In seinem neuesten Roman verknüpft Salman Rushdie Trash-TV, Opioidkrise und Rassismus in den USA zu einer modernisierten Version von Miguel de Cervantes' "Don Quijote".
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Ein Überblick über Salman Rushdies Werk
Sein erster Roman floppte, der zweite machte ihn berühmt, der vierte brachte ihm Todesdrohungen ein. "Die satanischen Verse" sind weltbekannt. Doch Salman Rushdie auf diesen Roman zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht.
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"Victory City" (2022)
In seinem 15. Buch, einer märchenhaften Allegorie, erzählt Rushdie die Geschichte des indischen Waisenmädchens Pampa Kampana im 14. Jahrhundert. Sie erhält von einer Göttin übernatürliche Kräfte und lässt aus einer Handvoll Samenkörner die "Stadt des Sieges" entstehen. All ihr Handeln beruht auf der großen Aufgabe, den Frauen in einer patriarchalen Welt eine gleichberechtigte Rolle zu geben.
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"Quichotte" (2019)
Salman Rushdies "Quichotte" modernisiert Cervantes' Klassiker und verlegt die Suche eines alternden Reisenden in die heutige USA. Er spielt mit Fakten und Fiktion, erzählt von Alltagsrassismus und der Opioid-Krise - und driftet zugleich ins Surreale ab. Der Roman war für den renommierten Booker Prize 2019 nominiert.
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"Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" (2015)
Die Anzahl der Tage im Titel dieses Buches bezieht sich auf Scheherazades Erzählungen von "Tausendundeiner Nacht". Auch Rushdies Roman bietet mindestens so viele Geschichten. Im Jahr der Buchveröffentlichung lud ihn die Frankfurter Buchmesse als Hauptredner ein. Wegen seiner Teilnahme rief der Iran zum Boykott der Veranstaltung auf.
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"Joseph Anton" (2012)
Neun Jahre verbrachte Rushdie im Untergrund. Dort legte er sich das Pseudonym Joseph Anton zu - zu Ehren seiner Lieblingsschriftsteller Joseph Conrad und Anton Tschechow. In dieser Zeit ließ er sich von seiner zweiten Frau scheiden und ging zwei weitere Ehen ein, die beide nach ein paar Jahren wieder zerbrachen. Von diesem Lebensabschnitt erzählt Rushdie in seiner Autobiografie "Joseph Anton".
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"Luka und das Lebensfeuer" (2010)
Rushdie hat auch zwei Kinderbücher geschrieben. Das Märchen "Harun und das Meer der Geschichten" (1990) kreist um Themen wie Zensur und Meinungsfreiheit. "Luka und das Lebensfeuer" ist ein Fantasy-Roman, in dem ein Junge seinen Vater - einem Geschichtenerzähler - das Leben retten muss.
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"Der Boden unter ihren Füßen" (1999)
Postkoloniale Kultur und magischer Realismus sind Rushdies Markenzeichen. Weitere Zutaten seiner Werke: unzählige Referenzen aus Weltgeschehen, Literatur und Pop. Daraus formte er so unterschiedliche Werke wie die Familiensaga "Des Mauren letzter Seufzer" (1995) oder "Der Boden unter ihren Füßen", eine alternative Geschichte der Rockmusik. Die Rockband U2 verwendete den Titel später in einem Song.
"Die satanischen Verse" veränderten das Leben des Schriftstellers grundlegend. Radikale Muslime empfanden den Roman als Gotteslästerung. 1989 verurteilte der iranische Staatschef Ayatollah Khomeini den Autor zum Tode. Viele Jahre lebte Rushdie daraufhin im Untergrund. Die so genannte Fatwa wurde bis heute nicht offiziell aufgehoben. Unser Bild zeigt Proteste gegen das Buch in Kuala Lumpur 2007.
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"Mitternachtskinder" (1981)
Rushdies erster Roman "Grimus" (1975) fand kaum Beachtung. Doch schon der zweite machte den britisch-indischen Autor zum internationalen Literatur-Star: "Mitternachtskinder" ist eine Allegorie auf die Unabhängigkeit Indiens. Das Buch wurde mit dem Booker Prize ausgezeichnet und gut 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung von der indisch-kanadischen Regisseurin Deepa Mehta verfilmt.
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Salman Rushdie ist bekannt dafür, seine Werke mit unzähligen Referenzen an die klassische und zeitgenössische Kultur zu versehen. Mit seinen drei zuletzt veröffentlichten Romanen würdigte er jeweils einen Klassiker der Weltliteratur: 2015 erschien "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte", eine Hommage an die morgenländische Erzählreihe "Tausendundeine Nacht". 2017 folgte der Roman "Golden House", eine Referenz an den antiken Schriftsteller Apuleius und sein Hauptwerk "Der goldene Esel", auch bekannt als "Metamorphosen", - der einzige antike lateinische Roman, der vollständig erhalten blieb.
Mit seinem jüngsten Werk "Quichotte", das nun in den USA erscheint, präsentiert der britisch-indische Autor eine modernisierte Version von Miguel de Cervantes' "Don Quijote", der als erster Roman der Neuzeit gilt. Rushdies Geschichte spielt jedoch nicht im spanischen La Mancha, sondern im von Donald Trump regierten Amerika zu einer Zeit, in der alles möglich scheint. Der in Indien geborene Protagonist reist quer durchs Land, auf der Suche nach einer ehemaligen Bollywood-Schauspielerin, in die er sich verliebt hat, und die inzwischen erfolgreich als TV-Moderatorin in den USA arbeitet.
Der Verkäufer und sein imaginärer Sohn Sancho wiederum sind fiktive Gestalten, erdacht von einem Thriller-Autor namens Sam DuChamp, der sich auch mit seinen eigenen herausfordernden Midlife-Krisenproblemen beschäftigt.
"Quichotte"- schlau oder selbstverliebt?
Rushdies "Quichotte" steht auf der Shortlist für den Booker Prize 2019, hat in den englischsprachigen Medien allerdings nicht nur positive Kritiken erhalten. Ein Rezensent der "New York Times" urteilte, dass Rushdies "Formel" alt werde. Die britische Tageszeitung "The Guardian" schrieb, dass es zwar interessant sei, das Verschwimmen von Fakten und Fiktion zu erforschen. Rushdies "Quichotte" sei aber zu unruhig und selbstverliebt, um mehr zu sein als ein Symptom der Missstände, die er beklage.
Für die ebenfalls britische "Sunday Times" hingegen ist der Roman eine der "klügsten metafiktionalen Kapriolen der Postmoderne". Das amerikanische Rezensionsmagazin "Kirkus Reviews" attestierte Rushdie gar Bestform und bezeichnete "Quichotte" als ein "schönes Stück literarische Satire".
Das amerikanische "Library Journal" empfiehlt "Quichotte" als eine prägnante, lyrische Meditation über Intoleranz, Fernsehsucht und die Opioidkrise, die mit messerscharfer Aktualität und Humor auf mehreren Ebenen operiere. Der Roman sei "außergewöhnlich".