Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Salman Rushdie
19. Juni 2023
Der in Indien geborene britisch-amerikanische Autor Salman Rushdie wird mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023 ausgezeichnet - "für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und seine Erzählfreude".
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Der 76-jährige Salman Rushdie, der im Sommer letzten Jahres bei einem Attentat schwer verletzt wurde, bekommt die Auszeichnung im Herbst in der Frankfurter Paulskirche verliehen, wie der Stiftungsrat am Montagvormittag (19.06.2023) in Frankfurt am Main bekannt gab.
Die feierliche Ehrung samt Übergabe des mit 25.000 Euro dotierten Preises findet traditionell zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse (18.-22.10.2023) statt. Der renommierte Friedenspreis wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels verliehen, der Berufsorganisation der Verlage und Buchhandlungen. Er würdigt Persönlichkeiten, die in Literatur, Wissenschaft oder Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben.
Ein Überblick über Salman Rushdies Werk
Sein erster Roman floppte, der zweite machte ihn berühmt, der vierte brachte ihm Todesdrohungen ein. "Die satanischen Verse" sind weltbekannt. Doch Salman Rushdie auf diesen Roman zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht.
Bild: KHARBINE-TAPABOR/imago images
"Victory City" (2022)
In seinem 15. Buch, einer märchenhaften Allegorie, erzählt Rushdie die Geschichte des indischen Waisenmädchens Pampa Kampana im 14. Jahrhundert. Sie erhält von einer Göttin übernatürliche Kräfte und lässt aus einer Handvoll Samenkörner die "Stadt des Sieges" entstehen. All ihr Handeln beruht auf der großen Aufgabe, den Frauen in einer patriarchalen Welt eine gleichberechtigte Rolle zu geben.
Bild: Cindy Ord/Getty Images for PEN America
"Quichotte" (2019)
Salman Rushdies "Quichotte" modernisiert Cervantes' Klassiker und verlegt die Suche eines alternden Reisenden in die heutige USA. Er spielt mit Fakten und Fiktion, erzählt von Alltagsrassismus und der Opioid-Krise - und driftet zugleich ins Surreale ab. Der Roman war für den renommierten Booker Prize 2019 nominiert.
Bild: Tolga Akmen/AFP via Getty Images
"Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" (2015)
Die Anzahl der Tage im Titel dieses Buches bezieht sich auf Scheherazades Erzählungen von "Tausendundeiner Nacht". Auch Rushdies Roman bietet mindestens so viele Geschichten. Im Jahr der Buchveröffentlichung lud ihn die Frankfurter Buchmesse als Hauptredner ein. Wegen seiner Teilnahme rief der Iran zum Boykott der Veranstaltung auf.
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"Joseph Anton" (2012)
Neun Jahre verbrachte Rushdie im Untergrund. Dort legte er sich das Pseudonym Joseph Anton zu - zu Ehren seiner Lieblingsschriftsteller Joseph Conrad und Anton Tschechow. In dieser Zeit ließ er sich von seiner zweiten Frau scheiden und ging zwei weitere Ehen ein, die beide nach ein paar Jahren wieder zerbrachen. Von diesem Lebensabschnitt erzählt Rushdie in seiner Autobiografie "Joseph Anton".
Bild: PA Stillwel/dpa/picture-alliance
"Luka und das Lebensfeuer" (2010)
Rushdie hat auch zwei Kinderbücher geschrieben. Das Märchen "Harun und das Meer der Geschichten" (1990) kreist um Themen wie Zensur und Meinungsfreiheit. "Luka und das Lebensfeuer" ist ein Fantasy-Roman, in dem ein Junge seinen Vater - einem Geschichtenerzähler - das Leben retten muss.
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"Der Boden unter ihren Füßen" (1999)
Postkoloniale Kultur und magischer Realismus sind Rushdies Markenzeichen. Weitere Zutaten seiner Werke: unzählige Referenzen aus Weltgeschehen, Literatur und Pop. Daraus formte er so unterschiedliche Werke wie die Familiensaga "Des Mauren letzter Seufzer" (1995) oder "Der Boden unter ihren Füßen", eine alternative Geschichte der Rockmusik. Die Rockband U2 verwendete den Titel später in einem Song.
"Die satanischen Verse" veränderten das Leben des Schriftstellers grundlegend. Radikale Muslime empfanden den Roman als Gotteslästerung. 1989 verurteilte der iranische Staatschef Ayatollah Khomeini den Autor zum Tode. Viele Jahre lebte Rushdie daraufhin im Untergrund. Die so genannte Fatwa wurde bis heute nicht offiziell aufgehoben. Unser Bild zeigt Proteste gegen das Buch in Kuala Lumpur 2007.
