghlobeli zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Zunächst hatte die Anklage den schweren Vorwurf "Angriff auf einen Polizeibeamten" erhoben, womit wohl eine deutlich härtere Strafe verbunden gewesen wäre. Der zuständige Richter rollte den Fall jedoch neu auf und befand die Journalistin schließlich des "Widerstands, der Bedrohung oder der Anwendung von Gewalt gegen einen Ordnungshüter" für schuldig.

In ihrem Schlussplädoyer zeigte sich die Journalistin unbeugsam: "Dieses Urteil ist nicht nur eine Strafe für mich, sondern auch für Sie, meine Herren Staatsanwälte. Es ist eine Abstrafung des Berufs all derer, die sich im Auftrag des Staates an diesem Fall beteiligt haben." Zur Urteilsverkündung hatte sich eine Menschenmenge im Hof ​​des Gerichtsgebäudes versammelt, um die Journalistin zu unterstützen und ihre Freilassung zu fordern.

Unterstützung in Georgien und im Ausland

Nach ihrer Verhaftung wurde Msia Amaghlobeli zum Symbol für die Unterdrückung der Presse durch georgische Behörden. Dutzende Menschenrechtsorganisationen sowie Vertreter mehrerer Länder bezeichneten das Urteil gegen die Journalistin als politisch motiviert.

Polizei nimmt im Februar 2025 Demonstranten bei einem Protest in Tiflis festBild: Giorgi Arjevanidze/AFP

Im Juni verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, in der es ausdrücklich sofortige und bedingungslose Freilassung der Journalistin forderte. Ihre Inhaftierung sei, so die Entschließung, Teil eines umfassenderen Angriffs auf unabhängige Medien in Georgien. Auch Menschenrechtler, Anwälte und Kollegen von Amaghlobeli lehnen das Verfahren als politisch motiviert ab. Sie betonen, das Verhalten der Journalistin rechtfertige keine strafrechtliche Verfolgung. In einer der zahlreichen Solidaritätsaktionen für Msia Amaghlobeli veröffentlichten Hunderte Medienvertreter eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Journalistin als erste Gewissensgefangene des heutigen Georgiens bezeichneten.

Dutzende internationale Organisationen fordern Amaghlobelis Freilassung und beklagen die Unterdrückung der Medienfreiheit in Georgien. Auch westliche Politiker und Diplomaten, darunter die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sowie die EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos, haben der Journalistin wiederholt ihre Unterstützung ausgesprochen.

Sacharow-Preis für geistige Freiheit

Die Verleihung des Sacharow-Preises findet am 16. Dezember statt. Msia Amaghlobeli wird aufgrund ihrer Haftstrafe jedoch nicht persönlich teilnehmen können. 

Der mit 50.000 Euro dotierte Preis ist benannt nach dem sowjetischen Physiker und Menschenrechtsaktivisten Andrej Sacharow. Er wurde 1988 vom Europäischen Parlament ins Leben gerufen und wird jährlich an Einzelpersonen oder Organisationen verliehen, die sich um den Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Meinungs- und Gewissensfreiheit verdient gemacht haben.

Neben Msia Amaghlobeli und Andrzej Poczobut waren Journalisten und humanitäre Helfer in Gaza und anderen Konfliktgebieten, vertreten durch den Palästinensischen Journalistenverband, den Roten Halbmond und das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) sowie serbische Studenten für den Sacharow-Preis 2025 nominiert.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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