Sacharow-Preis für Journalisten in Lukaschenkos Straflager
22. Oktober 2025
Der polnischstämmige Korrespondent der linksliberalen polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza in Belarus, Andrzej Poczobut, stand schon lange mit dem belarussischen Regime von Alexander Lukaschenko auf Kriegsfuß. In den Jahren 2010 und 2011 wurde er wegen der Teilnahme an Protestveranstaltungen zweimal verhaftet. Während der Massenproteste nach der gefälschten Präsidentenwahl vor fünf Jahren spitzte sich der Konflikt zwischen ihm und dem belarussischen Regime weiter zu.
Am 25. März 2021 stürmten Mitarbeiter des Geheimdienstes KGB seine Wohnung in Grodno und beschlagnahmten seine Computer, Dokumente und polnische Bücher. Poczobut selbst wurde festgenommen. Nach der Verhaftung des Journalisten meldete sich Lukaschenko selbst zu Wort. "Eine illegale Organisation in Grodno glorifizierte offen Banditen und Nazis", donnerte der Diktator. Danach begann für Poczobut eine lange Odyssee durch verschiedene Haftanstalten in Belarus.
Odyssee durch belarussische Gefängnisse
Poczobut wurde unter anderem in ein Gefängnis in der Hauptstadt Minsk eingeliefert, wo im 19. Jahrhundert polnische Aufständische inhaftiert waren und wo im Zweiten Weltkrieg polnische Staatsbürger durch die sowjetische Geheimpolizei NKWD hingerichtet wurden. Um seinen Widerstand zu brechen, wurde der Journalist in einen Flügel der Haftanstalt verlegt, wo die zum Tode verurteilten Häftlinge untergebracht waren.
Nach einem Schauprozess wurde Poczobut 2023 wegen "Anstiftung zum nationalen und religiösen Hass" sowie "Befürwortung des Nazismus" zu acht Jahren Haft verurteilt. Er wurde in die berüchtigte Strafkolonie Nr. 1 gebracht - ein Lager mit verschärften Haftbedingungen im Norden des Landes, nicht weit von der russischen Grenze. Die ersten Monate verbrachte er dort in einer Einzelzelle.
"Andrzej weiß, dass sein Leben gefährdet ist. (…) Er geht den Weg, den vorher (der tschechische Schriftsteller Vaclav) Havel, (der Chef der südafrikanischen Widerstandsbewegung ANC, Nelson) Mandela und (der polnische Gewerkschaftsführer Lech) Walesa beschritten haben. Er hält an diesem Weg fest", schrieb der Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, Adam Michnik, der selbst ein antikommunistischer Dissident war. Er bescheinigte dem Journalisten eine "heroische Haltung".
Gefährliche Mischung: Regime-Kritiker und Pole
Poczobut gehört der polnischen Minderheit im 9,1 Millionen-Einwohnerstaat Belarus an, die nach verschiedenen Schätzungen zwischen 300.000 und einer Million Menschen zählt. Der 52-jährige Journalist, der nur einen belarussischen Pass hat, war auch im Verein der Polen in Belarus tätig. Mit ihm wurden zwei Aktivistinnen dieses Vereins festgenommen. Sie wurden inzwischen freigelassen.
Poczobut, der seit fast 20 Jahren mit der renommierten polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza zusammenarbeitet, geriet immer wieder ins Fadenkreuz belarussischer Behörden - doch meistens kam er mit einem blauem Auge davon. 2011 wurde er vor Gericht gestellt, weil er in einem seiner Texte Lukaschenko einen Diktator genannt und EU-Sanktionen gegen Belarus gefordert hatte. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, kam aber nach einigen Monaten frei. In dieser Zeit versuchte Brüssel, Lukaschenko von seinem engen Bündnis mit Russland abzubringen. Der Diktator wollte sich damals kompromissbereit zeigen.
Seit seiner letzten Festnahme 2023 berichten polnische Medien immer wieder von geheimen Verhandlungen, die zur Freilassung Poczobuts führen sollen. Doch weder beim letzten, von den USA eingefädelten Gefangenenaustausch, noch bei früheren Deals kam der Journalist frei.
Kein Gnadenersuchen an Lukaschenko
"Das belarussische Regime wollte den Widerstand von Poczobut brechen, ist aber gescheitert. Lukaschenko bleibt nur noch die Rache", sagte die im Ausland lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Ihr Ehemann, Sergej Tichanowski, der im Jahr 2020 als Präsidentschaftskandidat gegen Lukaschenko angetreten war, wurde im vergangenen Juni nach fünf Jahren in belarussischer Haft freigelassen.
Poczobuts Redaktionskollege Bartosz Wielinski von der Gazeta Wyborcza meint, Lukaschenko fühle sich wegen des Vorwurfs, dass er ein Diktator sei, persönlich beleidigt. Poczobut stehe nicht nur für standhaften Journalismus, sondern symbolisiere auch Polen - das Land, in dem der belarussische Diktator den Inbegriff des verhassten Westens sieht, so Wielinski im Gespräch mit der DW.
Dabei könnte Poczobut schon längst in Freiheit sein - wenn er sich Lukaschenko unterwerfen, den Diktator um Gnade bitten und Belarus verlassen würde. Dieses Angebot, das man ihm bereits nach der Verhaftung gemacht hatte, lehnte er jedoch stets ab.
Für seinen Mut und seine Standhaftigkeit wurde der inhaftierte Journalist mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments 2025 ausgezeichnet - zusammen mit der georgischen Journalistin Msia Amaghlobeli. Sie wurde im Januar dieses Jahres festgenommen und im August zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Sacharow-Preis ist eine Auszeichnung des Europäischen Parlaments, die seit 1988 jährlich vergeben wird. Er erinnert an den russischen Physiker und Dissidenten Andrej Sacharow und ehrt Personen, Gruppen oder Organisationen, die sich außergewöhnlich für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen. Ob er dem inhaftierten Journalisten Andrzej Poczobut hilft, ist jedoch ungewiss. Bisher hat Lukaschenko auf internationalen Druck stets mit einer Verschärfung seiner Haltung reagiert.