Bild: Shamshahrin Shamsudin/dpa/picture-alliance
"Mitternachtskinder" (1981)
Rushdies erster Roman "Grimus" (1975) fand kaum Beachtung. Doch schon der zweite machte den britisch-indischen Autor zum internationalen Literatur-Star: "Mitternachtskinder" ist eine Allegorie auf die Unabhängigkeit Indiens. Das Buch wurde mit dem Booker Prize ausgezeichnet und gut 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung von der indisch-kanadischen Regisseurin Deepa Mehta verfilmt.
Bild: Concorde Filmverleih/dpa//picture-alliance
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Fast ein Jahrzehnt lang lebte Salman Rushdie im Untergrund, weil der iranische Ayatollah Khomeini 1989 per Fatwa zur Ermordung des Autors aufgerufen hatte - als Reaktion auf seinen 1988 erschienenen Roman "Die satanischen Verse". Rushdie musste mit Hilfe des britischen Geheimdienstes untertauchen und wechselte binnen eines Jahres 56 Mal sein Versteck.
"Einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Freiheit des Denkens und der Sprache"
Inzwischen arbeitet Rushdie an einem Buch über das missglückte Attentat. Trotz der Folgen schreibe er weiter - "einfallsreich und zutiefst menschlich", lobte der Stiftungsrat. Der Autor sei "nach wie vor einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Freiheit des Denkens und der Sprache - und zwar nicht nur seiner eigenen, sondern auch der von Menschen, deren Ansichten er nicht teilt". Unter hohen persönlichen Risiken verteidige er damit eine wesentliche Voraussetzung des friedlichen Miteinanders.
Rushdie werde geehrt für "seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert", hieß es seitens der Jury. In seinen Romanen und Sachbüchern verbinde er "erzählerische Weitsicht mit literarischer Innovation, Humor und Weisheit". Seit seinem 1981 erschienenen Meisterwerk "Mitternachtskinder" beeindrucke Rushdie durch seine Deutungen von Migration und globaler Politik. "Dabei beschreibt er die Wucht, mit der Gewaltregime ganze Gesellschaften zerstören, aber auch die Unzerstörbarkeit des Widerstandsgeistes Einzelner."
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Rushdie: "Ein wenig eingeschüchtert"
Er fühle sich sehr geehrt und sei dankbar für diese wichtige Auszeichnung, zitiert der Stiftungsrat Salman Rushdie: "Ich kann der Jury nur für ihre Großzügigkeit danken. Ich weiß, wie bedeutsam dieser Preis ist, und ich bin ein wenig eingeschüchtert von der Liste der bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger, zu der sich mein Name nun gesellen wird. Ich freue mich wirklich sehr."
Berühmte Bücher, die verboten wurden
Was haben Galileo Galilei, Salman Rushdie und Harry Potter gemeinsam? Bücher von ihnen oder über sie wurden verboten oder angefochten. Aus welchen Gründen?
Bild: Tony White/AP/picture alliance
Unter Blasphemie-Vorwurf
Wegen seines Buches "Die satanischen Verse", das in mehreren Ländern wegen blasphemischer Darstellung des Propheten Mohammed verboten ist, wurde Salman Rushdie mit dem Tod bedroht und tauchte jahrlelang unter. Im August 2022 wurde er in den USA Ziel eines Messerangriffs. Der mutmaßliche Täter nannte Rushdie "jemand, der den Islam angreift". Schwer verletzt überlebte der Autor den Anschlag.
Bild: Viking Press
Ausgezeichnet mit vier Oscars
"Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque wirft einen ungeschminkten Blick auf das Leben deutscher Soldaten im Ersten Weltkrieg. Von den Kriegsgräueln erzählt der 20-jährige Protagonist Paul Baumer. Lange galt das Werk als wichtiges Antikriegsbuch - bis die Nazis es verboten. Die erste deutschsprachige Verfilmung gewann 2023 vier Oscars, darunter den als bester internationaler Film.
