Salafisten sorgen für schneidige Sätze an der Spree
9. Mai 2012Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sagte in verschiedenen Medieninterviews, die Regierung werde es sich nicht gefallen lassen, dass gewaltbereite Salafisten den Frieden im Lande störten. Deshalb sei eine Ausweisung Einzelner nicht ausgeschlossen. Bei den Salafisten handelt es sich nach den Worten des CSU-Politikers um Ideologen, "die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung beseitigen wollen".
Deutschland werde sich keine Religionskriege aufzwingen lassen, weder von radikalen Salafisten noch von extremen Parteien. Ohne Frage hätten die Salafisten eine ideologische Nähe zum Terrornetzwerk Al-Kaida. Die Frage der Ausweisung sei jedoch schwierig und nur im Einzelfall zu prüfen, sagte Friedrich. "Natürlich können Sie unter bestimmten Voraussetzungen Kriminelle, Verurteilte, Gewalttäter, Verbrecher aus Deutschland ausweisen". Man könne jedoch niemandem eine Staatsbürgerschaft entziehen, wenn er keine andere habe, das sei ein Grundprinzip. Man werde aber "alle Spielräume, die unser Rechtsstaat lässt, auch nutzen".
Rund 4000 Salafisten in Deutschland
Nach schweren Ausschreitungen in Bonn hatte die Polizei am Dienstag in Köln mit einem massiven Aufgebot neue Gewalt von Islamisten verhindert. Gewaltsame Übergriffe gab es vor wenigen Tagen auch in Solingen und Berlin. Die Islamisten erregen zudem schon seit längerer Zeit bundesweit Aufmerksamkeit, weil sie kostenlose Koran-Ausgaben an die Bürger verteilen. Friedrich geht von rund 4000 Salafisten in Deutschland aus: "Nicht alle sind unmittelbar und immer sofort gewalttätig, aber wie schnell das geht, hat man glaube ich in Bonn gesehen", sagte Friedrich.
Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann forderte ein hartes Vorgehen gegen gewaltbereite Islamisten. "Salafisten müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden", sagte Oppermann in Berlin. Die Bundesrepublik dürfe kein Tummelplatz für gewalttätige Gruppen sein. Zu einer konsequenten Strafverfolgung gehörten auch Vereinsverbote.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) indes warnte davor, die Debatte um den radikalen Salafismus in den nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf zu ziehen. "Die Ereignisse in Nordrhein-Westfalen müssen ernst genommen werden, wie das Problem des radikalen Salafismus insgesamt", sagte die FDP-Politikerin. "Unser Rechtsstaat ist genau dafür da, mit solchen Problemen angemessen umzugehen und ist handlungsfähig. Dazu braucht es keine parteipolitisch gefärbte Auseinandersetzung."
Ablehnung von Kreuzzugsrhetorik
Dessen ungeachtet warf die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth den Unionsparteien vor, kurz vor der Landtagswahl Stimmung gegen Muslime zu machen. Wer nicht zwischen gewaltbereiten Salafisten und der Mehrheit der friedlichen Muslime unterscheide, der spiele den Neonazis in die Hände. Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke erklärte: "Statt Kreuzzugsrhetorik ist besonnene Rechtsstaatlichkeit im Umgang mit gewalttätigen religiösen Fanatikern gefragt."
Salafismus ist ein Oberbegriff für verschiedene sunnitische Bewegungen, die sich an einem Ur-Islam orientieren. Eine einheitliche Struktur oder Ideologie haben sie nicht. Salafisten erkennen nur den wörtlich zu verstehenden Koran und die Überlieferung der Taten und Äußerungen Mohammeds (Sunna) als verbindlich an. Andere Muslime sind in ihren Augen keine wahren Gläubigen.
Die Bewegung wurde von intellektuellen Muslimen im 19. Jahrhundert angestoßen, die sie sich als Reformer verstanden. Die Rückbesinnung auf die Altvorderen schloss für sie eine Vereinbarkeit von Islam und moderner Technik ein. Ziel war, eine in ihren Augen wahrhaft islamische Gesellschaft zu errichten. Im Westen dagegen steht der Begriff Salafismus heute meist für eine rückwärtsgewandte Minderheitenströmung im Islam, die mit Demokratie und Menschenrechten unvereinbar ist. Das gilt etwa für die Gleichstellung der Frau oder für die Beteiligung am demokratischen System. Nicht alle Gruppen rufen dabei zu Gewalt auf.
sti/qu (afp, dapd, dpa, epd)