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Sag mir, wo die Schiffe sind

Dirk Kaufmann
31. Januar 2022

Die Container, die im Welthandel um den Globus geschickt werden, geben Hinweise auf die aktuelle Konjunktur. Aus den USA kommen gerade bedenkliche Nachrichten und auch beim Weltkonjunkturmotor China läuft es nicht rund.

 Al Hilal Monrovia  Containerschiff
Bild: paul mayall/picture alliance

Das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen hatte in der vergangenen Woche eine gute Nachricht: "Der Containerumschlag ist in vielen Häfen der Welt kräftig angestiegen." Dies "dürfte zu einer leichten Entspannung der Lieferengpässe in einigen Bereichen beigetragen haben". Das schrieb RWI-Konjunkturchef Torsten Schmidt am 28. Januar zur aktuellen Ausgabe des RWI/ISL-Containerumschlagindexes, der vom Institut für Seeverkehr und Logistik (ISL) und dem RWI herausgegeben wird.

Allerdings deutet ein Ansteigen des Containerumschlages nicht unbedingt auf eine gesteigerte Produktion oder Nachfrage hin. Durch die pandemiebedingten Verwerfungen der vergangenen zwei Jahre müssen viele Lieferungen noch nachgeholt werden.

Wenn ein Container befördert und auch ausgeladen wird, kann man noch lange nicht sagen, ob das auch wieder dem internationalen Fahrplan entspricht. In der Tat klagen viele Kunden, aber auch Reeder und Hafenbetreiber, zurzeit träfe so gut wie keine Lieferung pünktlich ein.

Vor dem Hafen von Los Angeles: Weltweit liegen hunderte Schiffe auf Reede und warten auf ihre AbfertigungBild: Mark Holtzman/Zumapress/picture alliance

Verspätungen im Dutzend

Das Logistik- und Transportunternehmen Kühne + Nagel (K + N) aus dem schweizerischen Schindellegi beobachtet mit seinem Tool Seaexplorer ebenfalls die internationalen Handelswege. Der zeige, so Dominique Nadelhofer, bei K + N für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, dass am 28. Januar 567 Containerschiffe vor den Häfen gelegen und auf Abfertigung gewartet hätten.

Um eine solche Zahl objektivieren zu können, hat K + N einen eigenen Index geschaffen, den Seaexplorer Disruption Indicator. Dabei wird ein Standard-Container (TEU) auf einem Schiff mit der Zahl der in Wartestellung verbrachten Tage multipliziert. So kommt man bei einem Frachter, der 18.000 Standard-Boxen geladen hat und zehn Tage auf Reede liegt, zu einer Kennziffer von 180.000.

Am vergangenen Freitagvormittag, dem 28. Januar, ergab der Seaexplorer Disruption Indicator von K + N "12,5 Millionen TEU-Wartetage vor den neun wichtigsten Häfen weltweit", so Dominique Nadelhofer zu DW. Auf die Frage, wie diese abstrakte Zahl im längerfristigen Vergleich einzuordnen sei, antwortete er: "Vor einem Jahr waren es unter hundert Containerschiffe. Beim Disruption Indicator sehen wir derzeit sogar die 12-fache Anzahl an Schiffen gegenüber normalen Zeiten."

Häfen unterschiedlicher Effizienz

Es gibt nicht nur einen Grund, warum Schiffe in einem Hafen nur verzögert entladen werden. Statt zum Löschen am Kai festzumachen, müssen die Frachter "auf Reede", also vor dem Hafen, warten. In den USA, so Nadelhofer von K + N, sei derzeit ein Mangel zu beklagen, den in Europa auch Großbritannien kennt: "Gerade in Nordamerika ist der aktuelle Mangel an Lkw-Fahrern eine Herausforderung."