Bild: Ballantine Books
Ein Buch über Bücherverbrennung
Der dystopische Roman von Ray Bradbury aus dem Jahr 1953 entwirft eine Gesellschaft der Zukunft, in der Bücher verboten sind - und verbrannt werden, wenn man sie entdeckt. In den 1990er Jahren lehnte ein US-Schulbezirk die Verwendung des Wortes "gottverdammt" ab. Auch verwende das Buch "fragwürdige Themen" wie Zensur, Unterdrückung und Religion. Dabei gilt es als eines von Bradburys besten Werken.
Bild: Simon & Schuster
Die Farm der Tiere
In George Orwells Roman "Farm der Tiere" lehnen sich Tiere gegen ihren Bauern auf. Sie hoffen auf eine Gesellschaft, in der alle gleich, frei und glücklich sein können. Doch das Experiment scheitert. Gedacht als Seitenhieb auf die Korruption in der ehemaligen Sowjetunion, war das Buch dort noch bis in die 1980er Jahre verboten.
Bild: Mary Evans Picture Library/picture alliance
Geister, Sekten und Hexerei
Weltweit haben Kinder und Erwachsene die Geschichten von Harry Potter verschlungen. Ungeachtet dieses Erfolgs sollten die Bücher der britischen Autorin J.K. Rowling aus so mancher amerikanischen Schulbibliothek verschwinden. Der Grund: Sie handeln von Geistern, Sekten und Hexerei.
Bild: United Archives/Impress/picture alliance
Familie im Kinderbuch
Das Kinderbuch "And Tango makes three" beruht auf der wahren Geschichte von zwei männlichen Pinguinen in einem New Yorker Zoo, die gemeinsam ein Küken aufziehen. Kritiker monierten, die Geschichte sei "für kleine Kinder ungeeignet" und habe "homosexuelle Untertöne". In Singapur, wo Homosexualität illegal ist, wurde das Buch in die Erwachsenenabteilung der Bibliotheken verschoben.
Bild: Little Simon
In den USA nicht auf dem Index
Vladimir Nabokovs Roman "Lolita" erschien 1955 und handelt von der verbotenen, weil pädophilen Liebesbeziehung eines Literaturprofessors mittleren Alters zu einem zwölfjährigen Mädchen. Es überrascht nicht, dass das Buch in Frankreich, England, Argentinien und Neuseeland zu unterschiedlichen Zeiten als obszön verboten wurde. In den USA hingegen wurde es zwar kritisiert, aber nicht verboten.
Bild: Rowohlt Taschenbuch;
Aus der Heimat verbannt
Ma Jians Buch "Streck deine Zunge heraus" erschien 1987. Es thematisiert die brutale chinesische Besetzung Tibets. Chinas Regierung verurteilte das Buch als "geistige Verschmutzung". Ma ging nach Hongkong, arbeitete einige Zeit in Deutschland und lebt seit 1999 in England. Nach der Veröffentlichung seines Romans "The Dark Road" (2013) über Chinas Ein-Kind-Politik wurde Ma aus der Heimat verbannt.
Bild: Picador
Zum Schweigen nicht bereit
Die Rechtsanwältin Shirin Ebadi war eine der ersten Richterinnen im Iran. Nach der Revolution von 1979 wurde sie aus ihrem Amt entlassen. Ebadi eröffnete eine Anwaltskanzlei und begann, Menschen zu verteidigen, die von den Behörden verfolgt wurden. Sie ist die erste weibliche Friedensnobelpreisträgerin aus der islamischen Welt, doch ihre Memoiren "Iran Awakening" bleiben in ihrer Heimat verboten.
Bild: Rider
Voller Rassenstereotype
Mark Twains Roman "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" (1884) gilt als einer der besten Romane aller Zeiten. In den USA geräte er heute wegen seiner Darstellung von Rassenstereotypen in die Kritik. Das N-Wort kommt in dem Roman 242 Mal vor, was einen Kritiker dazu veranlasste, das Buch als "groteskestes Beispiel für Rassismus, das ich je in meinem Leben gesehen habe" zu bezeichnen.
Bild: Gemeinfrei
Der lange Weg des Rechts
Galileo Galileis "Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme" von 1632 war der katholischen Kirche ein Dorn im Auge. Der italienische Universalgelehrte behauptete darin, die Erde kreise um die Sonne. Galilei wurde der Ketzerei bezichtigt. Erst 1822 wurde das Verbot seiner Werke aufgehoben. Und weitere 177 Jahre später gab der Vatikan Galilei offiziell Recht.
Bild: Basiletti/zumapress/picture alliance
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Im Jahr 2022 war der Preis, der seit 1950 vergeben wird, an den ukrainischen Autor Serhij Zhadan überreicht worden.