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Mit simplen Botschaften auf Mitgliederfang

Ulrike Hummel3. Juli 2014

Die Salafistenszene in Deutschland erhält besonders von Jugendlichen immer stärkeren Zulauf. Warum ist die islamistische Bewegung so beliebt und wie kann man junge Menschen davor schützen, zu "Gotteskriegern" zu werden?

Islamisten-Kundgebung in Hamburg (Foto: Bodo Marks dpa/lno)
Bild: picture-alliance/dpa

500 deutsche Dschihadisten in Syrien, rund zwanzig Tote und etwa 100 Rückkehrer mit Gefahrenpotenzial - das ist die vorläufige Bilanz einer noch immer schnell wachsenden islamistischen Bewegung, die nicht nur in Deutschland um sich greift: dem Salafismus. Nur ganz wenige der in Deutschland lebenden Muslime - etwa 5.500 von rund vier Millionen bundesweit - folgen tatsächlich der salafistischen Lehre des sunnitischen Islams, nur einige Hundert von ihnen sind gewaltbereit. Aber die Bewegung wächst - und sie wächst rasant. Wie Jugendliche und junge Erwachsene über die Gefahren aufgeklärt werden können, war Thema einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung.

Islamistische Milieus als Ersatzfamilie

Der Salafismus ist sowohl für langjährige Muslime als auch für Konvertiten attraktiv. "Für manche Jugendliche ist das wie eine Ersatzfamilie. Sie finden dort Anerkennung und Geborgenheit, also eine Gemeinschaft von Gleichen, egal, woher sie kommen", sagt Claudia Dantschke, Leiterin der Arbeitsstelle Islamismus und Ultranationalismus bei der Gesellschaft Demokratische Kultur in Berlin.

Die bekanntesten deutschen Salafisten: Pierre Vogel und Sven LauBild: picture-alliance/dpa

Das sonst so komplizierte Identitätsmodell von Herkunftsland oder religiöser Zugehörigkeit bei Einwandererkindern werde einfach reduziert, sodass die Botschaft laute: "Du bist Muslim, sonst nichts." Salafistische Prediger seien Vorbilder für Jugendliche und Autoritäten, an die sie sich anlehnen könnten. "Die Prediger sagen ihnen, was sie denken sollen, sie nehmen ihnen das Denken ab und damit letztlich auch Verantwortung."

Selbstkritische Reflexion überflüssig

Wirkungsvoll sei die Rekrutierung auch deshalb, weil die Salafisten ihre Predigten auf Deutsch hielten, oft in jugendlichem Slang. In ihren Botschaften werden Themen angesprochen, die Jugendliche direkt in ihrer Lebenswirklichkeit betreffen - und berühren. Fragen zur Freundin oder zum Ausbildungsplatz etwa, "und die Antworten darauf sind dann scheinbar religiös." Jugendliche, die in der Schule schlechte Noten vorweisen oder im Anschluss daran nur schwerlich einen Ausbildungsplatz finden, erhalten einfache Erklärungen für ihre Not: "Weil du Muslim bist und Muslime ausgegrenzt werden, bekommst du keine Chance", lautet auch hier die gängige Botschaft. Eine selbstkritische und mitunter konstruktive Reflexion sei dann überflüssig, so Dantschke. Den interessierten Jugendlichen werde suggeriert, dass sie in der salafistischen Szene als Muslim keine Ausgrenzung erfahren und willkommen seien.

Gegendemonstranten auf einer Kundgebung des radikalen Salafistenpredigers Pierre VogelBild: picture-alliance/dpa

"Interessant ist, dass Jugendliche aus unterschiedlichsten Herkünften für salafistisches Gedankengut anfällig sind", sagt Claudia Dantschke. Sympathisanten kommen aus bildungsnahen sowie bildungsfernen Schichten, mit oder ohne Zuwanderungshintergrund, aus religiös ausgerichteten oder sehr weltlich orientierten Familien. Alle sozialen und nationalen Herkünfte sind vertreten. "Das einzige, was diese Jugendlichen miteinander gemein haben ist, dass sie im religiös-theologischen Sinne Analphabeten sind."

Expertise im Rechtsextremismus nutzen

Mit Präventionsarbeit kann der ungebrochene Zulauf zu salafistischen Kreisen gebremst werden - auch mit Blick auf die kampfbereite dschihadistische Szene im Irak und in Syrien. "In dem Moment, wo Sympathisanten fehlen, brechen diese Organisationen zusammen", sagt Islamismus-Experte Guido Steinberg. Bei der Präventionsarbeit müsse man diesen Aspekt besonders im Blick haben.

Eines der erfolgreicheren Präventionsprojekte ist "ufuq" aus Berlin, was mit "Perspektiven" übersetzt werden kann. "Wir arbeiten nicht mit Jugendlichen, die schon in salafistischen Milieus unterwegs sind, sondern wir arbeiten mit allen Jugendlichen in Schulen oder in Jugendeinrichtungen", erklärt Jochen Müller, Mitbegründer des Vereins. Mit selbst produzierten Filmen zu Themen wie Islam in Deutschland, Salafismus oder Islamfeindlichkeit ziehen Teamarbeiter durch Schulen und Jugendzentren. "Wir versuchen, Jugendliche miteinander ins Gespräch zu bringen. Darüber, wie sie ihre Religion leben wollen, wie sie sich Schule innerhalb der Klasse vorstellen oder wie das Zusammenleben im Kiez und in der Gesellschaft aussehen soll."

Können Präventionsprojekte den Zulauf zu den Salafisten tatsächlich stoppen? - ein Thema der TagungBild: DW/U. Hummel

Zentraler Gedanke dabei ist es, der Erfahrung von Nichtzugehörigkeit entgegen zu wirken und Anerkennung zu vermitteln. "Und unsere Erfahrung ist es, dass die Jugendlichen dann, wenn sie anfangen selbst zu denken und selbst zu sprechen - gerade auch in religiösen Dingen - immun werden gegen die einfachen Antworten und Feindbilder der Islamisten." Das Modell der primären Prävention von ufuq.de gibt es schon seit 2007 und gehört mit zu den erfolgreichsten Konzepten der Republik.

Wertschätzung statt Tabus

Bei der Tagung wurden aber auch neue Ansätze vorgestellt: etwa die Übertragbarkeit etablierter Präventionsansätze aus dem Bereich des Rechtsextremismus. "Wenn man den jungen Menschen erst einmal zuhört und versucht zu verstehen, warum sie sich für solche Ideologien und Szenen interessieren, ihnen also Vertrauen schenkt, dann kann man häufig einen guten Zugang zu ihnen bekommen", sagt Michaela Glaser, Soziologin an der Forschungsstelle Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit des Deutschen Jugendinstituts.

Eine solch fragend-wertschätzende Haltung sei bei der Präventionsarbeit zum Salafismus gleichermaßen wichtig, "gerade bei Menschen, die noch keine verfestigten Positionen haben und oft noch auf der Suche sind." Statt die ideologische Haltung junger Menschen vorschnell zu "verteufeln" und mit starken Tabus zu belegen, sollten Pädagogen den Anfängen salafistischer Indoktrinierung vielmehr mit Fragen und Wertschätzung begegnen, rät die Expertin.

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