Mögen die Vereinigten Staaten auch nicht unter den Folgen des Brexit leiden wie ihre britischen Vettern - die Konsequenz ist die gleiche: In den Häfen wird der Platz knapp, weil die bereits angelandeten Container nicht weitertransportiert werden.

Außerdem ist nicht jeder Hafen gleich gut ausgerüstet oder optimal organisiert. Es gibt global gesehen große Unterschiede. Der  New Global Container Port Performance Index (CPPI) Rangliste der effizientesten Häfen der Welt, herausgegeben von der Weltbank und dem Londoner Daten- und Informationsdienstleister IHS Markit, zeigt eine klare Rangfolge: Die effizientesten Häfen liegen ausnahmslos in Asien.

Die ersten drei Häfen im Ranking sind Yokohama in Japan, gefolgt vom King Abdullah Port in Saudi Arabien und Qingdao in China auf dem dritten Platz. Algeciras in Spanien ist der bestplatzierte in Europa (Platz Zehn), der beste Hafen auf dem amerikanischen Kontinent (Platz 25) liegt in Mexiko, der nächste Kandidat in der Neuen Welt ist dann das kanadische Halifax - auf Platz Fünfzig.

China wird zum Bremser

Dass die chinesischen Häfen zu den am besten organisierten Umschlagplätzen weltweit gehören, heißt nicht automatisch, dass sie weiterhin ein Konjunkturmotor im Welthandel wären. Die Null-COVID-Politik Pekings hat zuletzt immer wieder zu Terminalschließungen in chinesischen Häfen geführt, die in der Folge den globalen Handel merklich ausgebremst haben.

Diese Beobachtung schlägt sich auch im RWI/ISL-Index nieder. Zwar hat der globale Umschlag an Containern, in absoluten Zahlen gemessen, im vergangenen Jahr wieder zugenommen. Doch gebe es dabei eine entscheidende Ausnahme, so die RWI/ISL-Forscher: "Der Anstieg des Index geht auf eine deutliche Ausweitung des Umschlags in den Häfen außerhalb Chinas zurück. In den chinesischen Häfen ist der Containerumschlag jedoch kräftig zurückgegangen."

Qingdao, einer der größten und effizientesten Häfen der Welt - hier ginge deutlich mehrBild: Yu Fangping/Costfoto/picture alliance

Besserung noch nicht in Sicht

Dominique Nadelhofer vom Logistiker Kühne + Nagel zählt gegenüber DW einige Gründe auf, weshalb der Warenaustausch nicht mehr rund läuft: "Schlussendlich waren es auch Corona-Maßnahmen, die die Abfertigung von Schiffen immer wieder behindert haben." Doch insgesamt sei es "eine Kombination vieler Faktoren, die zur aktuellen Lage geführt haben."

Die Entwicklung habe schon vor Ausbruch der Pandemie begonnen. Damals "verkleinerten die Reeder ihre Flotten und begannen, Schiffe zu verschrotten. Damit kamen nicht nur die Schiffe aus dem Takt, sondern auch die Container, die plötzlich am falschen Ort waren. Der Nachfrageboom im dritten Quartal 2020 setzte schlagartig ein - weil die Leute statt zu reisen beispielsweise einen Hometrainer kauften oder ihre Terrassen renovierten. Ebenfalls fiel mit dem Frachtraum im Passagierflugzeug ein wichtiger Teil des Lufttransports weg."

Wann es wieder rund laufen wird, wagt er nicht vorherzusagen. Der Verwaltungsratspräsident von Kühne + Nagel, Jörg Wolle, hatte kürzlich der Financial Times gesagt, mit Glück sähen "wir im Herbst eine tatsächliche Erleichterung im System".

Torsten Schmidt vom RWI sieht sogar noch zurückhaltender in die Zukunft: "Der erneute kräftige Rückgang des Containerumschlags in den chinesischen Häfen könnte ein Indiz dafür sein, dass sich die Lieferprobleme in den kommenden Monaten nochmals verschärfen."

 

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