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Quichottes Reise durch Trumps Amerika

Sabine Kieselbach
14. Oktober 2019

Salman Rushdie hat in seinem neuen Roman den Klassiker "Don Quijote" ins heutige Amerika übertragen. Ein fantastischer Roman über eine Welt in der Krise.

Salman Rushdie, indisch-britischer Schriftsteller
Bild: picture-alliance/dpa/Maxppp Awaad

Held dieses Romans mit dem Titel "Quichotte" ist Ismail Smile, ein indischer Einwanderer, der seit Jahren als Handelsvertreter von Arzneimitteln durch die USA reist. Sein Zuhause sind billige Hotelzimmer, seine Welt die TV-Serien und -Shows, die er allabendlich konsumiert. Nach einem Herzinfarkt verliert er mehr und mehr den Bezug zur Realität und flüchtet sich in eine Traumwelt. Eine Folge davon ist die überwältigende Liebe, die er für eine Unbekannte empfindet: Salma R. kommt wie er aus Indien, lebt in New York und ist eine echte Berühmtheit mit eigener TV-Show: Oprah 2.0. Als Ismail Smile von seinem Cousin und Boss in Rente geschickt wird, ist er endlich frei, sich mit Salma R. zu vereinen. Er steigt in seinen alten Wagen, nennt sich fortan Quichotte, und imaginiert sich als Reisebegleiter den so lang ersehnten Sohn namens Sancho - noch ein Zitat aus der literarischen Vorlage von Miguel de Cervantes.

Es gibt eine zweite Ebene im Buch

Die Reise ist ein Trip durch ein düsteres Amerika. Die beiden erleben Rassismus und Gewalt, werden konfrontiert mit Populismus, Fake News, der Opioidkrise - aktueller geht es kaum. Der Name Donald Trump fällt kein einziges Mal, aber im Buch gibt es einen "starrköpfigen Präsidenten (…) der von Cable News besessen war, der der Basis weißer Rassisten schmeichelte, der (…) Umkleide-Scheiß über Frauen gequatscht hatte."

Was ist real? Was ist erfunden? In diesem Roman finden Sie keine Antworten.

Und dann gibt es auch noch eine zweite Ebene im Buch, ein Buch im Buch, denn "Quichotte" ist die Erfindung eines indisch-amerikanischen Schriftstellers namens Sam DuChamp, der mit diesem Roman seinen großen Durchbruch erleben will, nachdem er jahrelang mittelmäßige Spionagekrimis verfasst hat. Mit seinem Helden teilt er das Alter, die Herkunft und die Sehnsucht, dazuzugehören in einer Welt, in der er sich nirgendwo zuhause fühlt. Über allem steht immer wieder die Frage nach Identität. Wie sehen wir die Welt - und wie nimmt sie uns wahr?

Eine amüsante Lektüre, überbordend von der wilden Fantasie Rushdies

"Quichotte" ist ein typischer Rushdie: magisch, witzig, voller Sprünge in Zeit und Raum, zwischen Realität und Illusion. Mit vielen Bezügen zu der Welt, in der wir gegenwärtig leben. Ein Roman mit endlos vielen Zitaten aus der amerikanischen Popkultur, Verweisen auf die Weltliteratur, auf reale Ereignisse. Aber: die endlosen Aufzählungen von Fernsehsendungen, Celebrities, von Marken und Phänomenen haben auch etwas Ermüdendes. Da wird der Roman zum Symptom einer Welt, die er doch eigentlich kritisieren will. Und nicht nur das: Rushdie traut dem Leser nicht zu, selbst die Verbindungen zum tatsächlichen Leben herzustellen, und erklärt uns auch das.

Am besten ist der Roman dann, wenn es um Leben und Tod geht, um Gefühle. Und da diese Themen einen großen Raum einnehmen, ist "Quichotte" allein deshalb über weite Strecken eine amüsante Lektüre, überbordend von der wilden Fantasie seines Autors.

"Quichotte" ist Rushdies 14. Roman und stand auf der Shortlist für den renommierten Man Booker Prize. Das Buch erschien im August in Großbritannien, im September in den USA und ist jetzt auf Deutsch erhältlich.

Salman Rushdie wurde 1947 in Mumbai als Sohn einer muslimischen Familie geboren. Weltruhm erlangte er mit seinem 1981 erschienenen Roman "Mitternachtskinder" und mit den 1988 veröffentlichten "Satanischen Versen". Irans Staatschef Chomeini verhängte eine Fatwa, ein Todesurteil über den Schriftsteller, der danach viele Jahre im Untergrund lebte. Das Urteil ist bis heute nicht aufgehoben.

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